Der BND-Präsident besucht Australien. Die Reise wirft ein Schlaglicht auf die Herausforderungen der Zukunft, mögliche Konflikte mit China – und auf Australiens Geheimdienste. Welche Dienste gibt es dort überhaupt und welche Rolle spielen sie? Ein Überblick.
Von Florian Flade

Der BND-Chef war vergangene Woche auf Reisen. Rund 16.000 Kilometer von Berlin entfernt. Bruno Kahl flog mit einer kleinen Delegation des deutschen Auslandsdienstes und seinem neuen Dienstflugzeug zunächst nach Thailand. Nach einem kurzen Zwischenstopp ging es dann weiter nach Canberra, Australien.
Mehrere Tage verbrachte Kahl in Down Under. Es war ein schon länger geplanter Trip. Mit der Entsendung von deutschen Eurofighter-Kampfjets und rund 250 Bundeswehrsoldaten nach Australien für die Militärübungen „Pitch Black“ und „Kakadu“ soll die Reise nichts zu tun haben. Es ging vielmehr um Kontaktpflege mit den australischen Nachrichtendiensten. Der Australien-Aufenthalt des deutschen Spionagechefs, der Anfang der 1990er Jahre ein juristisches Referendariat in Sydney verbracht hat, dürfte dabei durchaus mit aktuellen Bedrohungen und gemeinsamen Interessen zu tun haben.
Australien erlebt einen wachsenden Einfluss Chinas in seiner unmittelbaren Nachbarschaft im Indo-Pazifik. Peking schließt diverse Abkommen mit den Inselstaaten nördlich von Australien, teilweise soll es sogar um die potentielle militärische Nutzung von Häfen und Flughäfen in der Region gehen. Gleichzeitig stellen die australischen Sicherheitsbehörden zunehmende Spionageaktivitäten Chinas im Land fest, darunter Cyberangriffe und Versuche der Einflussnahme auf australische Parteien, Organisationen und Politiker.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und China werden perspektivisch in den kommenden Jahren wohl noch an Bedeutung gewinnen – und so steigt auch das Konfliktpotenzial. Deutsche Sicherheitsbehörden wollen sich daher entsprechend aufstellen und sind dabei, die bestehenden Allianzen mit Blick auf China zu stärken. Und die deutschen Geheimdienstler wollen von den Erfahrungen derjenigen Dienste profitieren, die bereits viel Erfahrung mit Pekings Spionen gesammelt haben.
Es lohnt sich daher ein Blick auf Australien und seine Nachrichtendienste, die allesamt Beziehungen zu deutschen Sicherheitsbehörden unterhalten. In den vergangenen Jahrzehnten und Jahren waren diese Partnerschaften eher weniger von Bedeutung, dies könnte sich nun allerdings ändern.
Der Auslandsnachrichtendienst – Australian Secret Intelligence Service (ASIS)
Es war gegen 21 Uhr, am 30. November 1983, als die Gäste im Sheraton Hotel in Melbourne plötzlich aufgeschreckt wurden. Durch die 10. Etage des Hotels liefen maskierte und offenbar bewaffnete Männer, rammten eine Zimmertür auf und stürmten hinein. Die sichtlich verängstigten Hotelgäste vermuteten einen Raubüberfall und alarmierten sofort den Empfang im Erdgeschoss.
Der Hotelmanager, Nick Rice, wollte der Sache selbst auf den Grund gehen und fuhr umgehend nach oben. Dort stand er den martialisch wirkenden Gestalten direkt gegenüber. Einer der Männer packte ihn und schubste ihn zurück in den Fahrstuhl. Wieder in der Lobby wartete Rice mit seinen Kollegen auf die mutmaßlichen Räuber.
Er habe mit vielleicht zwei maskierten Typen gerechnet, sagte Rice später, dann aber sei der Fahrstuhl aufgegangen und fünf Bewaffnete mit Maschinengewehren seien heraus gestürmt. Sie hätten wild mit den Waffen herumgefuchtelt und seien dann durch einen Hintereingang des Hotels verschwunden. Die alarmierte Polizei stoppte kurz darauf den Fluchtwagen und nahm die Verdächtigen fest. Die wiederum verweigerten jede Aussage zu ihrer Identität.
Was sich an jenem Abend im Sheraton Hotel abgespielte, war kein bewaffneter Überfall auf einen Hotelgast. Es handelte sich um eine Übung, bei der eine Geiselbefreiung nachgestellt worden war. Die ganze Aktion unterlag strengster Geheimhaltung, das Hotelmanagement und auch die Polizei von Melbourne war im Vorfeld nicht eingeweiht worden. Eigentlich sollte das Ganze auch eher still und leise vor sich gehen, aber dann lief die Übung aus dem Ruder, es entstand einiger Sachschaden. Und die Geheimhaltung war dahin.
Das tollpatschige Befreiungskommando, das in den Folgetagen die Titelseiten der australischen Zeitungen beschäftigte, bestand aus Rekruten einer Behörde, deren Existenz bis dato ein gut gehütetes Geheimnis gewesen war. Die meisten Australier, selbst Regierungsmitglieder und Parlamentsabgeordnete, hatten noch nie etwa gehört vom Australian Secret Intelligence Service (ASIS) – dem australischen Auslandsgeheimdienst.
ASIS wurde im Mai 1952 gegründet, auf Anordnung des damaligen australischen Premiers Robert Menzies. In einem Brief an seinen britischen Amtskollegen Clement Attlee schrieb er, man werde einen Geheimdienst gründen, der „in Südostasien und im pazifischen Raum“ operieren werde. Dies sei eine „dringende Angelegenheit“. Es solle ein Auslandsgeheimdienst sein, der mit menschlichen Quellen (HUMINT) arbeitet, nach dem Vorbild des britischen MI6. Das Wissen um diesen neuen Auslandsgeheimdienst sei auf einige wenige Personen beschränkt. Erster Leiter von ASIS wurde Alfred Deakin Brookes, ein erfahrener Militär, der im Zweiten Weltkrieg bereits im militärischen Nachrichtenwesen tätig war.
In den ersten Jahren nach seiner Gründung gehörten weniger als 100 Mitarbeiter dem neuen Auslandsgeheimdienst an. Nur einzelne, ausgewählte Staatsbedienstete und Politiker waren darüber informiert, dass es ASIS überhaupt gab. Das australische Parlament erfuhr nichts, und selbst innerhalb der Regierung gab es kaum Eingeweihte. Nicht einmal der für die Marine zuständige Staatssekretär im australischen Verteidigungsministerium erfuhr von ASIS, obwohl der Dienst zunächst in einer Liegenschaft der Marine untergebracht war.
Zwei Jahrzehnte herrschte weitgehend Verschwiegenheit darüber, dass Australien über Spione verfügte, die im Ausland spitzelten und Quellen anwarben. Der Dienst war damals in nur wenigen Ländern aktiv, seine primäre Aufgabe war es, sich auf einen Konflikt mit Sowjetunion vorzubereiten und herauszufinden, wie sich ein drohender Krieg wohl im territorialen Umfeld von Australien auswirken würde.
Einen ersten Hinweis auf die Existenz eines australischen Auslandsdienstes gab es 1972 Jahren. Premierminister William McMahon plauderte es damals in einem Interview aus, nannte allerdings noch den internen Codenamen für den Dienst: „MO9“. Australische Medien war durch einen Erlass der Regierung untersagt worden, über ASIS und dessen Operationen zu berichten.
Und Anfang der 1980er Jahre folgte schließlich das Debakel im Sheraton Hotel, das eine interne Untersuchung und medialen Wirbel auslöste, und schließlich zum Rücktritt des damaligen ASIS-Direktors führte. Rund 300.000 Australische Dollar wurden an das Hotel als Entschädigung gezahlt. Zudem wurde den australischen Spionen fortan verboten Waffen zu führen. Eine Regelung, die erst 2004 wieder aufgehoben wurde.
Bis ASIS erstmals absichtlich und bewusst in der Öffentlichkeit in Erscheinung trat, dauerte es rund 60 Jahre. Den ersten öffentlichen Auftritt eines ASIS-Direktors gab es im Juli 2012, bei einer Veranstaltung des Thinktanks Lowy Institute in Canberra. „Ich bin nicht der Spion, der aus der Kälte kam“, begann der damals leicht kränkelnde Nick Warner seinen Vortrag, „Ich bin der Spion, der mit einer Erkältung zu Ihnen kommt.“
Australiens Auslandsdienst agiere zwar im Geheimen, so sagte der ASIS-Leiter bei seinem Auftritt vor zehn Jahren. Viel dürfe über die Arbeit der Spione nicht bekannt werden, aber er versichere, dass der Dienst einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit des Landes leiste. ASIS würde wertvolle Informationen für die Regierung beschaffen und damit die außen- und sicherheitspolitischen Interessen Australiens maßgeblich schützen.
ASIS hat seinen Hauptsitz heute in der australischen Hauptstadt Canberra, und verfügt über mehrere Außenstelle und Residenturen in den Botschaften rund um den Globus. Zu mehr als 170 Diensten in 70 Ländern unterhält der Dienst mittlerweile Beziehungen. ASIS ist dem australischen Außen- und Handelsministerium unterstellt, die Ministerin kann den Spionen gemäß Gesetzeslage direkte Aufträge erteilen.
Die genaue Zahl der ASIS-Mitarbeitenden ist geheim, vor einigen Jahren soll die Frauenquote im Dienst allerdings bereits 45 Prozent betragen haben. Der Jahresetat der Behörde beläuft sich auf rund 600 Millionen Australische Dollar. Mittlerweile verfügt ASIS über eine eigene Webseite und wirbt mit Youtube-Videos um Personal.
Die Aufklärungsarbeit des Dienstes hat sich im Laufe der Jahre gewandelt, vom Kampf gegen den Kommunismus hin zum Anti-Terror-Kampf, der Aufklärung von Cyberangriffen und Schleusernetzwerken, zur Informationsbeschaffung über Nordkoreas Atomwaffenprogramm, zu entführten Australiern im Ausland und Chinas Weltmachtambitionen.
Zu Zeiten des Kalten Krieges war ASIS hauptsächlich in Operationen eingebunden, bei denen es darum ging, kommunistische Bewegungen und Regierungen auszuspionieren oder deren Gegnerschaft zu unterstützen. So war ASIS, damals noch „MO9“ genannt, ab Juli 1971 beispielsweise in Chile aktiv. Und zwar auf Bitten des US-Geheimdienstes CIA.
Aus der australischen Botschaft in Santiago de Chile heraus spitzelten die Spione in dem südamerikanischen Land, das vom dem Sozialisten Salvador Allende Gosens regiert wurde. Regelmäßig schickten die Australier ihre Erkenntnisse an die CIA, die aus Sicherheitsgründen in Chile nur sehr eingeschränkt tätig sein konnte.
Mit der Wahl des Labor-Premiers Gough Whitlam in Australien wurde diese gemeinsame CIA-ASIS-Operation schließlich beendet. Der sozialdemokratische Politiker wurde über die Spionageaktion in Chile unterrichtet und ordnete kurz darauf an, die Operation einzustellen. Zwei Jahre nachdem Canberras Spione begonnen hatten für die amerikanischen Partner zu spitzeln, wurde die ASIS-Residentur geschlossen. Im September 1973 dann wurde die Allende-Regierung in einem von der CIA unterstützen Putsch gestürzt.
Um Australiens Einflusszonen im indopazifischen Raum zu stärken, soll ASIS nach dem Ende des Kalten Krieges in mehreren Staaten der Region aktiv geworden sein. Etwa in Papua-Neuguinea, in Indonesien oder auf den Philippinen. Im Jahr 2012 wurde bekannt, dass australische Spione im Jahr 2004 die Büros der Regierung von Ost-Timor verwanzt haben sollen, um Informationen zu beschaffen, die bei einem Streit über Zugänge zu Öl- und Gasfeldern rund um den kleinen Inselstaat hilfreich sein könnten.
Der Fall landete sogar vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der Australiens Regierung aufforderte, die Spionage gegen Ost-Timor zu unterlassen. Nachdem Canberra sich zu neuen Verhandlungen bereit erklärte, wurde schließlich 2018 ein neues Abkommen zwischen beiden Staaten unterzeichnet, in dem die Förderung der Bodenschätze in der Timor-See neu geregelt wurden.
Bekannt geworden war der Abhörskandal durch einen Whistleblower, einen ehemaligen ASIS-Spion. Der Ex-Geheimdienstler und sein Anwalt Bernard Collaery, der zudem als Rechtsberater für die Regierung in Ost-Timor tätig war, gerieten daraufhin in den Fokus der australischen Behörden. Im Dezember 2013 wurden die Wohnungen von der Bundespolizei und Agenten des Inlandsgeheimdienstes durchsucht und zahlreiche Unterlagen und Datenträger beschlägt. Der Vorwurf lautete Geheimnisverrat.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA waren auch die australischen Sicherheitsbehörden plötzlich mittendrin im Kampf gegen den internationalen islamistischen Terrorismus. Insbesondere als der Terror der Dschihadisten plötzlich auch australische Staatsbürger traf.
Im Oktober 2002 sprengte sich ein Selbstmordattentäter vor einem Nachtclub auf der indonesischen Insel Bali in die Luft. 202 Menschen starben, darunter auch 88 Australier. Daraufhin wurden Australiens Spione beauftragt, die Drahtzieher des Anschlags ausfindig zu machen und die Terrornetzwerke in der Region aufzudecken und mithilfe der lokalen Behörden zu zerschlagen.
Der australische Dienst nahm zudem in den vergangenen Jahren jene Dschihadisten ins Visier, die in Terrorcamps in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion, in den Jemen, Irak und später auch Syrien gereist waren.
Durch die Stationierung von Soldaten in Afghanistan im Zuge des Nato-Einsatzes gehören es außerdem zur Aufgabe von ASIS, die Gefahren für die Truppe zu bewerten und Anschläge zu verhindern. Die ASIS-Spione waren bis zuletzt in Afghanistan präsent, als im vergangenen Jahr die internationalen Truppen schlagartig das Land verlassen und es zu chaotischen Lage am Flughafen in Kabul kam, waren australische Geheimdienstler vor Ort, halfen dabei australische Staatsbürger sowie Ortskräfte zu evakuieren, darunter auch Afghanen, die jahrelang als Quellen von ASIS tätig gewesen waren.
Ein weiterer Schwerpunktbereich der Spionagearbeit von ASIS ist die Aufklärung von Schleusernetzwerken und Menschenhändlern. Australien ist ein beliebtes Zielland für Einwanderer und Asylbewerber, insbesondere aus dem südasiatischen Raum. Die Regierungen in Canberra prägten in den vergangenen Jahren eine sehr strikte und harte Linie in Fragen der Einwanderungspolitik. Und so soll auch ASIS mehrfach in Ländern wie Pakistan, Sri Lanka, Bangladesch oder Indonesien operativ tätig geworden sein. Unter anderem soll ASIS dabei Menschenhändlern hohe Geldsumme dafür bezahlt haben, damit diese Einwanderer mit Booten nicht nach Australien, sondern wieder zurück brachten.
Das Hauptaugenmerk von ASIS aber gilt inzwischen einem Land, dessen Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik zunehmend zur Herausforderung für Australien werden: China. Der Einfluss Pekings in der geografischen Nachbarschaft zu Australien wurde in den vergangenen Jahren zunehmend deutlich. China tritt aggressiver und dominanter denn je in der Region auf. ASIS ist daher damit beauftragt worden, die Aktivitäten und Absichten der Chinesen frühzeitig aufzuklären.
Dazu gehören beispielsweise die Sicherheitsabkommen und diversen Verträge, die Peking mittlerweile mit Staaten aus dem pazifischen Raum schließt. So wurde die australische Regierung im Frühjahr dieses Jahres durch ein Abkommen zwischen China und den Solomon Islands aufgeschreckt, das unter anderem den chinesischen Militär erlaubt, Kriegsschiffe in dem Inselstaat zu stationieren. Gleichzeitig gibt es Bestrebungen Chinas, Häfen zu erwerben und ein Telekommunikationsnetz auf den Solomon Islands aufzubauen.
Der aktuelle Leiter von ASIS, Paul Symon, machte in den vergangenen Monaten deutlich, dass China zu den Prioritäten seiner Behörde zählt – und dass es dem australischen Dienst dabei durchaus gelingt wichtige Quellen zu gewinnen. In autoritären Systemen herrsche oft Unzufriedenheit, so Symon, das wiederum könne ASIS ausnutzen. Denn viele Menschen in solchen Staaten würden Gleichschaltung, Unterdrückung von Meinungs- und Pressefreiheit, und mangelnder Diversität in der Gesellschaft ablehnen. Dadurch würden sich neue Möglichkeiten der Spionage ergeben, unzufriedene Staatsbedienstete könnten so zu Informanten werden.
Der Abhördienst – Australian Signals Directorate (ASD)
In Australien nennt man die Gegend um Alice Springs das „rote Zentrum“. Es ist das Herz des Kontinents, die Landschaft hier ist geprägt von Wüste und Buschland, die Erde ist rot. Früher war Alice Springs eine Goldgräberstadt, bekannt für Bergbau, heute leben hier rund 27.000 Einwohner. Die Stadt zieht vor allem Touristen an, die Reisen durch das Outback unternehmen.
Ungefähr 18 Kilometer südwestlich von Alice Springs befindet sich eine ungewöhnliche Anlage, eingebettet in ein Gebirge. Mehrere große und kleine weiße Kugeln ragen hier aus dem roten Wüstenboden hervor, Radarkuppeln, auch Radome genannt. Es ist ein Sperrgebiet, geschützt durch hohe Zäune, Kameras und vor allem durch seine Abgeschiedenheit.
Die Anlage heißt Pine Gap. Es handelt sich um eine australisch-amerikanische Bodenstation, über die Spionagesatelliten gesteuert und weltweit Kommunikation überwacht wird. Mehr als 700 Menschen arbeiten hier unter strengster Geheimhaltung. Sie gehören dem australischen Abhördienst, dem Australian Signals Directorate (ASD), und der US-amerikanischen National Security Agency (NSA) an.
Das Australian Signals Directorate (ASD) entstand 1947, anfangs hieß der Dienst noch Defence Signals Bureau, später Defence Signals Branch, dann Defence Signals Division und seit 2013 firmiert er unter seinem heutigen Namen. Er ist Australiens Signal-Intelligence-(SIGINT)-Dienst, zuständig für die technische Aufklärung von internationaler Kommunikation, die Entschlüsselung von kryptierten Daten und die Entwicklung von Kryptotechnologien, die von den australischen Sicherheitsbehörden genutzt werden.
Schon während des Zweiten Weltkrieges spielten die Funkspezialisten des australischen Militärs eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der japanischen Streitkräfte. So sollen es Australier gewesen sein, die das Flugzeug des japanischen Admirals Yamamoto Isoroku im April 1943 durch abgefangene Funksprüche orten konnten. Der US-Luftwaffe gelang es schließlich die Maschine in der Operation „Vengeance“ über den Solomon Islands abzuschießen. Isoroku kam dabei ums Leben.
Im Jahr 1948 trat Australien dem sogenannten UKUSA Agreement bei, einem Abkommen zwischen den USA und Großbritannien, das eine Zusammenarbeit im nachrichtendienstlichen Bereich regelt und zur Grundlage für die „Five Eyes“-Allianz wurde, der Geheimdienstallianz, der heute die USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland angehören.
Das Abkommen war in seiner frühen Phase in erster Linie eine Vereinbarung zur gemeinsamen technischen Aufklärung, der sogenannten Signal Intelligence (SIGINT). Bis 1973 wusste die australische Bevölkerung nichts von dem Abkommen, selbst der Premierminister hatte bis dahin keine Kenntnis davon. Als schließlich der damalige Premier Gough Whitlam von dem Geheimdienstvertrag erfuhr, führte dies zu einem innenpolitischen Skandal. Die Leiter des australischen Auslands- und des Inlandsdienstes wurden gefeuert.
Whitlam wurde damals zudem über ein weiteres geheimes Abkommen unterrichtet, das 1966 zwischen den USA und Australien geschlossen worden war. Darin vereinbart wurde die Einrichtung von gemeinsamen Bodenstationen in Australien: Ein Frühwarnsystem für sowjetischen Raketenaktivitäten in einer Anlage in Nurrungar, Südaustralien (die 1999 geschlossen wurde). Und der Joint Defence Facility Pine Gap, nahe Alice Springs, die bis heute existiert.
Drei Jahre später, 1970, wurde der erste US-amerikanische Spiongasatellit ins Weltall geschossen, der aus der Anlage Pine Gape, die den internen Codenamen „RAINFALL“ erhielt, gesteuert wurde.
Die Einrichtung einer solchen Satellitenstation mitten in der australischen Wüste hatte mehrere Gründ: Den USA war es aufgrund der geografischen Lage nicht möglich die Sowjetunion umfassend mit Satelliten zu überwachen, deren Daten durch Bodenstationen in den USA empfangen werden konnten. Jener Teil des Globus, der die Sowjetunion und weite Teile Asiens umfasst, konnte allerdings durch eine entsprechende Anlage in Australien abgedeckt werden.
Zudem war die abgeschiedene Lage von Pine Gap von Vorteil. Die Daten der Satelliten werden zurück auf die Erde gestrahlt und können in einer ländlichen Gegend leichter zielgerichtet empfangen werden. Außerdem kann die Anlage in der Wüste einfacher vor ungebetenen Gäste und vor Ausspähung durch fremde Spione geschützt werden, da neugierige Personen in der menschenleeren Gegend schneller ausfindig gemacht werden können.
Der SIGINT-Dienst ASD, der seit Februar 2020 von Rachel Noble geleitet wird, betreibt mehrere Anlagen in Australien, mit denen internationale Kommunikation überwacht werden kann. Neben Pine Gap gehört dazu auch die Shoal Bay Receiving Station unweit von Darwin im äußerten Norden Australiens. Australiens technische Aufklärungsanlagen sind zudem Teil des weltweiten Spionagesystems mit dem Codenamen „ECHELON“, das von den Five-Eye-Staaten betrieben wird und insbesondere durch die Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edwards Snowden bekannt wurde. Darüber hinaus gehört zum ASD auch die australische Cybersicherheitsbehörde, das Australian Cyber Security Centre (ASCS).
Pine Gap allerdings stellt aufgrund der engen Kooperation zwischen NSA und ASD eine Besonderheit dar. Viele Amerikaner sind über Jahre in der australischen Wüste stationiert, leben mit Familien in und um Alice Springs. Dort ist eine nachrichtendienstliche Community entstanden, die nach Aussage ehemaliger Mitarbeiter von einer engen Partnerschaft und Vertrauen untereinander geprägt ist. Manche bezeichnen Pine Gap daher auch als das entscheidende Element und Australiens wichtigsten Beitrag zur Eye-Allianz. Immer kam es deshalb auch zu Protesten von Australiern gegen die geheime Abhöranlage im Outback.
In der Vergangenheit war Pine Gap vor allem in Kriegs- und Konfliktsituationen von Bedeutung. Im ersten Irakkrieg Anfang der 1990er Jahre sollen die USA die Kommunikation des irakischen Militärs von Pine Gap aus überwacht haben. Ebenso kam die Station im Jugoslawienkrieg zum Einsatz. Etwa als im Juni 1995 der US-Kampfpilot Scott O´Grady mit seiner F-16-Maschine über Bosnien von einer serbischen Luftabwehrrakete abgeschossen wurde. O´Grady konnte sich mit einem Schleudersitz retten und landete mit seinem Fallschirm schließlich in einem Waldgebiet.
Um seinen Standort mitzuteilen nutzte der US-Amerikaner ein sogenanntes „Emergency Signal“, das verschlüsselt per Funk übermittelt wurde, allerdings nur für einen sehr kurzen Zeitraum, um zu verhindern, dass es von der gegnerischen Seite aufgegriffen werden kann. Nach vier Tagen, in denen sich der abgeschossene Pilot in bosnischen Wäldern versteckte, konnte das Signal schließlich von den Funkaufklärern in Pine Gap ausfindig gemacht und Scott O´Grady geortet werden. Ein US-Militärkommando rettete den Piloten anschließend aus dem feindlichen Territorium.
Mittlerweile soll Pine Gap hauptsächlich bei der technischen Überwachung von Kommunikation im asiatischen Raum, in Nordkorea oder China, zum Einsatz kommen. Und auch gegen islamistische Terroristen im Süden der Philippinen, sowie bei der Lokalisierung von westlichen Geiseln, die in der Region verschleppt werden.
Der Inlandsnachrichtendienst – Australian Security Intelligence Organisation (ASIO)
Die Karriere von Mike Burgess in Australiens Welt der Geheimdienste begann mit einer Zeitungsanzeige. Brugess kam im Alter von sieben Jahren nach Australien, geboren wurde er in Großbritannien. Er studierte Elektro-Ingenieurwesen und war dann auf der Suche nach einem Job. Anfang der 1990er Jahre, so erzählte er einmal, bewarb er sich auf eine Stelle, die in einer Zeitungsannonce beworben worden war. Darin stand, es würden Leute mit Kenntnissen in Elektronik für einen interessante Aufgabe gesucht. Mehr nicht. Burgess wählte die angegebene Telefonnummer, die Person am anderen Ende nannte weder ihren Namen, noch den einer Firma oder Behörde, sondern sagte nur: „Hallo“.
Trotz der mysteriösen Kontaktaufnahme bewarb sich Burgess schließlich. Es ging um einen Posten beim militärischen Nachrichtenwesen, bei Australiens SIGINT-Dienst, der damals noch Defence Signals Directorate (DSD) hieß. Achtzehn Jahre arbeitete der gebürtige Brite bei den Funkexperten und Kryptologen, dann wechselte er in die Privatwirtschaft. Und kehrte schließlich im Dezember 2017 zurück, nun als Direktor des Abhördienstes und damit auch als der australische Leiter der Station Pine Gap.
Nur zwei Jahre später bekam Mike Burgess eine neue Funktion innerhalb der australischen Sicherheitcommunity. Vom damaligen Premierminister Scott Morrison und dessen Innenminister wurde der Technik-Experte im August 2019 zum neuen Leiter des Inlandsnachrichtendienstes berufen, der Australian Security Intelligence Organisation (ASIO), dem wohl bekanntesten Dienst des Landes.
ASIO ist vergleichbar mit dem deutschen Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) oder dem britischen MI5. Der Dienst ist dafür zuständig inländische Gefahren und Bedrohungen für Australiens nationale Sicherheit zu erkennen und zu bekämpfen. Dazu zählt der Terrorismus durch Islamisten oder Rechtsextremisten, die Spionageabwehr und Aufklärung von ausländischen Einflussnahmeversuchen. Vor allem die Aktivitäten Chinas beschäftigen ASIO aktuell, denn die Volksrepublik versucht durch Investitionen und Imagekampagnen, aber auch durch verdeckte Methoden wie Einflussagenten, ihre Position in Australien auszubauen.
Die Geschichte von ASIO beginnt Ende der 1940er Jahre. Noch während des Zweiten Weltkrieges hatte das US-Militär ein geheimes Projekt gestartet, um die Kommunikationskanäle des sowjetischen Geheimdienstes zu entschlüsseln und überwachen zu können. Amerikas Codeknacker vermuteten, dass Moskau über verschlüsselte Funksignale an seine Botschaften rund um den Globus Aufträge für die Agenten des KGB und des Militärgeheimdienstes GRU übermittelt. Das Projekt bekam den Namen „Venona“.
Den US-amerikanischen und britischen Geheimdiensten gelang es dabei zahlreiche solcher Kabel-Berichte weltweit abzufangen und auch zu dekryptieren. Auf diese Weise konnten mehrere Spione Moskaus in Nordamerika und Europa enttarnt werden. Eine Spur im Zuge des Venona-Projekts führte jedoch nach Australien, zur sowjetischen Botschaft in Canberra.
Britische Geheimdienstler reisten daraufhin nach Australien und unterrichteten in kleinem Kreis die Regierung über den Verdacht eines sowjetischen Spionagerings. Die Warnung ging auch mit einer Drohung einher: Da geheime Unterlagen offenbar durch australische Quellen in den Besitz des KGB in gelangt waren, wurde der Informationsfluss aus den USA und Großbritannien an australische Sicherheitsbehörden und das Militär gestoppt. Man wollte verhindern, dass in Canberra sensible Informationen abflossen. Gleichzeitig forderten die Verbündeten die australische Regierung auf, einen Geheimdienst zu gründen, um sich gegen die sowjetische Spionage wehren zu können.
In Australien existierte damals zwar der Investigation Branch des Generalstaatsanwalts, eine Art geheime Ermittlungseinheit (deren Ursprünge noch vor dem Ersten Weltkrieg zu finden sind), aber kein klassischer Inlandsnachrichtendienst wie der britische MI5 oder das amerikanische FBI.
Der Druck durch die Verbündeten in den USA und Großbritannien war hoch und so schuf der damalige australische Premierminister Ben Chifley zunächst den Posten des Sicherheitsdirektors und gründete dann einen neuen Geheimdienst, die Australian Security Intelligence Organization, kurz ASIO. Mit Hilfe der britischen Spione und auch amerikanischer Unterstützung entstand Down Under ein Nachrichtendienst, der bis heute für inländische Bedrohungen der nationalen Sicherheit Australiens zuständig ist.
Hauptaufgabe des neuen Dienstes sollte die Spionageabwehr sein. Dazu nahmen ASIO jedoch nicht nur die sowjetischen Diplomaten in Canberra ins Visier, sondern auch die Communist Party of Australia (CPA) und weitere pro-sowjetische und linke Organisationen und Personen. Die australischen Spione warben Quellen an und schleusten Agenten („Sparrows“ genannt) ein, sie bekamen zudem die Erlaubnis Telefonate abzuhören und heimliche Postkontrollen durchzuführen.
Anfang der 1950er Jahre war das ASIO-Personal primär damit beschäftigt den sowjetischen Spionagering in Australien aufzudecken. Und dabei gelang dem noch jungen Dienst ein außergewöhnlicher Erfolg. Als im Februar 1951 ein neuer Dritter Sekretär der Botschaft der Sowjetunion seinen Dienst antrat, beschloss ASIO den Mann, Vladimir Mikhaylovich Petrov, als Quelle anzuwerben Der Diplomat galt als Resident, als Vertreter des KGB. ASIO hoffte durch ihn mehr Informationen über die Spionageaktivitäten Moskaus zu erfahren.
Über einen Mittelsmann nahmen die ASIO-Agenten Kontakt zu Petrov auf und es gelang ihnen tatsächlich ihn zum Überlaufen zu überreden. Zuvor war Petrov bereits beim sowjetischen Botschafter in Australien in Ungnade gefallen, er fürchtete bald seinen Heimweg antreten zu müssen und möglicherweise in einem sowjetischen Strafgefangenenlager zu landen oder gar exekutiert zu werden.
Am 03. April 1954 lief Vladimir Petrov schließlich über. Er wurde in ein Versteck gebracht, das ASIO zuvor eingerichtet hatte. Petrovs Ehefrau allerdings kam dadurch schnell in eine sehr gefährliche Lage. Sie wurde von dem Sicherheitsdienst der sowjetischen Botschaft zum Flughafen eskortiert und sollte schnellstmöglich in die Sowjetunion gebracht werden, da man fürchtete, auch sie könnte die Seiten wechseln.
Begleitet von Agenten des KGB saß Petrovs Frau bereits im Flugzeug, das in Sydney abgehoben war, als ASIO über Funk mit der Crew der Maschine Kontakt aufnahm. Eine Flugbegleiterin wurde aufgefordert, sie solle die Russin an Bord fragen, ob sie damit einverstanden sei, in die Sowjetunion gebracht zu werden. Die Gattin des Diplomaten aber zögerte und lieferte keine eindeutige Antwort. Der australische Premier aber entschied, dass die Frau des Überläufers keinesfalls das Land verlassen solle.
Als das Flugzeug zum Tanken in Darwin in Nord-Australien landete, wurde es von der Polizei gestoppt. Die Begründung: Die beiden KGB-Männer aus der sowjetischen Botschaften seien mit Waffen an Bord der Maschine gegangen, was nach australischem Recht verboten war.
Nach einem kurzen Telefonat mit ihrem Ehemann beantragte Petrovs Frau schließlich politisches Asyl in Australien. Auch sie wurde zur Überläuferin. Vladimir Petrov lieferte ASIO daraufhin wertvolle Interna aus dem KGB. Und die „Petrov Affäre“, die bei ASIO intern als „Operation Cabin 12“ („Cabin Candidates“ wurden Überläufer genannt) vermerkt wurde, sorgte dafür, dass der australische Dienst innerhalb kurzer Zeit im Ansehen der amerikanischen und britischen Partner stieg.
Trotz einiger Rückschläge (ein bis heute nicht enttarnter „Maulwurf“ des KGB soll 15 Jahre interne Informationen aus ASIO an Moskau verraten haben) – galt Australien in den Folgejahren grundsätzlich als verlässlicher Partner bei der Spionageabwehr und wurde als vollwertiges Mitglied in die Five-Eye-Allianz aufgenommen.
Über Jahrzehnte war ASIO vor allem mit der Suche nach Spitzeln aus der Sowjetunion und den Staaten des Warschauer Pakts befasst, und mit der Bespitzelung von kommunistischen Sympathisanten in Australien. Dabei gerieten auch unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ins Visier des Dienstes, darunter auch Intellektuelle und Hochschulprofessoren.
Nach dem Ende der Blockkonfrontation rückte zunehmend die Terrorismusbekämpfung in den Fokus von ASIO sowie die Spionage-Umtriebe asiatischer Staaten. Die Konfliktherde Syrien und Irak zogen ab 2013 auch Islamisten aus Australien an. Die Dschihadisten reisten in die Region, schlossen sich dort den Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat (IS) oder der al-Qaida-nahen Jabhat al-Nusra an. Manche kamen bei Kämpfen oder Selbstmordattentaten ums Leben, andere wiederum kehrten zurück oder wurden in der Region gefangen genommen und befinden sich noch in kurdischen Lagern.
ASIO war vielfach damit beschäftigt die Reisebewegungen dieser Extremisten aufzuklären und auch mögliche Terroranschläge in Australien zu verhindern, wie etwa die 2017 verhinderten Attentate zweier Brüder aus Sydney auf Passagierflugzeuge mit Bomben, die in Fleischwölfen und anderen Geräten versteckt werden sollten.
Mehreren Terrorkämpfern, die nach Syrien und in den Irak gereist sind, sollen australische Behörden bereits die Staatsbürgerschaft entzogen haben. Im Juli wurde zudem bekannt, dass der australische Jugendlicher Yusuf Zahab, der von seinen Eltern zur Terrormiliz IS verschleppt worden war, in einem kurdischen Gefangenenlager verstorben ist. Er wurde 18 Jahre alt.
Neben der Bekämpfung der islamistischen Terrorismus ist es vor allem die Abwehr ausländischer Spionage- und Einflussoperationen, die ASIO inzwischen beschäftigt. Und dabei liegt der Fokus ganz eindeutig auf China. Pekings Spione agieren in Australien auf unterschiedliche Weise. Zum einen interessieren sich die chinesischen Dienste für die chinesische Exil-Community, es soll zu Ausspähaktionen und Bedrohung bekannter Dissidenten gekommen sein.
Andererseits aber geht es China offenbar um die Bespitzelung und Beeinflussung der australischen Politik. Dabei soll es bereits zu Versuchen der verdeckten Einflussnahme gekommen sein, beispielsweise durch die Unterstützung bestimmter, pro-chinesischer Kandidaten. Im Februar erst verkündete ASIO-Chef Mike Burgess, dass man einen solche Operation während der vergangenen Parlamentswahl habe verhindern können. Dabei war ASIO unter anderem Geldflüssen an bestimmte Politiker gefolgt und hatte deren Kontakte nach China überprüft.
Burgess warnte allerdings davor die nationale Sicherheit zu sehr zu „politisieren“ und in die Wahlkämpfe hinein zu tragen. Die gegenseitigen Anschuldigungen der großen Parteien, die jeweils andere Seite nehme China nicht ernst genug oder fahre einen zu sanften Kurs gegen Pekings Ambitionen in Australien, sei nicht hilfreich. So würde nur fatalerweise der Eindruck entstehen, es gebe bei grundsätzlichen Aspekten der nationalen Sicherheit große Differenzen und Meinungsunterschiede.
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