Monatsarchiv: Mai 2012

Wiener Blut in Waziristan

von Florian Flade

In der österreichischen Hauptstadt zog eine Islamisten-Clique in den Dschihad. Einige scheiterten auf dem Weg in die Terror-Schulen in Pakistan und Somalia. Andere kehrten zurück und wurden verhaftet. Einer von ihnen fand in der Bergwelt Pakistans den Tod: Kerim B.-A.

Wien, Mai 2009. Zwei Männer betreten das Reisebüro einer saudi-arabischen Fluggesellschaft. Sie nehmen Platz, sagen, sie bräuchten Tickets für einen Flug nach Pakistan. Der Preis sei egal, wichtig sei nur, dass es eine möglichst kurze Umsteigezeit für den Anschlussflug gebe. Die Mitarbeiter im Reisebüro erzählten der Polizei später, der ältere der beiden sei Wortführer gewesen. Es war der 20-jährige Maqsood L., ein gebürtiger Afghane und ehemaliger Soldat im österreichischen Gardeheer. Eher kleinlaut und schüchtern habe der zweite Mann gewirkt – Kerim B.-A..

Der Sohn einer Österreicherin und eines Tunesiers war gerade einmal 16 Jahre alt, als er am 23.Mai 2009, nur wenige Tage nach dem Besuch im Reisebüro, zusammen mit seinem Freund Maqsood und einem weiteren gebürtigen Afghanen, Hayatullah B., in ein Flugzeug stieg und über das saudi-arabische Dschiddah nach Pakistan flog. Drei Freunde auf dem in den Dschihad.

In einem Abschiedsbrief an die Mutter schrieb Kerim B.-A., sie solle zum Islam konvertieren, um ihn im Paradies wieder zu sehen. Er werde wahrscheinlich nicht mehr nach Hause zurückkehren.

In seiner Heimatstadt Wien war Kerim B.-A. über die Jahre schleichend zum Islamisten geworden. Nach dem Schulabschluss begann er zunächst eine Lehre als Schornsteinfeger, die er ebenso wie eine anschließende Ausbildung zum Tischler nach nur wenigen Monaten abbrach. Kerim B.-A. veränderte sich nach Erkenntnissen der Ermittler ab 2007 deutlich in seiner Wesensart. Er ließ sich einen Bart wachsen und trug die für Salafisten typische Sunnah-Kleidung. Immer häufiger besuchte er die Moschee, übernachtete dort sogar hin und wieder. Die Mutter forderte B.-A. auf, nach muslimischen Vorschriften zu kochen und auf Alkohol zu verzichten. Seine Schwester heiratete nach islamischem Recht einen österreichischen Konvertiten, der aktuell als Terrorverdächtiger in Wien angeklagt ist.

Nach seiner Ausreise nach Pakistan zusammen mit dem Freund Maqsood L. (Hayatullah B. kehrte bald wieder nach Österreich zurück) schloss ich Kerim B.-A. zunächst der Gruppe Hizb i-Islami in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion an. Es folgte eine terroristische Ausbildung in den Trainingslagern der Dschihad-Kämpfer. Erst knapp ein Jahr nach seinem Verschwinden, im Juli 2010, kontaktierte Kerim B.-A. erstmals wieder seine Familie in Österreich.

Von einem Callshop in der Region Nord-Waziristan rief er die Eltern an und erklärte, er wolle nach Österreich zurückkehren, benötige für die Rückreise und die Bezahlung von Schleusern allerdings mehrere tausend Euro. Als die Geldzahlungen nicht erfolgten, kam es offenbar zum Streit zwischen Maqsood L. und B.-A.. Die beiden Wiener trennten sich.

Während sich Maqsood L. offenbar der Al-Qaida anschloss, wurde Kerim B.-A. nach Erkenntnis der österreichischen Ermittler ein Mitglied der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IBU). Im Auftrag der Terrorgruppe begann der Österreicher nun in seiner Heimat um Spendengelder zu werben. Er kontaktierte einen alten Bekannten, den Konvertiten Thomas al-J. in Wien. Al-J. überwies im Frühjahr und Sommer tatsächlich zwei Mal Geld an eine Kontaktperson in Pakistan. Die Spenden, so glauben die Ermittler, waren für Kerim B.-A. und die IBU bestimmt.

Als „Abu Bakr“ beteiligte sich Kerim B.-A. vermutlich auch an Gefechten mit der pakistanischen Armee. Gezielt habe ihn die IBU bei Kommandoaktionen gegen Militärkonvois und Versorgungstrupps eingesetzt worden, so mutmaßen Geheimdienstler und die Justiz.

Im November 2011 veröffentlichte die Terrorgruppe IBU ein fast schon lyrisches PDF-Dokument voller Dschihad-Poesie und Märtyrer-Romantik. Darin verherrlicht ein Islamist namens „Abdul Matin al-Almani“ den Märtyrertod eines IBU-Kämpfers. „Ich habe alles gelassen für diesen Moment. Ich verließ meine Heimat. Ich widersetzte mich den Plänen meiner Eltern“, heißt es in dem Dokument, „Die angsteinflößende Kugel hat getroffen und ich bin Gast bei Allah.“

Auf Seite 2 des Schreibens ein Foto. Es zeigt die Leiche eines bärtigen jungen Mannes, dessen Kopf von Blüten umrahmt ist. Die Augen des Toten sind geschlossen, auf seiner rechten Gesichtshälfte klafft eine grob zusammengenähte Narbe. Der Tote ist der 18-jährige Kerim B.-A. aus Wien.

Bereits einen Monat zuvor tauchte bei Youtube ein Video auf, das den Märtyrertod des Wieners, der offenbar im Spätsommer 2011 starb, feierte. B.-A. sei bei einer Operation zum Märtyrer geworden, bei der 35 pakistanischen Soldaten getötet wurden, hieß es darin.

„Ihr sollt die Mitglieder von Pro-NRW alle töten!“ – Neue Botschaft von Yassin Chouka

von Florian Flade

Die Botschaft kommt überraschend schnell und ungewöhnlich heftig: der deutsche Dschihadist Yassin Chouka alias „Abu Ibrahim“ hat sich zu Wort gemeldet. In einer neuen Audiobotschaft aus dem pakistanischen Waziristan ruft der Bonner Islamist zum Mord an Mitgliedern der islamfeindlichen Partei „Pro NRW“ und an Journalisten auf.

In der knapp 7-minütigen Videobotschaft der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IBU) preist Yassin Chouka zudem die gewalttätigen Salafisten-Proteste gegen die Karikaturen-Kampagne der rechtsextremen Partei „Pro NRW“. Die Partei habe mit ihrer provozierenden Aktion das Maß überschritten, so Chouka. Die Beleidigung des Propheten Mohammed dürfe nicht „tatenlos hingenommen werden“.

„Ihr sollt die Mitglieder von Pro-NRW alle töten!“, erklärt der deutsche Terrorist in der Videobotschaft, „Wir raten euch folgendes: Geht nicht mehr zu den Versammlungen der Pro-NRW, denn dies führt nur zu einem unkontrollierten Kampf und das Risiko ist zu groß dass ihr von der Polizei festgenommen werdet. Ihr braucht nicht hinzugehenl um zu schauen ob sie erneut die Karikaturen zeigen. Sie haben es bereits getan Die Münze ist dadurch bereits gefallen.“

Weiter erklärt der Islamist: „So raten wir euch: Lauert und sucht einzelne Personen der Pro NRW im Geheimdienstverfahren auf, sammelt genug Informationen über ihre Wohnorten, über ihre täglichen Routen, ihre Arbeitsplätze. Und dann nach guten und ausreichenden Recherchen und einem Strategischen plan: schlagt zu! Am besten im Schutz der Dunkelheit oder im Morgengrauen. Dabei ist zu bevorzugen dass ihr sie tötet, dass ihr euren Propheten rächt, indem ihr sie tötet. Und wenn dies nicht möglich ist, schlagt so lange auf sie ein, bis sie es aufs äußerste bereuen.“

Auch deutsche Medienvertreter müssten aufgrund der Berichterstattung über die Salafisten-Proteste getötet werden, so Yassin Chouka. „Die deutschen Medien haben an den Verbrechen wieder mitgewirkt. Unter dem Deckmantel der neutralen Berichterstattung haben sie wieder einmal die Karikaturen veröffentlicht. Auch dies dulden die Anhänger Mohammeds nicht!“

„Der SPIEGEL, der von den Juden gelenkt wird, und andere bekannte duetsche Medienabteilungen haben unseren Propheten dadurch beteiligt (…) Lauert ihren Mitarbeitern auf, tötet sie und verpasst ihnen eine Lehre, die sie niemals vergessen werden.“

Das Bundeskriminalamt (BKA) wollte sich am Samstag nicht zu der neuen Videobotschaft des deutschen Terroristen und zu dessen Mordaufrufen äußern.

Yassin Chouka war im Jahr 2007 gemeinsam mit seinem älteren Bruder Mounir aus Deutschland ausgereist und hat sich in Pakistan der Terrorgruppe „Islamische Bewegung Usbekistans“ (IBU) angeschlossen. Regelmäßig veröffentlicht das Bonner Brüderpaar Video- und Audiobotschaften aus dem pakistanischen Stammesgebiet Waziristan. Immer häufiger rufen sie darin auch zu Terroranschlägen in Deutschland auf.

Die Rückkehr eines Berliner Gotteskriegers

von Florian Flade

Der Berliner Thomas U. sitzt seit 21 Monaten in einem türkischen Gefängnis. Am Montag soll er nach Deutschland abgeschoben werden. Die Geschichte eines Deutschen, der auszog, ein Krieger Allahs zu werden.

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