von Florian Flade
Bei Sicherheitskontrollen an deutschen Flughäfen soll ein terroristisches Täterprofil zum Einsatz kommen – so der Vorschlag vom Präsidenten des Deutschen Flughafenverbandes. Wer glaubt dies bringe den gewünschten Erfolg lebt im sicherheitspolitischen Mittelalter.
„Diese neue Generation von Mujahideen wächst mehrsprachig auf. Sie lernen hier in der Regel Arabisch, Türkisch, Englisch, Paschtu, Urdu und die Muttersprache der Eltern“, schrieb der Saarländer Konvertit Eric Breininger in seinen Memoiren, die im April im Internet veröffentlicht wurden, kurz nachdem pakistanische Soldaten den deutschen Islamisten erschossen hatten. „Mit Allahs Erlaubnis wird dieser Nachwuchs zu einer ganz besonderen Generation von Terroristen, die in keiner Datenbank und keiner Liste der Feinde Allahs erfasst ist“, schrieb Breininger weiter, „Sie sprechen die Sprachen der Feinde, kennen ihre Sitten und Bräuche und können sich auf Grund ihres europäischen Aussehens hervorragend tarnen und so die Länder der Ungläubigen unauffällig infiltrieren um dort eine Operation nach der anderen ausführen und so Angst und Terror in ihren Herzen zu sähen.“
Der inzwischen getötete Breininger macht auf mit seiner Autobiografie postmortem ein Phänomen aufmerksam, das Sicherheitsdiensten zunehmend zu schaffen macht. Historische Profile von islamistischen Attentätern beginnen zu bröckeln, phenotypische Terroristenprofile lassen sich neun Jahre nach dem 11.September 2001 nicht mehr aufrechterhalten. Der dschihadistische Terrorismus kommt längst nicht mehr im Gewand eines Mohammed Atta oder Ziad Jarrah daher.
Genau deshalb lässt sich das vom Präsident des Deutschen Flughafenverbandes Christoph Blume vorgeschlagene Profiling von Passagieren an deutschen Flughäfen nicht nur verfassungsrechtlich hinterfragen, sondern darf als wenig effektiv bewertet werden.
Von welchem Profil etwa spricht Herr Blume? Ist es der 20-30jährige Mann nahöstlich oder vorderasiatischer Herkunft? Trägt er Bart oder ist frisch rasiert? Reist er alleine oder mit Familie? Spricht er Arabisch, Türkisch oder Pashtu? In Kategorien zu denken mag hilfreich erscheinen. Es macht Vorurteile vermeintlich real bedeutsam und formt eine Realität, deren Komplexität schlechtweg verkannt oder bewusst ignoriert wird. Wer sich sein Terroristen-Profil bastelt vermittelt Passagieren den Eindruck, Reisen würde dadurch sicherer dass ab sofort Türken und Araber eine separate Sicherheitsschleuse benutzen müssen. Abgesehen von der Frage nach Menschenwürde und Bürgerrechten – ein fataler Trugschluss welcher der sicherheitspolitischen Realität nicht gerecht wird.
Vor fast genau einem Jahr überwältigten Passagiere den dunkelhäutigen Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab, der eine in der Unterwäsche versteckte Bombe in einem US-Passagierflugzeug über Detroit zünden wollte. Der Sohn eines nigerianischen Bankiers sprach perfektes Englisch, trug ein weißes T-Shirt, hatte keinen Bart. Welchem Täterprofil entsprach Abdulmutallab?
Beispiel Sauerlandzelle. Ihre Mitglieder waren ein blonder Konvertit namens Fritz, ein langhaariger, hellhäutiger Deutscher namens Daniel. Wäre Breininger nicht in etlichen Propagandavideos aufgetreten und hätten deutsche Behörden ihn nicht auf dem Radar gehabt – wem wäre der blonde, blauäugige Saarländer mit spärlichem Oberlippenbart als Terrorist aufgefallen? Was ist mit den dunkelhäutigen Somaliern die dutzendfach die europäischen Exil-Gemeinde von Großbritannien, Schweden und Dänemark verlassen und eventuell als ausbildete Guerilla-Kämpfer zurückkehren?
In den terroristischen Ausbildungslagern Pakistans tummeln sich seit Jahren nicht mehr nur Ibrahims, Mohammeds, Ahmeds oder Omars. Konvertiten dominieren zunehmend die Szene, weiße, europäische oder nordamerikanische Islamisten, die teilweise nur wenige Monaten nach dem Übertritt zum Islam den militanten Weg einschlagen und Märtyrer werden wollen. Ihre Profile sind so variabel wie die Personen selbst. Soll also das Sicherheitspersonal an deutschen Flughäfen nun in Zukunft auf rothaarige Briten, blauäugige Libanesen, hellhäutige Algerier, dunkelhäutige Somalier mit dänischem Akzent achten?
Ein gefährliches Merkmal der al-Qaida-Kultur ist nicht etwa ihre Gefahr oder der schier grenzenlose Fanatismus, sondern vielmehr die Tatsache dass es Bin Laden gelang aus den Wirren des anti-sowjetischen Krieges in Afghanistan eine islamistische Internationale zu formen. Während die militanten Palästinensergruppen kaum einen Monat ohne interne Machtkämpfe und blutige Streitereien verbleiben, hat al-Qaida eine multiethnische, multilinguale Dschihad-Allianz geschaffen, ein terroristisches Netzwerk das die Grenzen von Nationalität, Rasse, Hautfarbe und gar Geschlecht überwindet.
Auf Propagandaebene hat sich das Netzwerk schon lange auf nicht-arabische Rekruten konzentriert. Englischsprachige Videobotschaften und Schriften sollen Muslime im Westen mit dem dschihadistischen Virus infizieren. Sie sollen Einzeltäter dazu bringen ohne Befehl, ohne Netzwerk, ohne Komplizen loszuschlagen. Erreicht werden damit keineswegs nur westliche Islamisten mit arabisch oder pakistanischem Hintergrund. Die Liste jener Terroristen, die in den vergangenen Jahren festgenommen wurden, und in kein Kategorie-Schema passen ist lang und wird immer länger.
„Jihad Jane“ ist der Spitzname der amerikanischen Konvertitin Colleen LaRose, die im Zusammenhang mit einem geplanten Anschlag auf den schwedischen Mohammed-Karikaturisten Lars Vilks festgenommen wurde. Nicht einmal israelischen Profilern wäre die blauäugige Frau mit wallender, blonder Mähne aufgefallen. Auch der Amerikaner Bryant Neal Vinas wollte im Namen Allahs töten. Er ist ein Hispanic aus New Jersey, ausgebildet in einem al-Qaida Lager in Pakistan.
Die Einführung eines Profiling nach Aussehen, Geschlecht und ethnischer Herkunft ist demnach nichts anderes als ein Arbeiten gegen den Trend. Ein Blick in die islamistischen Propagandavideos der vergangenen Jahre belegt: der dschihadistische Feind hat viele Gesichter, spricht etliche Sprachen und besitzt westliche Pässe. Neben deutschen Islamisten trainieren Usbeken, Tadschiken, Kirgisen, Tataren, Dagestaner und andere zentralasiatische Ethnien in den Lagern Waziristan. Chinesische Uiguren, Indonesier, Bangladescher und Maledivier tauchen auf, komplett verschleierte Frauen und vermummte unbekannte Gesichter die in akzentfreiem Deutsch Hass predigen – sogar albinotische Personen.
Geheimdienstarbeit und grenzübergreifende Zusammenarbeit von Sicherheitsdiensten und nicht das Fixieren auf ein veraltetes Täterprofil sind der effektivste Weg für eine sichere, terrorfreie Zivilluftfahrt. Das Risiko ist die Dunkelziffer, an deren Minimierung die deutschen Sicherheitsbehörden fieberhaft, und teilweise durchaus erfolgreich, arbeiten. Durch Videopropaganda bekannte Gesichter, wie etwa das von Breininger, Bekkay Harrach oder Mounir Chouka, würden wohl nie wagen per Flugzeug in Richtung Bundesrepublik abzufliegen. Zu bekannt sind sie, als dass sie per Passagierflugzeug versuchen würden einzureisen.
Viel gefährlich sind jene, die im Schatten der Propaganda-Schlachtrösser standen, bislang unbekannte Islamisten, jene Generation der europäisch aussehenden Kosmopoliten dschihadistischer Couleur, die Eric Breininger in seinen Memoiren erwähnte.