Monatsarchiv: Juni 2011

Der Terror-Insider

von Florian Flade

Emrah E. hat die Bundesrepublik in Terrorangst versetzt. Als er sich per Telefon aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet beim Bundeskriminalamt meldete, hatte er brisantes zu berichten: Al-Qaida plane Anschläge in Deutschland. Eine marokkanische Terrorzelle sei bereits in der Bundesrepublik und wolle schon bald mit selbstgebastelten Bomben losschlagen. Ein weiteres Terrorziel sei die Erstürmung des Reichstages in Berlin. Heute ist der 23jährige Deutsch-Türke aus Wuppertal ein weltweit gesuchter Terrorist.

Am 17.November 2010, zwei Tage nachdem sich Emrah E. das letzte Mal per Telefon aus Pakistan gemeldet hatte, rief das Bundesinnenministerium zur Pressekonferenz. Der Minister erklärte überraschend, es gebe „Grund zur Sorge“ denn islamistische Attentäter hätten Deutschland im Visier. Die Hinweise auf bevorstehenden Al-Qaida Terror seien inzwischen konkreter denn je.

Deutsche Ermittler konnten die Warnungen von Emrah E. unmöglich ignorieren. Sie waren zu detailliert, zu bedrohlich und fügten sich nur zu gut in die damalige Bedrohlungslage ein. Als Reaktion wurde der Berliner Reichstag tagelang für Besucher gesperrt, Polizeibeamte mussten Sonderschichten einlegen und patrouillierten verstärkt an Bahnhöfen und Flughäfen. Zu einem Anschlag kam es allerdings nicht.

Ein halbes Jahr nach der Terrorwarnung der Bundesregierung sollten sich die Prophezeihungen des mysteriösen Terror-Informanten zumindest teilweise bewahrheiten. Nach monatelanger Fahndung nahmen die Ermittler am 29.April 2011 in Düsseldorf und Bochum drei Terrorverdächtige fest. Die Deutsch-Marokkaner Abdeladim el-K. (29) und Jamil S. (31) sowie der Deutsch-Iraner Amid C. (19) hatten Anschläge mit selbstgebastelten Bomben geplant und warteten offenbar nur noch auf den Befehl aus Pakistan. El-K., der Kopf der „Düsseldorfer Zelle“, besuchte 2010 ein Ausbildungslager der Al-Qaida in Pakistan und war danach in der Bundesrepublik untergetaucht.

Es stellen sich viele Fragen. Wer ist Emrah E., der Anrufer, der das deutsche Innenministerium in bislang beispiellose Terrorangst versetzte? Woher wusste der Islamist von der marokkanischen Al-Qaida-Zelle in Düsseldorf? „Welt Online“ recherchierte die Geschichte des „Terror-Insiders“. Es ist die Biografie eines jungen Mannes, der aus dem Ruhrgebiet auszog, um ein Krieger Gottes zu werden.

Die Geschichte von Emrah E. beginnt in der Stadt Karliova in der osttürkischen Provinz Bingöl. Dort kommt der gebürtige Kurde 1988 zur Welt. Als Emrah zwei Jahre alt ist, zieht die Familie nach Deutschland. Der Großvater war in den 1970er Jahren bereits als Gastarbeiter nach Bayern gekommen, zog dann nach Wuppertal. Im Stadtteil Vohwinkel beginnen auch Emrahs Eltern ein neues Leben.

Emrah wuchs mit vier Geschwistern auf, zwei älteren Schwestern und den beiden jüngeren Brüdern Bünyamin und Yusuf. „Ich bin genau in der Mitte und das schwarze Schaf der Familie“, schrieb Emrah vor drei Jahren über sich im Internet. Seine Teenagerzeit war geprägt von Kriminalität. „Ich habe viel Schlechtes gemacht, alles was sich ein Mensch vorstellen kann“, erinnert er sich, „Eine Anzeige kam nach der anderen.“

Er habe sich nur noch für Schlägereien, Drogen und Discotheken interessiert, wollte möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen. Die Eltern sorgen sich um ihren ältesten Sohn. Damit sie Disziplin und Arbeit kennen lernen, schickte der Vater Emrah und seinen kleinen Bruder Bünyamin zum Arbeiten auf einen Bauernhof in Velbert, unweit von Wuppertal.

Bei Bauer Friedrich Bleckmann halfen die kurdischen Brüder in den Ferien Schafe zu schlachten. „Bünyamin war ein ruhiger, höflicher und netter Junge“, berichtet Bleckmann, Emrah hingegen sei oft aggressiv und aufbrausend gewesen. „Er war das Gegenteil von Bünyamin“, so der Schaf-Züchter, „er konnte Arbeit gut übersehen, war verträumt.“

Als seine älteste Schwester einen angehenden Prediger heiratete, folgte Emrah dem frommen Schwager zur Studienreise nach Pakistan. Der Aufenthalt in einem islamischen Land sollte den jugendlichen Straftäter zur Besinnung bringen, so hofften die Eltern. „Mein Vater wollte dass ich von der schiefen Bahn wegkomme“, erzählt Emrah, „er schickte mich nach Pakistan auf eine Koranschule.“ Hier traf der Teenager aus Wuppertal auf eine internationale Truppe von Muslimen aus den USA, Großrbitannien, Australien, Tansania, Somalia und Tschetschenien.

„Mein Schwager hatte Angst, dass ich nach Afghanistan fahren würde, weil ich einige Freunde hatte, die gerne über den Dschihad redeten“, so Emrah. Als er wieder zu Hause im Ruhrgebiet war, verflog das religiöse Erweckungserlebnis aus Pakistan schnell: „Nach drei Monaten war ich wieder der Alte“. Emrah kümmerte sich weder um Schule noch um eine Ausbildung, hatte keine Arbeit und kaum Geld.

Der Vater hatte irgendwann genug. Er setzte seinen ältesten Sohn vor die Tür. Einen Monat lang lebte Emrah auf der Straße, beging weiter Überfälle. „Eine Pistole und in zehn Minuten war alles klar“, erinnert sich der Deutsch-Türke, „Mal kamen 15, mal 20 bis 30 oder hundert Euro.“ Als Straftäter zu sterben und die Aussicht von Gott bestraft zu werden, quälten ihn jedoch zunehmend: „Ich dachte mir „Ey, was ist mit Allah? Was ist mit Allah? Emrah, was tust du da?“

Im Alter von 17 Jahre wurde Emrah E. das erste Mal wegen „schwerer räuberischer Erpressung“ festgenommen. Er erhielt eine Jugendstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, wurde aber aufgrund eines sozialpädagogischen Gutachtens frühzeitig entlassen. Noch im Gefängnis habe er gebetet, so Emrah: „Oh Allah, wenn du mich hier rausholst, werde ich dir dienen und ein guter Diener sein.“ Wieder in Freiheit war das religiöse Versprechen nur von kurzer Dauer. Emrah wurde erneut kriminell.

Am 6.September 2007 verurteilte ein Gericht Emrah E. zu einer zweiten Haftstrafe von drei Jahre und sechs Monate. Zelle Nr.347, sieben Quadratmeter groß, mit grün gestrichenen Wänden, im vierten Stock der Haftanstalt Siegburg wurde Emrahs Zuhause. Hier vollzog sich die Wandlung zum tiefgläubigen Muslim. Er betete viel, las oft ganze Nächte lang religiöse Schriften. „Ich bekam inneren Frieden und fühlte mich gut“, sagt Emrah über die Zeit, „Ich lebte unter dem Schatten des Koran. Das war mein Motto!“.

Wieder beantragte Emrah eine frühzeitige Haftentlassung und kam im Sommer 2008 frei. Keinen Tag seiner zweiten Haft bereue er, sagt Emrah später, er sei dort „zum Mann geworden“. Der Wandel hin zum religiösen Eiferer wurde nun für jedermann sichtbar. Sowohl Emrah als auch sein drei Jahre jüngerer Bruder Bünyamin trugen von nun an islamische Kleidung und Gebetsmützen. Sie engagierten sich in der Moscheegemeinde der „Schabab an-Nur Moschee“ in Wuppertal, hörten die Predigen des salafistischen Imams Abu Jibril.

Im Frühjahr 2010 war Emrah urplötzlich verschwunden. Aus dem Umfeld der Familie wurde bekannt, dass er sich offenbar nach Ägypten in eine Sprachschule absetzte und dann weiter nach Pakistan reiste. Diesmal zog Emrah nicht – wie noch in Teenager-Tagen – zum Studium in eine Koranschule. „Emo“, wie ihn Eltern und Geschwister nannten, wollte in den Dschihad ziehen und gegen Ungläubige kämpfen. Er schloss sich der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IBU) an, einer Terrorgruppe in deren Reihen schon mehrere Islamisten aus Deutschland kämpften.

Der kleiner Bruder Bünyamin, genannt „Büno“, fühlte sich angespornt durch Emrahs Ausreise in den Dschihad. Im Spätsommer 2010 reiste Bünyamin ebenfalls nach Pakistan. In den Terrorlagern Waziristans machten „Büno“ und „Emo“ nun gemeinsam Dschihad-Karriere. Bünyamin nannte sich fortan „Imran der Deutsche“, Emrah gab sich den Kampfnamen „Salahuddin al-Kurdi“.

Zuhause in Wuppertal wusste die Familie offenbar was das islamistische Bruderpaar anstrebten. „Meine Kinder kämpfen gegen Amerika“, soll der Vater stolz im Bekanntenkreis geprahlt haben.

Zur Familie hielten Bünyamin und Emrah auch aus Terrorcamp weiterhin Kontakt, oft auch per Telefon. Mitte September 2010 etwa. Da rief Emrah den daheimgebliebenen Bruder Yusuf in Wuppertal an und drängte ihn, Geld zu schicken. Notfalls müsse Yusuf mit einer Spielzeugpistole einen Supermarkt überfallen, sagte Emrah, Hauptsache es komme bald Geld.

Am Stadtrand der Ortschaft Mir Ali in der Region Nord-Waziristan mietete sich Emrah zu dieser Zeit mit seiner Ehefrau, einer Deutsch-Marokkanerin aus Köln, und dem gemeinsamen Kind in einem Gehöft ein. Am 4.Oktober 2010 empfing er dort einige Glaubensbrüder zum Abendessen. Die Runde bestand aus seinem Bruder Bünyamin, der erst vier Wochen zuvor in Waziristan angekommen war, dem Hamburger Shahab D. alias „Abu Askar“ und fünf pakistanische Taliban-Kämpfer. Sie alle saßen im Innenhof, „in meinem Garten“, wie Emrah später berichten wird.

Tage später schilderte Emrah den Eltern im heimischen Wuppertal-Vohwinkel per Telefon was in jener Nacht geschah: Für einen kurzen Augenblick habe er das Haus verlassen, berichtete der Islamist. Dies rettete ihm offensichtlich das Leben. Kurz darauf schlugen die Raketen ein. Eine US-Drohne hoch am Nachthimmel über Waziristan hatte sie abgefeuert. Er habe einen lauten Knall gehört, erzählt Emrah, dann habe er die zerstörte Lehmhütte gesehen.

In den Trümmern des Hauses starben fünf Islamisten. Emrah fand den Hamburger Shabab D. (27) mit einem abgerissenen Bein. Der Islamist lag bereits im Sterben. Der kleine Bruder Bünyamin (20) war auf der Stelle tot. Sein Kopf war von einem Raketen-Splitter zerfetzt worden.

Bünyamins Tod erschütterte Emrah tief, vielleicht so tief dass er genug hatte vom Leben als Gotteskrieger. Das jedenfalls behauptete Emrah, als er Anfang November 2010 überraschend aus dem pakistanischen Mir Ali beim BKA in Deutschland anrief. Er wolle nichts mehr mit Terrorismus zu tun haben, erzählte er, wolle aussteigen und brauche Hilfe von den deutschen Behörden.

Im Gegenzug bot er wertvolles Insiderwissen: Al-Qaida habe einen Anschlagsplan für Deutschland der kurz vor der Umsetzung stehe, tönte der Islamist. Nordafrikaner seien von Al-Qaida ausgebildet und in die Bundesrepublik entsandt worden. Weitere Attentäter würden bald nachfolgen.

Emrah E. erzählte, es existiere eine „marokkanische Zelle“ in Deutschland. Diese warte nur noch auf den Befehl eines Al-Qaida-Mannes aus Pakistan um mit selbstgebauten Bomben, die per Handy gezündet werden, los zu schlagen. Das „deutsche Parlament“ sei eines der Ziele.

Im Gegenzug für seine detaillierten Informationen und weitere Aussagen verlangte Emrah E. nicht gerade wenig von den deutschen Behörden. Sicherheit für seine Familie müsse gewährleistet werden, außerdem wolle er in die Türkei ausgeflogen werden. Und Geld verlangte Emrah, viel Geld. Über 100.000 Euro sollten die Ermittler für seine Aussagen zahlen.

Beim BKA wurde man stutzig. Ist der Anrufer aus Waziristan ein echter Insider oder nur ein Schwätzer? Will der islamistische Fanatiker ernsthaft aussteigen? Wie weit ist der deutsche Dschihadist tatsächlich über die geheimen Pläne der Al-Qaida informiert? Was wenn es keine Anschlagspläne gibt, und Emrah E. nur Angst und Panik schüren will?

Es sprach einiges dafür, den Warnungen des angeblich geläuterten Gotteskriegers keinen Glauben zu schenken. Schon in Deutschland fiel Emrah E. als Prahlhans auf. Die Ermittler bezweifelten dass er wirklich Einsicht hatte, in die Planungsebene der Al-Qaida. Auch die gewaltige Geldsumme, die Emrah für die Informationen verlangte, nährte das Misstrauen der Sicherheitsbehörden.

Andererseits fügten sich die Erzählungen des Emrah E. erschreckend gut ins Gesamtbild der damaligen Sicherheitslage ein. Der US-Geheimdienst CIA hatte den deutschen Kollegen schon Wochen vor den Anrufen von E. mitgeteilt, es gebe Hinweise auf eine Terror-Truppe die in Pakistan für ihren Einsatz in Europa ausgebildet wurde. Auch die CIA sprach von einer „marokkanischen Zelle“.

Und dann waren da noch die Aussagen zweier deutscher Terrorhäftlinge. Der Deutsch-Syrer Rami Makanesi war im Mai 2010 in Pakistan festgenommen worden. Er hatte im Verhör erzählt, Al-Qaida rekrutiere Freiwillige für einen „Europa-Plot“. Al-Qaidas Nr.3, Sheikh Yunis al-Mauritani, habe von Osama Bin Laden persönlich die Erlaubnis für Anschläge auf wirtschaftliche Ziele auch in Deutschland erhalten, so Makanesi. Ähnliches hatte auch der aus Hamburg stammende Dschihadist Ahmad Wali Sidiqqi nach seiner Festnahme im Juli 2010 in Afghanistan berichtet.

War also doch etwas dran an den Geschichten von Emrah E.? Während die deutschen Behörden zögerten auf das Angebot des Wuppertalers einzugehen, verlief der Kontakt zu ihm immer schleppender. Mehrfach meldete sich Emrah per Telefon, zuletzt am 15.November 2010, dann herrschte Funkstille. Es kam zu keinem Deal mit dem BKA. Die Terrorwarnungen aber wurden zwei Tage nach Emrahs letztem Anruf umgesetzt – letztendlich ausgelöst durch seine Aussagen.

In Waziristan verfiel Emrah E. nun in Panik, telefonierte in Todesangst mit der Familie in Deutschland. Jetzt, wo al-Qaidas Terrorpläne durch ihn aufgeflogen waren, gelte er bei den Dschihadisten als Verräter, sagte er. Al-Qaida jage ihn nun, er müsse um sein Leben fürchten und sei in höchster Gefahr.

Die deutschen Ermittler verfolgten seine Spuren weiter, hörten Telefonate ab und lasen seine E-Mails mit. Dabei fühlten sie sich zunehmend bestätigt in ihrer Vermutung, der Islamist habe mit seinem Gerede über Terroranschläge in Deutschland nur Angst schüren wollen.

„Was macht Deutschland? Haben sie viel Angst?“, fragte Emrah am 5.Dezember 2010 eine Schwägerin in Wuppertal per Telefon. Am nächsten Tag meldete sich Emrah erneut. Diesmal bei seinem Bruder Yusuf. Ihm erzählte er von weiteren Drohnenangriffen die er nur knapp überlebte. „Ich bin in das Haus gegangen und die Rakete hat bumm gemacht und das Haus getroffen“, so Emrah. „Ich habe den Jungen gefragt – der ist auch Deutscher – ob er ok ist.“

In Deutschland begannen die Fahnder zur selben Zeit die Kontaktpersonen von Emrah E. ausfindig zu machen. Eine erste Razzia fand im Dezember 2010 in den Wohnungen der Angehörigen statt. Weitere Durchsuchungen erfolgten am 26.Januar 2011 im Zuge von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen acht mutmaßliche Islamisten aus dem Großraum Wuppertal.

Wie jüngst durch einen Bericht des „FOCUS“ bekannt wurde, stand Emrah E. wohl seit Januar in E-Mail-Kontakt mit dem Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele. Am 30.Januar erläuterte Emrah E. in einer E-Mail an Ströbele die Details zum Drohnenangriff im Oktober des vergangenen Jahres. E. erzählte dem Bundestags-Abgeordneten vom Tod seines Bruders. Geweint habe er als er den toten Bünyamin in den Trümmern der Lehmhütte sah, heißt es in der E-Mail an Ströbele.

Trotz des offensichtlichen Schocks durch den Tod des Bruders erwecken Emrahs jüngste Lebenszeichen aus Pakistan nicht den Eindruck als wolle er dem Dschihad wirklich abschwören. Er sei mit „20 oder 30 Kämpfern in den Krieg gegangen“, prahlte er. „Die Mudschaheddin sind standhaft und sie fürchten nichts und niemanden“, schrieb er noch im Februar, „Wir besitzen eine Kalaschnikow gegen die Hightech-Waffen der Ungläubigen. Wir schlagen heute die Amerikaner und die Welt!“ Reue klingt anders.

Irgendwann im Februar reist Emrah E. offenbar samt Ehefrau und Kind von Pakistan aus in den Iran. Dort trennten sich die Wege des deutschen Gotteskriegers und seiner Familie. Während die Ehefrau und der Sohn zurück nach Deutschland reisten, stieg Emrah E. in ein Flugzeug und reiste nach Ostafrika.  Am Flughafen der Hauptstadt Nairobi verschwand der Islamist. Vermutlich reiste Emrah E. weiter über die Grenze nach Somalia. Die al-Qaida nahe Al-Shabaab Miliz heißt dort seit Jahren ausländische Dschihadisten willkommen.

Die Terror-Karriere des Emrah aus Wuppertal scheint also noch lange nicht beendet zu sein. Ob er sich erneut bei deutschen Behörden melden und vor Terror warnen würde, ist allerdings fraglich.

Berlin Jihadi arrested in Austria

by Florian Flade

Yusuf O. aka „Ayyub al-Almani“

Two years ago he threatened Germany with terror attacks on major cities from his hideout somewhere in Waziristan, now he was arrested – Yusuf O.. Austrian police arrested the 26 year-old Turkish national from Berlin in the Austrian capital Vienna on May 31. There was no press release or any sign from authorities in Austria or Germany that Yusuf O. was in their custody. His arrest was a secret because investigators regard him as a major source for information about Europe-based terrorism supporters and recruiters.

Yusuf O., a German of Turkish origin, was seen as a prime example of integration in Germany. In 2005 he graduated from school with the highest middle school degree possible and shortly after began his studies of engineering at Berlin´s University. On the Internet Yusuf O. described himself as a „pretty creative mind“, someone interested in „spirituality, engineering and fire arms“.

Around 2008 it seems, Yusuf O. rediscovered his Muslim faith. He went to the mosque more often, prayed and befriended with a group of Salafi Muslims in Berlin, among them Fatih T.. T. was a also a „reborn Muslim“, born into a Turkish family whose process of radicalization started in University.

In May 2009 Yusuf O. and Fatih T. left Germany for Jihad. Both traveled to Pakistan via Turkey and joined up the „Deutsche Taliban Mujahidin“ (DTM) in the tribal areas along the border with Afghanistan. Several other Germans, including the late Saarländer convert Eric Breininger, were members of that group who began to grow with the arrival of Fatih T. and Yusuf O.

During summer and fall of 2009, Yusuf O. was featured in several of DTM´s propaganda videos. The most famous one was released a few days prior to the German parliamentary elections in September 2009. In it Yusuf O. aka „Ayyub al-Almani“ threatened the German public with terror attacks if German troops would not withdraw from Afghanistan. „Jihad will tear down the German walls“, he said, „your security is only an illusion.“

Suspected terror targets were seen in the video including Berlin´s Brandenburger Gate, the Cologne cathedral and Munich´s Oktober-Fest. German counter-terrorism officials called the video „the most direct and most serious threat against Germany yet“. In another videos, Yusuf O. called for German Muslims to came to Waziristan and join the Jihad or to sent money to the Mujahidin.

While his friend Fatih T. rose to the become the „Amir“ of the DTM, Yusuf O. made his way back to Europe. Austrian police arrested him in late May. Germany had given out an international arrest warrant for the Berlin Talib. How and when Yusuf O. entered Austria is unclear. The arrest was not made at the Vienna Airport, which could suggest he traveled from Pakistan to an East European country – the Czech Republic, Hungaria or the Balkans – and then made his way to Austria.

O.´s arrest was not made public till other terror-related news in Austria broke and it became known a person with that name had been captured. On Wednesday four terror suspects were arrested in several raids across Vienna. Austrian convert Thomas al-J. was arrested by the police in this apartment while another 25 year-old convert, his 19 year-old wife and a Chechen man were arrested at the airport. They were allegedly on their way to the Waziristan terror camps of the DTM.

Thomas al-J. is a known radical convert who has connections to other Islamists across the border in Germany and was a blogger admiring Jihadi cleric Anwar al-Awlaki. Authorities in Austria believe al-J. recruited the other arrested terror suspects and organized their trips to Pakistan. In his Vienna apartment police found a Computer flight simulation game. Al-J., Austrian media reported yesterday, had trained to fly a commercial airliner in order to attack the German parliament.

All of the arrested Austrian terror suspects were released on Wednesday evening. The intention to travel to a terror camp was not enough evidence to keep them in custody.

Media reports said that the arrests might have been linked to the arrest of the German Yusuf O.. It is very likely O. who has been in Waziristan recently, knew of the supporter and recruiter network in Vienna. Unconfirmed information says he even met Thomas al-J. shortly before his arrest.

Austrian authorities would not comment on Yusuf O. but I received information he is still in Austrian custody waiting to be sent to Germany. Prosecution in Karlsruhe investigates Yusuf O.´s case since he appeared in the September 2009 propaganda video. They accuse him of being a member of the DTM, recruitment for a terrorist organization and support of terrorism.

„Die NATO muss mit Mullah Omar reden“ – Interview mit Rahimullah Yusufzai

by Florian Flade

Die Vereinten Nationen (UN) sollen nach dem Willen der afghanischen Regierung fünfzig ranghohe Taliban-Führer von ihrer „Schwarzen Liste“ der international geächteten Terroristen streichen, und somit den Weg für Friedensverhandlungen mit den Islamisten frei machen. Mit der symbolischen Geste sollen die Taliban zu langfristigen Gesprächen mit Nato-Vertretern motiviert werden.

Rahimullah Yusufzai (56), einer der bekanntesten Journalisten Pakistans, gilt als ausgewiesener Kenner der Taliban. Er interviewte etliche hochrangige Islamistenführer, traf als erster Journalist Taliban-Chef Mullah Omar und führte Ende 1998 das letzte Interview mit Osama Bin Laden.
Im Interview mit „Welt Online“ erklärt Yusufzai weshalb Frieden in Afghanistan ohne Mullah Omar nicht möglich ist und warum der Tod von Bin Laden eine Erlösung für die Taliban bedeutet.

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Herr Yusufzai, die Vereinten Nationen (UN) planen offenbar eine Reihe von Taliban-Führen von ihrer „Schwarzen Liste“ der Terroristen zu streichen. Halten Sie diesen Schritt für sinnvoll und richtig?

Ich denke es ist ein sehr kleiner positiver Schritt in die richtige Richtung, aber diese Maßnahme wird nicht zum Durchbruch für Friedensverhandlungen führen. Die Taliban interessieren sich nicht wirklich für diese „Schwarze Liste“. Diese Liste wurde in den letzten Jahren nicht überarbeitet, einige Leute darauf sind nicht mehr am Leben, andere sind Teil der afghanischen Regierung, manche sind gar nicht mehr aktiv in der Taliban-Bewegung engagiert. Es war von Anfang an keine besonders intelligente Liste.

Aber ist die Botschaft nicht sehr eindeutig und positiv: der Westen hat offenbar eingesehen dass nicht alle Taliban „Terroristen“ sind. Ist das eine positive Entwicklung?

Wenn man einige Jahre zurückblickt, dann ist es eine sehr positive Entwicklung. In der Vergangenheit wurden die Taliban dämonisiert, man hat sie pauschal als Terroristen bezeichnet, gesagt es könne keine Verhandlungen mit ihnen geben, sie könnten niemals Teil der Lösung in Afghanistan sein. Was jetzt stattfindet ist eine große Veränderung. Es ist eine positive Botschaft an den Feind. Dennoch: die wichtigsten Personen für Friedensverhandlungen wurden von der UN-Liste noch nicht gestrichen. Man nicht wirklich etwas erreichen, solange Leute wie Mullah Omar noch auf der Liste sind.

Muss die Nato mit Mullah Omar verhandeln wenn sie Frieden in Afghanistan will?

Ich denke nicht dass Frieden möglich ist, wenn mit irgend einer anderen Person außer Omar verhandelt wird. Er ist der Gründer und Anführer der Taliban. Er ist die größte Authorität. Die Taliban die jetzt von der Terror-Liste entfernt wurden, sind nicht wirklich wichtig als Partner für den Frieden. Im Gespräch sagen mir die Taliban immer wieder, alle Namen, auch der von Omar, müssen von der Liste verschwinden.

Glauben Sie es gibt eine Spaltung innerhalb der Taliban? Gibt es einen Teil der Bewegung, der bereit ist für Friedensgespräche mit der NATO – sozusagen die „guten Taliban“?

Ich denke nicht, dass es einen großen Bruch innerhalb der Taliban gibt. Es gibt verschiedene Meinungen und Ansichten, wie vorgegangen werden sollte. Diejenigen Taliban die nicht mit Mullah Omars Kurs übereinstimmen, haben sich längst verabschiedet. Der ehemalige Taliban-Außenminister Wakil Ahmed Muttawakil zum Beispiel lebt jetzt in Kabul. Andere sind Teil der Karsai-Regierung geworden, andere haben den Kampf aufgegeben. Ich denke, die Taliban die der NATO in Afghanistan die größten Probleme bereiten, stehen weiterhin geschlossen hinter Mullah Omars.

Ende Mai gab es Berichte, wonach Mullah Omar bei einem Schusswechsel in Pakistan getötet worden sein soll. Was halten Sie von diesen Meldungen?

Ich denke diese Berichte sind falsch und ohne jede Grundlage. Sogar der afghanische Geheimdienst sagt er sei lediglich nicht mehr in seinem Hauptquartier in Quetta, zuerst hatten sie behauptet er sei tot. Ich glaube es steckt kein Funken Wahrheit in den Berichten über Omars Tod. Er ist garantiert am Leben.

Die Taliban sind heute auf die Rückzugsgebiete in Pakistan angewiesen, sie bekommen Hilfe von pakistanischen Islamisten und der al-Qaida. Wie eigenständig sind die afghanischen Taliban heute?

Die pakistanischen Taliban werden von den afghanischen beeinflusst, nicht andersherum. Sie sehen Mullah Omar und nehmen sich die afghanischen Taliban als Vorbilder. In Pakistan haben die Taliban durch die blutigen Terroranschläge alle Sympathien bei den Menschen verloren. Keiner unterstützt sie. Die afghanischen Taliban versuchen sich daher ganz klar von den pakistanischen zu distanzieren.

Nach der Tötung von Al-Qaida Führer Osama Bin Laden sollen einige Taliban in Afghanistan ihre Waffen niedergelegt haben. Hat Bin Ladens Tod die Islamisten demoralisiert?

Diesen Berichten sollte man keinen Glauben schenken. Die gezielte Tötung Osama Bin Ladens hat den Taliban vielleicht sogar mehr Raum gegeben zu agieren. Sie waren jahrelang an ihn gekettet, sie haben für Bin Laden alles geopfert. Bin Laden war ein Hindernis für Friedesgespräche mit den Amerikanern. Ich denke viele Taliban fühlen sich jetzt geradezu befreit. Sie sagen das natürlich nicht öffentlich, aber ich denke Bin Laden war eine große Belastung für sie. Die Taliban waren durch ihn unter ständigem Druck. Dieser Druck ist jetzt weg.

Der Tod Bin Ladens ist also das Ende einer „Zwangs-Ehe“ zwischen al-Qaida und den afghanischen Taliban?

Die jüngsten Ereignisse sprechen für sich: die pakistanischen Taliban haben neun oder zehn große Anschläge verübt und gesagt es sei die Rache für Bin Laden. Die afghanischen Taliban hingegen haben in den vergangenen Wochen sogar noch größere Anschläge in Afghanistan verübt – aber keinen einzigen davon haben sie als Rache für Bin Ladens Tod bezeichnet. Ich denke die afghansichen Taliban sind sehr viel pragmatischer als die Islamisten in Pakistan. Sie kümmern sich nicht mehr um Bin Laden.

Seit Monaten gibt es geheime Gespräche zwischen Washington und den Taliban. Mitte Mai sollen in Deutschland Verhandlungen zwischen Amerikanern und Vertretern von Mullah Omar stattgefunden haben – wie Erfolg versprechend sind solche Gespräche?

Ich kenne einige der Teilnehmer dieser Verhandlungen, die zuerst in Dubai und dann in Deutschland stattgefunden haben. Ich weiß dass der frühere Sekretär von Mullah Omar, Tayyeb Agha, dort nicht anwesend war (DER SPIEGEL berichtete dies). Die Taliban-Gesprächspartner waren eher weniger wichtige Anführer. Dies könnte sich durchaus ändern wenn die Verhandlungen fortgesetzt werden. Bislang aber sind es nur „low-level“ Gespräche.

Wenn Sie der Nato-Gesprächspartner wären: Mit wem würden sie über Frieden in Afghanistan verhandeln?

Ich würde nicht mit den pakistanischen Taliban reden. Sie sind nicht das Problem in Afghanistan. Ich würde nicht mit al-Qaida reden. Ich müsste mit Mullah Omar über Frieden sprechen. Alles hängt von ihm ab.