von Florian Flade
Auf die deutsche Justiz kommen zahlreiche Verfahren gegen mutmaßliche Dschihadisten zu, die in Syrien und dem Irak gekämpft haben und nach Deutschland zurückgekehrt sind. Hier sollen einige Fälle näher beleuchtet werden. Den Auftakt macht der Frankfurter Kreshnik B..
Es gibt ein Foto von Kreshnik B., das zeigt einen dunkelblonden Jungen mit lockigem Haar, in einem blau-weißen Trikot des TuS Makkabi Frankfurt, Deutschlands größtem jüdischen Fußballverein. Auf der Brust prangt der Davidsstern. Der Deutsch-Kosovare trug die Rückennummer 14, war ein talentierter Abwehrspieler. Das Gruppenfoto seiner Mannschaft ist wenige Jahre alt.
Und dann gibt es dieses andere Bild von Kreshnik B., aufgenommen am Montag, im Saal II des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main. In Kapuzenpulli, mit T-Shirt und Vollbart sitzt Kreshnik B. auf der Anklagebank. Als mutmaßliches Mitglied der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS).
Kreshnik B., geboren in Bad Homburg als Sohn kosovarischer Einwanderer, soll ein islamistischer Fanatiker sein. Ein selbsternannter Gotteskrieger, der in Syrien gekämpft haben soll. So steht es in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft. Es ist der erste Fall eines Syrien-Rückkehrers, der in Deutschland verhandelt wird. Der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Prozessen, die noch folgen werden.
Vor über einem Jahr war Kreshnik B. aufgebrochen in den „Heiligen Krieg“. Am 2. Juli 2013 verließ er die elterliche Wohnung in Frankfurt, wo er mit Vater, Mutter und den beiden Schwestern lebte. Die Eltern meldeten ihn am Folgetag bei der Polizei vermisst.
Zusammen mit sechs Glaubensbrüdern stieg Kreshnik B. in Mannheim in einen Bus nach Istanbul. Zwei Tage dauerte die Reise in die türkische Metropole. Die Zwischenstopps nutzten B. und seine Mitreisenden für das gemeinsame Gebet, so berichteten die Busfahrer später den deutschen Ermittlern.
Von Istanbul aus reisten Kreshnik B. und die anderen schließlich in den Süden der Türkei. Über einen Schleuser schaffte es die Gruppe nach Syrien. Kreshnik B., der Berufsschüler aus Frankfurt, war mitten im Bürgerkrieg angekommen.
Das hessische Landeskriminalamt ermittelte, dass sich der junge Deutsch-Kosovare offenbar über Kontaktpersonen aus einer einschlägig bekannten Moschee in Frankfurt radikalisiert hatte. Mitschüler der Philipp-Holtzmann-Berufsfachschule gehörten nach Erkenntnissen der Ermittler zum Umfeld der Salafisten-Szene im Rhein-Main-Gebiet. Über sie kam Kreshnik B. wohl mit dem radikalen Islam in Berührung. Regelmäßig besuchte er fortan die Abu-Bakr-Moschee im Frankfurter Stadtteil Hausen. Auch an Koran-Verteilaktionen soll er sich beteiligt haben.
Doch die Missionierungsarbeit in Deutschland war Kreshnik B. augenscheinlich nicht genug. Er wollte nach Syrien. Kämpfen gegen das Assad-Regime. Und tatsächlich schaffte es der Frankfurter in die Reihen der berüchtigten Terrortruppe „Islamischer Staat“.
Als die Eltern Kreshnik B. vermisst meldeten, setzte sich der Apparat der deutschen Sicherheitsbehörden in Gang. Sie verfolgten die Spur des Ausgereisten. Mehrfach meldete sich B. in den Folgemonaten bei seiner älteren Schwester Aferdita. Das Bundeskriminalamt (BKA) hörte die Telefonate und Skype-Gespräche mit, protokollierte die Chats. So konnten die Ermittler rekonstruieren, was Kreshnik B. in Syrien erlebte.
Seine erste Station war offenbar die nord-syrische Metropole Aleppo. Dort soll sich B. Mitte Juli 2013 einer Gruppe angeschlossen haben, die er in Unterhaltungen mit seiner Schwester als „dawla muhajirin“ bezeichnete. Die Bundesanwaltschaft ist sich sicher, dass es sich dabei um eine Unterorganisation des „Islamischen Staates“ handelt, eine Aufnahmestelle für ausländische Dschihadisten.
„Mir ist eigentlich egal für welche Gruppe ich kämpfe“, schrieb Kreshnik B. seiner Schwester per Skype. Wichtig sei nur, dass er für die Scharia kämpfe.
Doch bevor er kämpfen durfte, musste Kreshnik B. eine Aufnahmeprüfung überstehen. Ihm und seinen Mitstreitern wurden die Pässe abgenommen. Dann folgte ein Verhör. Die Terrorgruppen fürchten sich vor Spitzeln und Spionen. Neuankömmlinge werden daher sorgsam aussortiert. Wer letzte Zweifel an seinen Absichten nicht ausräumen kann, dem droht Folterhaft oder die Hinrichtung.
Kreshnik B. wurde schließlich aufgenommen und leistete laut Staatsanwaltschaft den Treueeid auf den „Islamischen Staat“ (IS). Und nahm kurze Zeit später bereits an einer öffentlichen Propagandaveranstaltung der Organisation in Aleppo teil. Ein Video, veröffentlicht von der Medienabteilung des IS am 25.Juli 2013, zeigt B. vor einer IS-Flagge sitzend, neben ihm sind ein junger Dschihadist ein Kampflied.
Zudem, so behauptet die Bundesanwaltschaft, absolvierte der Deutsch-Kosovare ein vierwöchiges, paramilitärisches Training, bestehend aus einer Ausbildung an der Waffe, im Nahkampf und Erster Hilfe. Anschließend bekam er eine Schusswaffe, Kleidung gestellt und erhielt pro Monat umgerechnet 50 Euro Sold.
Vor allem Wachdienste soll Kreshnik B. für den IS geleistet haben. Aber auch an Kampfeinsätzen war der 20-jährige wohl beteiligt. Mitte September 2013 etwa nahe der Stadt Hama. Und Mitte November 2013. Zu diesem Zeitpunkt, so heißt es in der Anklageschrift, leistete B. zudem die „ba´yat“, den Treueschwur, auf den Führer des IS, Abu Bakr al-Baghdadi.
Kreshnik B. war nun ein Fußsoldat des „Islamischen Staates“, einer von Dutzenden Extremisten aus Deutschland, die in den Reihen der Terrorgruppe kämpfen. „Ich chille, gehe kämpfen, tu meinen Job für Allah“, schrieb er seiner Schwester. B. verherrlichte den Tod von Mitstreitern, berichtete aber auch von Schikanen durch die IS-Kommandeure und von Suizid-Missionen.
Mehrfach versuchte ihn die ältere Schwester zur Rückkehr nach Deutschland zu überreden. „Mit 25 wirst du das bereuen. Du bist jung, dumm und naiv“. Sie bot dem Bruder an, einen Anwalt zu besorgen. „Keiner von diesen Leuten liebt dich so wie deine Mama und dein Papa!“, schrie sie ihn am Telefon an. Er wolle den notleidenden Menschen in Syrienhelfen, entgegnete Kreshnik B., der Dschihad sei eine Pflicht für jeden Muslim. Sie solle den Koran lesen. Die Schwester führ ihn wütend an!“: „Halt’s Maul, ich lese mehr Koran als du! Du Blödmann!“
Anfang Dezember zog Kreshnik B. wohl das letzte Mal für den IS in den Krieg. Dann hatte er wohl genug vom Dschihad. Er reiste zurück in die Türkei und traf dort mit seiner Schwester und seinem Cousin zusammen. Gemeinsam flogen die drei am 12. Dezember 2013 zurück nach Deutschland. Am Frankfurter Flughafen klickten die Handschellen.
Neun Monate später muss sich Kreshnik B. nun für sein Syrien-Abenteuer vor Gericht verantworten. Sein Mandant habe dem radikalen Islam abgeschworen, erklärte sein Verteidiger, der Bonner Anwalt Mutlu Günal, am Montag. Das Gericht unterbreitete zugleich ein Angebot. Sollte sich B. umfassend einlassen und die Vorwürfe gestehen, würde ihm eine Jugendstrafe von maximal vier Jahre und drei Monate Gefängnis drohen.
„Wir wollen Ihnen nicht mit aller Gewalt Ihre Zukunft verbauen“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel. Man wolle dem 20-jährigen noch eine Chance geben. Eine Chance, die einer der Glaubensbrüder mit denen Kreshnik B. nach Syrien gereist war, nicht mehr hat. Er kam nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) ums Leben.