von Florian Flade
Der Dschihadist Fared S. (rechts), Ehemann von Karolina R.
Die Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta ist eine besondere Einrichtung. Nur sieben Gefängnisse bundesweit gibt es, in denen inhaftierte Mütter mit ihren Kindern einsitzen. Eine von ihnen ist die 25-jährige Karolina R. aus Bonn. Die Deutsch-Polin sitzt seit März 2014 in Untersuchungshaft und bewohnt seitdem mit ihrem zweijährigen Sohn Luqmaan das Mutter-Kind-Haus der JVA Vechta.
Luqmaans Vater lebt nicht mehr in Deutschland. Er ist in den „Heiligen Krieg“ nach Syrien gezogen. Und kämpft dort als „Abu Luqmaan al-Almani“ auf Seiten der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). In Propagndavideos schwärmt der Islamist vom Kampf gegen die Ungläubigen, erklärt er träume davon mal jemanden zu enthaupten und „mit einem stumpfen Messer zu schlachten“.
Luqmaans Mutter Karolina R. steht seit gestern vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Sie soll ihren Ehemann und damit auch die Terrorgruppe IS mit Geld- und Sachspenden unterstützt haben. Es geht um mehrere tausend Euro und Kameras. Mitangeklagt sind Ahmed-Sadiq M.und Jennifer Vincenza M., zwei Bekannte der mutmaßlichen Terrorhelferin.
Gehüllt in einen dunkelgrauen Schleier betrat Karolina R. am Mittwoch den Gerichtssaal in Düsseldorf. Als sie im Kindesalter mit ihren Eltern aus Polen nach Deutschland kam, war R. noch Katholikin. Erst vor vier Jahren, kurz vor dem Abitur an einer Bonner Berufsschule, konvertierte sie zum Islam. Und praktizierte ihren Glauben immer radikaler, wie ehemalige Lehrer berichten. Irgendwann soll die junge Frau nur noch vollverschleiert zum Unterricht erschienen. Aus Karolina R. der Katholikin wurde eine überzeugte Salafistin.
Die Deutsch-Polin heiratete den Deutsch-Algerier Fared S. und zeugte mit ihm einen Sohn. S. gehörte damals dem mittlerweile verbotenen Salafisten-Netzwerk „Millatu Ibrahim“ an. Deutsche Sicherheitsbehörden stufen ihn als gefährlichen Extremisten ein.
Im Mai 2013 reisten Karolina R. gemeinsam mit ihrem Mann, dem gerade wenige Monate alten Sohn und ihrem ebenfalls zum Islam konvertierten Bruder Maximilian R. über die Türkei nach Syrien. Doch schon zwei Monate später kehrte Karolina R. mit ihrem Baby nach Deutschland zurück. Ihr Mann und ihr Bruder blieben und schlossen sich nach Erkenntnissen der Ermittler im September 2013 der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ an.
Zurück in Deutschland blieb die Islamistin keinesfalls untätig. Karolina R. hielt weiter per Skype und Chat Kontakt zu ihrem Ehemann. Das Bundeskriminalamt (BKA) überwachte die Telefone und Online-Kommunikation des Paares.
Fared S. bat seine Frau, ihm Kameras zu besorgen, die für Propagandavideos benötigt wurden. Anfang Oktober 2013 schickte R. ein Paket an einen Mittelsmann in der Türkei, der es schließlich S. aushändigte. Darin befand sich laut Staatsanwaltschaft Kameratechnik im Wert von rund 1.100 Euro. Am 18. Oktober 2013 reiste Karolina R. erneut über die Türkei nach Syrien. Im Gepäck hatte sie drei weitere Kameras und ingesamt 5.150 Euro in bar.
Während Karolina R. zu Hause in Bonn verweilte, kämpfte ihr Mann Fared S. auf Seiten des IS im Norden Syriens. Und geriet wohl Anfang 2014 mit mindestens fünf anderen Islamisten aus Deutschland in Gefangenschaft der syrischen Rebellengruppe „Freie Syrische Armee“ (FSA). Nur durch einen Gefangenenaustausch kam S. schließlich im Februar 2014 frei. Allerdings war der Extremist nun mittellos. Die „Feinde Allahs“, wie er schimpfte, hatten ihm alles abgenommen – Geld, Ausrüstung, Handys, Waffen. Er bat daraufhin seine Frau erneut um Hilfe.
Unter Gleichgesinnten – „Glaubensbrüdern und -schwestern“, wie es in der Anklage heißt – aber auch in der eigenen Familie, sammelte Karolina R. offenbar Spendengelder. Über den Finanzdienstleister Western Union ließ sie das Geld einer Kontaktperson im türkisch-syrischen Grenzgebiet zukommen, wo es ihr Ehemann Fared S. entgegen nahm.
Laut Anklageschrift soll R. am 4. Februar 2014 die Summe von 1. 000 Euro überwiesen haben, zwei Woche später übergab sie einer Freundin 1. 597, 30 Euro, die diese auf ihre Bitte hin transferierte. Der ebenfalls in Düsseldorf angeklagte Ahmed-Sadiq M. soll am 6. und am 19. Februar 2014 jeweils 1.000 Euro und 1.200 Euro in die Türkei überwiesen haben. Mit Hilfe von Karolina R..
Das Geld, da sind sich die Ermittler sicher, soll Fared S. verwendet haben, um Waffen und Munition gekauft haben, darunter Granaten. Deutsches Geld für den syrischen Dschihad.. Die Kämpfer des IS töten eben „alle, die getötet werden müssen (…) Sie ziehen es wenigstens durch“, schrieb Karolina R. in einem Online-Chat, den die Ermittler mitlasen.
Was das genau bedeutet, lässt sich an den Videos und Fotos ablesen, die Fared S. dutzendfach im Internet veröffentlicht hat. Über diverse sozialen Netzwerke, darunter auch Twitter, verbreitete der deutsche Dschihadist zahllose Aufnahmen direkt vom Schlachtfeld oder vom Alltag der IS-Terroristen. Er posiert auf Fotos grinsend neben enthaupteten Männern, deren Köpfe auf einen Zaun gespießt sind. „Ein bisschen abhängen hier in Raqqa“, schrieb S. unter ein Bild.
Ein Handyvideo, aufgenommen in der Region Homs, zeigt Fared S. neben einem Berg von Leichen. Die Aufnahme entstand wohl kurz nach einem Angriff des IS auf das Al-Shaar Gasfeld, bei dem mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Fared S. frohlockt angesichts der etlichen Toten: „Wir haben gekämpft. Und Allah hat uns den Sieg gewährt (…) Und wie ihr sehen könnt, haben wir diese Tiere geschlachtet.“
Die schrecklichen Bilder vom syrischen Schlachtfeld scheinen Karolina R. keineswegs abgeschreckt zu haben. Wie es aus Ermittlerkreisen heißt, soll die junge Mutter im Frühjahr 2014 geplant haben, erneut zu ihrem Mann nach Syrien zu reisen. Dieser soll ihr davon abgeraten haben. Die Situation sei zu gefährlich. Ob sie wenigstens erfahren würde, wenn er im Kampf falle, wollte R. von ihrem Ehemann wissen. „Mach dir keine Sorgen“, beruhigte sie Fared S., „Du wirst die Teile meines Körpers schon im Internet sehen.“
Im März 2014 bekamen die Ermittler mit, dass Karolina R. im Internet nach Flügen in die südtürkische Metropole Gaziantep suchte. Sie entschieden sich für den Zugriff. Polizisten stürmten am Morgen des 30. März 2014 die Wohnung der mutmaßlichen Terrorhelferin in Bonn und nahmen Karolina R. fest.
Schon kurze Zeit später starteten Islamisten im Internet eine Kampagne zur Unterstützung der Konvertitin. „Umm Luqmaan“, wie sie die 25-jährige Bonner nennen, brauche die Hilfe ihre Geschwister. Vor Gericht will Karolina R. schweigen. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft.
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Lesen Sie hier:
Dschihad-Rückkehrer Teil 1 – „Du Blödmann!“
Dschihad-Rückkehrer Teil 2 – Auf Shoppingtour
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