Zahlreiche Ausländer zieht es in die Ukraine, um gegen die russische Invasion zu kämpfen. Einige der Freiwilligen kommen aus Deutschland. Wie blickt die deutsche Justiz auf diese Kämpfer?
Von Florian Flade
Der ukrainische Präsident hat sie gerufen. Und sie sind gekommen. „Jeder Freund der Ukraine, der sich der Ukraine bei der Verteidigung des Landes anschließen möchte, kommen Sie bitte vorbei, wir geben Ihnen Waffen!“, erklärte Wolodymyr Selenskyj. „Dies wird der wichtigste Beweis für Ihre Unterstützung für unser Land sein.“
Kurz nach dem Einmarsch von Moskaus Truppen hatte das ukrainische Verteidigungsministerium eine eigene Fremdenlegion ins Leben gerufen, die „Internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine“. Sie ist den Kampfverbänden der Territorialverteidigung unterstellt und bildet die freiwilligen Kämpfer im Schnelldurchlauf militärisch aus.
Jeder, der sich der Fremdenlegion anschließen wolle, könne sich bei der ukrainischen Botschaft in seinem Heimatland melden, so der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter, „Gemeinsam haben wir Hitler besiegt, und wir werden auch Putin besiegen.“
Dem Aufruf sollen inzwischen tausende Freiwillige aus aller Welt, darunter zahlreiche ehemalige Soldaten, gefolgt sein. Sie reisten in den vergangenen Wochen in die Ukraine, um dort gegen die russischen Invasoren zu kämpfen. Unter ihnen sind teils kriegserfahrene Veteranen aus den USA, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden, Frankreich, und auch Deutschland.
Und damit kommt nun die Frage auf: Dürfen sich Deutsche überhaupt dem Kriegsgeschehen in der Ukraine beteiligen? Wie ist eigentlich die Rechtslage?
Kämpfen für die Ukraine
Im Bundesinnenministerium und im Bundesjustizministerium war man zeitnah um eine Klärung dieser Fragen bemüht. Schon Ende Februar wurde eine rechtliche Einschätzung erarbeitet. Aus diesem Vermerk geht hervor, dass es grundsätzlich für deutsche Staatsangehörige nicht verboten ist, sich den ukrainischen Streitkräften anzuschließen und gegen das russische Militär zu kämpfen. Es gibt hierzulande kein Gesetz, das eine solche Handlung unter Strafe stellt.
Was einerseits daran liegt, dass in Deutschland keine Anti-Söldner-Gesetze existieren. Und zwar entgegen einer Aufforderung der Vereinten Nationen, die mit der Resolution 35/48 („Internationale Konvention gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die Ausbildung von Söldnern“) vom Dezember 1989 die Mitgliedsstaaten dazu anhielt entsprechende Gesetze zu schaffen. Die Bundesregierung hat dieses Absichtserklärung damals zwar unterzeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert. Sie ist rechtlich daher nicht verbindlich.
Wenn sich ein deutscher Staatsbürger nun einer fremden Armee anschließt, dann darf er dies tun, und sich sogar an Kriegshandlungen beteiligen. Die Person muss als Teil der Streitkräfte erkennbar und in diese eingegliedert sein, dann genießt sie Kombattanten-Status und dann gilt für sie auch das sogenannte Kombattanten-Privileg und Schädigungsrecht. Der Kämpfer ist dann Angehöriger einer am Konflikt beteiligten Partei und darf unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen, und beispielsweise feindliche Kombattanten im Gefecht töten.
Ins Visier von Staatsanwaltschaften geraten können allerdings solche Kämpfer, die sich im Ausland Straftaten nach dem Völkerstrafrecht begehen oder sich daran beteiligen. Dazu gehören etwa Folter, Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Falls ein Deutscher im Ukraine-Krieg ein solche Verbrechen begeht, dann kann auch die deutsche Justiz gemäß Weltrechtsprinzip tätig werden und die Person strafrechtlich verfolgen.
Das Bundesjustizministerium hat mir auf Anfrage folgende Zusammenfassung mitgeteilt:
„In völkerrechtlicher Hinsicht fallen Personen, die in die ukrainischen Streitkräfte eintreten bzw. von diesen aufgenommen werden, um gegen die russischen Streitkräfte zu kämpfen, unter das humanitäre Völkerrecht und sind Kombattanten im bestehenden internationalen bewaffneten Konflikt. Als solche müssen sie als Soldatinnen/Soldaten erkennbar sein, ihre Waffen offen tragen und sich an das humanitäre Völkerrecht halten. Sie dürfen Schädigungshandlungen gegen gegnerische Streitkräfte vornehmen und machen sich hierdurch – soweit sie sich an das humanitäre Völkerrecht halten – nicht strafbar. Unbeschadet dessen können sich auch Kombattanten strafbar machen, wenn sie Taten nach dem Völkerstrafrecht (insbesondere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit) begehen.“
– Bundesjustizministerium
Kämpfen für Russland
Auch Deutsche, die sich den russischen Streitkräften anschließen, machen sich grundsätzlich nicht strafbar. Für sie gilt ebenfalls der Kombattanten-Status, falls die Bedingungen dafür erfüllt sind. Strafrechtlich verfolgt werden können jedoch auch hier die Verbrechen nach dem Völkerstrafrecht – wie sie nach Ansicht einiger Beobachter bereits vom russischen Militär in der Ukraine begangen wurden.
Terrorkämpfer im Donbas
Eine Besonderheit allerdings stellen nach Ansicht der deutschen Justiz Personen dar, die sich in den vergangenen Jahren den pro-russischen Kampfeinheiten in der Ost-Ukraine, in den im Jahr 2014 ausgerufenen, sogenannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk angeschlossen und an Kämpfen beteiligt haben. Der Generalbundesanwalt hat dazu in mehreren Fällen Ermittlungen aufgenommen, insbesondere zum „Donezk Freiwilligen Corp“, da die Behörde von strafbaren Handlungen ausgeht.
Die Staatsanwälte sind überzeugt, dass die pro-russischen Kämpfer über keinen Kombattanten-Status verfügen, da sie keiner regulären Armee eines Staates angehören. In Karlsruhe wollte man die Angehörigen der Milizen im Donbas daher wie terroristische Kämpfer verfolgen. Dafür ist eine Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium notwendig, wie sie beispielsweise für die ausländischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS), Al-Qaida, die Taliban, die PKK oder die nigerianische Boko Haram erteilt wurde.

Eine Verfolgungsermächtigung für die Mitgliedschaft in den Kampfgruppen der Volksrepublik Donezk wurde allerdings durch das Ministerium versagt. Erlaubt wurde hingegen eine strafrechtliche Verfolgung gemäß § 89a Absatz 4 Strafgesetzbuch, der die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat unter Strafe stellt. Der Paragraph wird von Ermittlern auch gerne „Türöffner-Paragraph“ genannt, da damit oft Durchsuchungsmaßnahmen gegen mutmaßliche Terroristen begründet werden. Oder auch „Terrorcamp-Paragraph“, da mit dem Gesetz die terroristische Ausbildung im Ausland – teilweise sogar schon die Absicht, dies zu tun – strafbar geworden ist.
In zwei Fällen wurden in Deutschland bereits Personen verurteilt, die sich den pro-russischen Kämpfern in der Ost-Ukraine angeschlossen hatten:
Im Februar 2019 verurteilte das Landgericht München I den Deutsch-Russen Sergej K. zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis. Er war nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft im August 2014 zunächst nach St. Petersburg gereist und hatte sich dort einer Miliz angeschlossen. Später dann soll er sich im Donbas auf Seiten der Separatisten an Kampfhandlungen beteiligt haben.
Im Juli 2019 dann wurde Alex D., ein 1975 im heutigen Kirgistan geborener Deutscher, vom Dortmunder Landgericht zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Die Staatsanwaltschaft konnte dem Angeklagten keine konkreten Beteiligungen an Kämpfen in der Ost-Ukraine nachweisen. Alex D. aber war geständig, sich von 2014 bis 2016 den Milizen der Volksrepublik Donezk angeschlossen zu haben. Er soll ein Mitglied der „Kalmius-Brigade“ gewesen sein.
Bei seiner Rückkehr nach Deutschland durchsuchte die Polizei am Flughafen sein Gepäck, Alex D. soll daraufhin ein ungültiges Passdokument, ausgestellt durch die sogenannte „Volksrepublik Donezk“, vorgezeigt haben.
Auch in anderen Staaten wurden Ukraine-Kämpfer (sowohl solche, die auf ukrainischer als auch solche auf russischer Seite) bereits verurteilt, so etwa in Tschechien, Lettland oder zuletzt in der Schweiz wegen Kriegsverbrechen.
Werben für fremden Wehrdienst
Die ukrainische Regierung ruft weltweit Freiwillige auf, sich an der Verteidigung des Landes gegen den russischen Angriffskrieg zu beteiligen. Über soziale Netzwerke werden Kontaktinformationen verbreitet, in Telegram-Gruppen finden sich Anleitungen, wie man sich auf die Reise vorbereiten soll und wo sich Kämpfer melden sollen.
In Deutschland ist das Söldnertum zwar nicht explizit verboten – das Werben für fremden Wehrdienst jedoch schon. „Wer zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehrdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“, so heißt es im § 109h Strafgesetzbuch.
Machen sich also die Mitglieder der ukrainischen Regierung nach deutschem Recht strafbar, wenn sie für die Fremdenlegion werben? Das Bundesjustizministerium sieht eine Strafbarkeit offenbar nicht in jedem Fall gegeben. Auf eine Nachfrage teilte man mir dazu mit:
„Der Straftatbestand des § 109h StGB kennt drei Tatbestandsvarianten: das „Anwerben“ eines Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung; das „Zuführen“ eines Deutschen zu „Werbern“ für einen Wehrdienst und das „Zuführen“ eines Deutschen zum Wehrdienst.
Die Tatbestandsvariante des „Anwerbens“ ist nach der Gesetzesbegründung zu unterscheiden „vom bloßen Werben“. Nach der Gesetzesbegründung setzt es das Zustandekommen eines Übereinkommens mit oder einer Erklärung durch den Angeworbenen voraus, die die Grundlage für die Einstellung in den Wehrdienst bildet (siehe Bundestagsdrucksache IV/650, S. 601). Wer lediglich dazu auffordert, sich einer Armee anzuschließen, erfüllt danach nicht die Tatbestandsvariante des „Anwerbens“ für einen fremden Wehrdienst.
Die Tatbestandsvarianten des „Zuführens“ zu Werbern oder zum Wehrdienst sind nach der Gesetzesbegründung erfüllt, „wenn jemand in den Einflußbereich eines Werbers oder einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung gebracht wird, so daß er dort angeworben oder ohne Anwerbung eingestellt werden kann“ (siehe Bundestagsdrucksache IV/650, S. 601) Auch diese Tatbestandsvarianten werden regelmäßig nicht erfüllt sein, wenn jemand nur pauschal dazu aufruft, einer Armee beizutreten.
Je nach Umständen des Falls mag eine Aufforderung, sich einer Armee anzuschließen, den strafbaren Versuch eines „Anwerbens“ bzw. „Zuführens“ im Sinne von § 109h StGB darstellen. Nach § 22 StGB liegt der Versuch einer Straftat allerdings erst dann vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt. Dass ein allgemeiner Aufruf, sich an Kampfhandlungen zu beteiligen oder sich einer Armee anzuschließen, bereits diese Schwelle des unmittelbaren Ansetzens zu einem „Anwerben“ bzw. „Zuführen“ überschreitet, lässt sich zumindest nicht pauschal bejahen.
Den vorstehenden Überlegungen vorgelagert ist die Frage, ob das deutsche Strafrecht auf eine bestimmte Tathandlung überhaupt anwendbar ist. Wird eine den Straftatbestand des § 109h StGB erfüllende Tat im Ausland begangen, so unterliegt sie regelmäßig nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts. Anderes gilt nach § 5 Nummer 5 Buchstabe b StGB dann, wenn der Täter (also der Anwerbende bzw. Zuführende) Deutscher ist und seine Lebensgrundlage in Deutschland hat. Wo eine Tat begangen ist, richtet sich nach § 9 StGB. Danach ist eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist oder nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte. Eine im Ausland von einem ausländischen Staatsangehörigen abgegebene Aufforderung an Deutsche, sich im Ausland an Kampfhandlungen zu beteiligen bzw. dazu zu verpflichten, unterliegt somit regelmäßig nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts.“
Verlust der Staatsbürgerschaft durch fremden Wehrdienst
Es gibt nur wenige Umstände, unter denen ein deutscher Staatsangehöriger seinen Pass verlieren kann – der Dienst in einer fremden Armee gehört dazu. Doch es gibt bestimmte Bedingungen: Zunächst muss die Person neben der deutschen noch mindestens eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. Zudem lohnt ein genauer Blick auf den Paragraph:
„Ein Deutscher, der 1. auf Grund freiwilliger Verpflichtung ohne eine Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung oder der von ihm bezeichneten Stelle in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt oder 2. sich an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland konkret beteiligt, verliert die deutsche Staatsangehörigkeit, es sei denn, er würde sonst staatenlos.“ – Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) – § 28.
Die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren kann ein Söldner demnach nur dann, wenn er sich der Armee eines Staates anschließt, dessen Staatsbürgerschaft er ebenfalls besitzt. Beispielsweise ein Deutsch-Russe, der ins russische Militär eintritt, oder ein Deutsch-Nigerianer, der sich nigerianischen Streitkräften anschließt. Außerdem nur dann, wenn es keine Zustimmung des deutschen Verteidigungsministeriums gibt. Die Regelung findet regelmäßig keine Anwendung, wenn es sich bei der fremden Armee um einen EU- oder NATO-Staat handelt.
Denkbar wäre demnach, dass freiwillige Kämpfer mit deutscher und russischer Staatsangehörigkeit den deutschen Pass verlieren könnten, wenn sie sich im Ukraine-Krieg dem russischen Militär anschließen.
Extremisten als Kämpfer
Unabhängig von der Strafbarkeit hat die Bundesregierung entschieden, Extremisten grundsätzlich die Reise in das derzeitige Kriegsgebiet Ukraine zu verwehren. Das bedeutet, diejenigen Personen, die den Verfassungsschutz- und Polizeibehörden als Extremisten bekannt sind, werden mit einer Ausreisesperre belegt und sollen an den Außengrenzen gestoppt werden.
Zu rund 30 Personen, vor allem aus der rechtsextremistischen Szene, liegen den Behörden Erkenntnisse vor, dass sie sich offenbar den Kampfhandlungen in der Ukraine beteiligen wollen. Die Daten zu den Extremisten wurden der Bundespolizei übermittelt. An der Reise gehindert werden sollen zudem Personen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie sich der russischen Seite anschließen wollen, egal ob sie als Extremisten gelten oder nicht.
In zwei Fällen wurden zuletzt Ausreisen verhindert: Ein radikaler Tierschützer, der mehrfach vorbestraft ist, wurde von der Bundespolizei gestoppt. Ebenso ein Deutsch-Russe, der offenbar ein Reservist der russischen Armee ist, und sich wohl auf russischer Seite am Konflikt beteiligen wollte. Beide Personen sollen militärische Ausrüstung im Reisegepäck gehabt haben.
Bislang soll es nur drei Rechtsextremisten trotz Ausreisesperre gelungen sein, in die Ukraine auszureisen. Ob sich diese Personen derzeit an Kampfhandlungen beteiligen, ist jedoch unklar. Rund ein Dutzend Personen aus Deutschland, die ausgereist waren, sollen inzwischen wieder zurück sein. In der rechten Szene herrsche größtenteils „Maulheldentum“, sagte Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang jüngst, viele Neonazis würden über Krieg und Kampf fantasieren, aber nur wenige würden letztendlich doch in das Konfliktgebiet reisen.
Mehrere deutsche Rechtsextremisten hatten sich in den vergangenen Jahren schon in der Ukraine militärisch ausbilden lassen und waren dem ultra-nationalistischen Azov-Regiment beigetreten, das 2014 nach der Annexion der Krim gegründet worden war.
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