Monatsarchiv: Juli 2022

Operation „Pamir“

In den 1980er Jahren ging der BND eine ungewöhnliche Geheimdienstkooperation mit China ein. Bei der Operation „Pamir“ ging es um geheime Abhöranlagen, Technologie und viel Geld.

Von Florian Flade

Die Gäste aus Deutschland hatten Geschenke mitgebracht. Hochwertige Armbanduhren von Junghans, Schweizer Taschenmesser, Kugelschreiber, und zehn Mini-Kameras des Herstellers Minox. Kleine Apparate, wie sie bei Spionen beliebt waren. Und um Spionage ging es auch bei dem Besuch der deutschen Delegation in China. Damals, im Juli 1985.

Eine kleine Gruppe von Geheimdienstlern und Politikern aus der Bundesrepublik reiste seinerzeit nach Peking. Mit dabei waren der damalige Vize-Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), ein Unterabteilungsleiter sowie ein paar ausgewählte Bundestagsabgeordnete. Untergebracht wurden sie im Gästehaus der chinesischen Regierung, es gab üppige Abendessen und eine Bootsfahrt. Es war eine geheime Reise, über die Stillschweigen vereinbart wurde. Nur wenige waren eingeweiht.

Der Grund für die dreitägige Reise ins Reich der Mitte war ein streng geheimes, gemeinsames Projekt des BND und des chinesischen Militärgeheimdienstes – die Operation „Pamir“. Rund 30 Jahre später ist über diese geheimdienstliche Kooperation noch immer so gut wie nichts bekannt. Der Sachverhalt unterliegt weiterhin der Geheimhaltung, die Akten werden nicht offiziell freigegeben. Der BND und die Bundesregierung hüllen sich nach wie vor in Schweigen.

„Zur Sicherung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des BND (Staatswohl), namentlich aus Gründen des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes, ist dem BND eine Auskunft (…) derzeit leider nicht möglich“, teilte eine Sprecherin des Dienstes auf meine Anfrage im Dezember 2021 mit.

Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Allianz zweier Staaten, die im Kalten Krieg begann – und diesen wohl überdauerte. Eine brisante Operation, bei der es militärische Geheimnisse ging, um Technologie aus Deutschland und um viel Geld.

Was hat es mit der Operation „Pamir“ auf sich? Und warum wird auch nach Jahrzehnten noch ein solches Geheimnis darum gemacht?

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Belgiens Deal mit den Mullahs

Die belgische Regierung will ein Abkommen mit dem Iran schließen, wonach künftig Häftlinge ausgetauscht werden können. Mit dem umstrittenen Deal will Brüssel einen Staatsbürger aus der Gefangenschaft der Mullahs retten. Allerdings würde dadurch wohl auch ein verurteilter Terrorist freikommen.

Von Florian Flade

Der iranische Agent Assadollah A. im Kölner Zoo, aufgenommen von einer Überwachungskamera, Sommer 2018

Belgiens Justizminister kann in dem Vorhaben keinen Skandal erkennen. „Es ist unsere moralische Pflicht, unschuldige Landsleute, die im Ausland festgehalten werden, zu befreien“, sagte Vincent Van Quickenborne in der vergangenen Woche im belgischen Parlament in Brüssel. „Andere Staaten tauschen auch Häftlinge mit dem Iran aus. Der Unterschied ist, dass die das heimlich machen. Wir wollen es vertraglich regeln (…) Ich sage das nicht einfach so. Hier geht es um Menschenleben!“

Die belgische Regierung hat den Abgeordneten kürzlich einen Vorschlag für ein geplantes Abkommen vorgelegt, das einige Brisanz birgt und für großen Unmut sorgt. Vor allem unter iranischen Oppositionellen. Es geht um eine Gesetzesänderung, die den Austausch von Häftlingen zwischen Belgien und Iran möglich machen soll. In der Vorlage für das Parlament, die bereits im März erarbeitet wurde, heißt es, es gehe um die „Überstellung verurteilter Personen“. Demnach sollen in Belgien verurteilte Straftäter künftig einen Teil ihrer Haftstrafe künftig in iranischen Gefängnissen absitzen können.

Die Kritiker sehen in dem Abkommen nichts geringeres als den Versuch einer Erpressung durch die Mullahs in Teheran. Iran versuche auf diese Weise in Europa verurteilte Terroristen freizubekommen, so der Vorwurf. Der geplante Deal gleiche einer Erpressung. Und tatsächlich scheint die aktuelle Initiative der belgischen Regierung einen ganz konkreten Anlass zu haben.

Erst vor kurzem wurde bekannt, dass im Februar ein Belgier in Iran wegen Spionagevorwürfen festgenommen wurde. Es handelt sich um Olivier Vandecasteele, einen 41 Jahre alten Entwicklungshelfer, der für die Organisation Norwegian Refugee Council (NRC) tätig war. Vandecasteele hatte zuvor in Afghanistan und auch fünf Jahre lang im Iran gelebt und gearbeitet. Er soll im Februar nach Teheran gereist sein, um seine dortige Wohnung aufzulösen.

Der Belgier wurde offenbar von Irans Revolutionsgarden festgenommen, die ihn der Spionage verdächtigen. Er kam in das berüchtigte Teheraner Gefängnis Evin, wo er zwei Mal konsularischen Besuch vom belgischen Botschafter bekommen hat. Zuletzt soll sich der Gesundheitszustand von Vandecasteele verschlechtert haben.

Die belgische Regierung bemüht sich nun seit Wochen um eine Freilassung des Entwicklungshelfers. Als eine mögliche Option gilt ein Gefangenenaustausch, denn in Belgien sitzt eine Person im Gefängnis, an deren Freilassung Teheran offensichtlich großes Interesse hat.

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Auf der Spur der Oligarchen-Gelder

In Europa suchen Ermittler nach dem Geld aus Putins Machtapparat. Auch in Deutschland ist eine Task Force auf der Suche nach dem Vermögen der Oligarchen. Sie stoßen auf Yachten, Immobilien und Aktien. Vor allem aber auf undurchsichtige Firmengeflechte und zahlreiche Schlupflöcher.

Von Florian Flade

Oft fühle man sich an Matrjoschkas erinnert, an die ineinander verschachtelten russischen Holzpuppen. So beschreiben es Finanzermittler, die nun seit Monaten in Deutschland nach Geld aus Putins Reich suchen. Es ist eine bildliche Beschreibung für undurchsichtige Firmengeflechte mit ständig wechselnden Geschäftsführern und Besitzverhältnissen, aus Strohleuten, Briefkastenfirmen, Offshore-Unternehmen. Ein wildes Dickicht, von steinreichen Kreml-Loyalisten über viele Jahre und sogar Jahrzehnte aufgebaut, um den wahren Reichtum zu verschleiern – und nicht von Behörden entdeckt zu werden.

Mittlerweile hat die Europäische Union sechs Sanktionspakete gegen Russland beschlossen, die ersten bereits nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim vor acht Jahren. Die umfangreichsten Sanktionen aber erfolgten in diesem Frühjahr. Als Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

1,158 Personen und 98 staatliche Stellen, Banken und privatwirtschaftliche Unternehmen sind nun in der EU sanktioniert. Den gelisteten Personen ist die Reise in die Union untersagt, ebenso sind Geschäfte mit ihnen verboten. Die Sanktionen sollen insbesondere die mächtige Clique der Oligarchen treffen, jene oft milliardenschwere Geschäftsleute, die nicht selten langjährige Weggefährten des russischen Präsidenten sind.

Die ziemlich naive Hoffnung dabei ist, dass die Sanktionen den Druck auf diese Menschen erhöhen, dass sie ihren Reichtum und Reisefreiheit bedroht sehen, und deshalb womöglich ihrerseits den Druck auf Putin erhöhen – und damit den Krieg gegen die Ukraine beeinflussen. Nichts spricht aktuell dafür, dass dies tatsächlich geschieht. Die russischen Geldeliten verhalten sich bislang größtenteils loyal zum Kreml. Nur einige wenige haben sich ins Ausland abgesetzt und kritisieren Putin mittlerweile offen.

In Europa versucht man indes, das Vermögen von Putin und seinen Getreuen aufzuspüren. Die EU-Kommission hat im März dazu die Task Force „Freeze and Seize“ ins Leben gerufen, daneben gibt es zudem eine internationale Arbeitsgruppe, der die EU, die G7-Staaten und Australien angehören, die Task Force „Russian Elites, Proxies, and Oligarchs (REPO)“. Rund 13,8 Milliarden Euro konnten in der EU aufgrund der Russland-Sanktionen inzwischen eingefroren werden. Hinzu kommen zahlreiche Finanztransaktionen, die blockiert wurden.

Die Umsetzung der Maßnahmen aber gestaltet sich schwierig, da innerhalb der EU unterschiedliche Regelungen und Zuständigkeiten gelten, etwa dafür die Sicherstellung von Vermögen. Nicht alle Behörden, die nun mit der Suche nach dem Oligarchen-Geld befasst sind, haben Erfahrung mit derartig komplexen Ermittlungen. Zudem fehlt es mancherorts an entsprechenden Befugnissen, um effektiv Vermögen aufspüren und festsetzen zu können.

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