Moskaus Maulwürfe im BND

Ein BND-Mitarbeiter wurde festgenommen. Er soll Staatsgeheimnisse an einen russischen Nachrichtendienst verraten haben. Der Fall droht zu einem Fiasko für den Dienst zu werden. Es wäre jedoch nicht der erste Maulwurf Moskaus im BND. 

Von Florian Flade

Was einen Menschen dazu bringt, Verrat zu begehen, dafür gibt es wohl nicht die eine Erklärung. Die Gründe sind individuell. Bei den US-Geheimdiensten hat sich das englisches Akronym „MICE“ als Erklärungsmodell etabliert, eine Abkürzung für: Money, Ideology, Coercion, Ego. Was davon es im Fall von Carsten L. gewesen sein könnte, ist noch nicht bekannt. In der vergangenen Woche jedenfalls wurde der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Berlin festgenommen, seine Wohnung und Büros beim BND wurden durchsucht.

Carsten L. soll ein Verräter sein. Der Generalbundesanwalt wirft dem BND-Mann Landesverrat vor. Er soll in diesem Jahr geheime Informationen des BND an einen russischen Nachrichtendienst verraten haben. Bei dem Inhalt handele es sich „um ein Staatsgeheimnis im Sinne des § 93 StGB“, teilten die Karlsruher Ankläger mit. Der Ermittlungsrichter hat bereits die Untersuchungshaft angeordnet.

Ein russischer Maulwurf im BND? Der Fall sorgt bereits seit Wochen für Unruhe im deutschen Auslandsnachrichtendienst, die Sorge ist groß, dass Moskau durch den mutmaßlichen Spitzel an zahlreiche geheime Unterlagen gekommen sein könnte. Und zwar  nicht nur an BND-Papiere, sondern auch an nachrichtendienstliche Erkenntnisse von Partnerdiensten, etwa aus den USA und Großbritannien. Denn Carsten L., der zuletzt in der Abteilung Technische Aufklärung (TA) des BND tätig war, soll auch dazu Zugang gehabt haben.

Vom BND heißt es, man habe durch „nachrichtendienstliche Arbeit“ von dem „möglichen Verratsfall in den eigenen Reihen Kenntnis erlangt“, daraufhin eigene, interne Ermittlungen eingeleitet und den Generalbundesanwalt umgehend informiert „als diese den Verdacht erhärteten“. Nun ermittelt das BKA, und der BND ist darum bemüht, sich einen Überblick über den potenziellen Schaden zu verschaffen, den der mutmaßliche Maulwurf angerichtet haben könnten.

Für den BND ist der mutmaßliche russische Spitzel ein „worst case“, immerhin stellt die Aufklärung Russlands und des Krieges gegen die Ukraine derzeit die absolute Priorität für den Dienst dar. Jedes Leck, etwa über Abhöraktionen oder andere Operationen, kann dabei ungeahnte Folgen haben, beispielsweise die Enttarnung von Quellen.

Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen kommt es beim BND immer wieder mal. Oft sind sie aber weit weniger schwerwiegend als so manche Meldungen vermuten lassen. Etwa wenn Mitarbeitende versehentlich die elektronischen Zugangskarten für ihre Büros in der Mittagspause aus dem Gebäude in Berlin-Mitte mit nach draußen nehmen – was grundsätzlich nicht gestattet ist.

Echte Innentäter aber, Verräter in den eigenen Reihen, sind äußert selten. Oder zumindest sind sie in den vergangenen Jahren sehr selten bekannt geworden.

Markus R. war der bisher letzte Fall eines BND-Mitarbeiters, der nachweislich für einen fremden Geheimdienst gespitzelt hatte. Der Maulwurf, der in Pullach bei München stationiert war, hatte mehrere geheime Dokumente an die CIA verraten und dafür mindestens 95.000 Euro bekommen haben. Dazu zählten auch Listen mit den Namen von BND-Mitarbeitern. R. war im Juni 2014 festgenommen worden, im März 2016 verurteilte ihn das Oberlandesgericht München wegen Landesverrates und der Verletzung von Dienstgeheimnissen zu acht Jahren Freiheitsstrafe.

Mitarbeiter gegnerische Dienste als Quellen anzuwerben, gilt unter Spionen immer noch als die Königsdisziplin. Lange Zeit war die Gegenspionage, wie das Eindringen in die fremdem Geheimdienste bezeichnet wird, ein Kerngeschäft auch des BND. Auch wenn erfolgreiche Anwerbungen von KGB- oder GRU-Offizieren vergleichsweise seltene Erfolge waren.

In den frühen 2000er Jahren, kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, aber wurde die Gegenspionage im BND so weit heruntergefahren, dass man durchaus von einer Abschaffung sprechen kann. Die Aufklärungsarbeit des BND sollte sich auch nach Wunsch des Bundeskanzleramtes künftig auf den islamistischen Terrorismus konzentrieren. Erst 2017 wurde die Gegenspionage wieder aufgebaut. Moskaus Dienste hingegen hatten nie damit aufgehört.

Mehr zur Einstellung der Gegenspionage beim BND gibt es hier: Als der BND die Gegenspionage einstellte

Einen russischen Spitzel im BND aber gab es schon sehr lange nicht mehr, abgesehen von einigen Verdachtsfällen in den vergangenen Jahren, die jedoch aufgrund unzureichender Belege nicht angeklagt werden konnten. Die meisten Moskauer Maulwürfe flogen zu Zeiten des Kalten Krieges oder kurz danach auf. Sie waren vom KGB oder der HVA, dem Auslandsnachrichtendienst der DDR, als Quellen geführt worden.

Für Moskau waren insbesondere die DDR-Spione sehr ergiebige Zuträger, sie teilten die im Westen beschafften Informationen mit den „Freunden“ vom KGB, manchmal übernahmen die Sowjets sogar besonders wertvolle Quellen.

Nachfolgend einige der bekanntesten Fälle von Maulwürfen im BND:

Heinz Felfe

Ein erster großer Erfolg gelang den sowjetischen Spionen bereits kurz nach der Gründung des deutschen Auslandsnachrichtendienstes, der damals noch Organisation Gehlen hieß. So warb das KGB im 1950 den ehemaligen SS-Offizier Hans Clemens an. Der Arbeitslose bekam den Decknamen „Hanni“ und heuerte schließlich wie zahlreiche ehemalige NS-Militärs bei der Organisation Gehlen an. Jahrelang lieferte „Hanni“ den Sowjets daraufhin Informationen aus dem Innenleben des noch jungen deutschen Geheimdienstes, der ab 1956 zum BND wurde.

Clemens war es auch, der dem BND einen ehemaligen SS-Kameraden empfahl: Johannes Paul Heinz Felfe. In den 1940er Jahren war Felfe für das Sicherheitsdienst des Reichsführers SS tätig, sollte ein Netz von Agenten und Spitzel in der Schweiz aufbauen. Zum Kriegsende hin ergab er sich kanadischen Truppen, kam in den Niederlanden in Kriegsgefangenschaft und wurde zeitweise vom britischen Nachrichtendienst als Informant geführt.

Felfe soll aus einer finanziellen Notlage heraus den Bekannten Clemens darum gebeten haben, ihn mit sowjetischen Geheimdienstlern in Kontakt zu bringen. Damals war er bereits für die Organisation Gehlen tätig. Das KGB warb Felfe schließlich an, im September 1950 unterzeichnete er in der Zentrale des Sowjet-Dienstes in Berlin-Karlshorst seine Verpflichtungserklärung. Sein Tarnname beim KGB lautete „Kurt“. Moskau hatte nun einen weiteren Maulwurf in der deutschen Spionage platziert.

Beim BND war Felfe ausgerechnet für die Gegenspionage gegen die Sowjetunion zuständig. Er nahm unter anderem an der Operation „Index“ teil, bei der es um die Überwachung der neuen sowjetischen Botschaft in Bonn ging. In Pullach behauptete Felfe zudem, er habe Quellen innerhalb des sowjetischen Militärs angeworben und beschaffte zahlreiche Dokumente. Die Papiere waren allerdings vom KGB eigens für Felfe gefälscht worden, sie sollten ihm bei seiner Karriere im BND helfen.

Seinen Moskauer Auftraggebern hingegen lieferte der Spitzel echte BND-Berichte, mal übermittelte er Informationen per Funk, oder auch über tote Briefkästen. Manche Mikrofilme versteckte er in Gläsern mit Babynahrung. Bei den Russen habe er, so Felfe später „wie eine Eins dastehen“ wollen.

Aufgeflogen ist Heinz Felfe vor allem durch den Hinweis eines CIA-Informanten aus Polen. Bei einer Reise in die USA, die 1956 vom US-Geheimdienst organisiert worden war, seien zwei KGB-Spitzel dabei gewesen, meldete der polnische Doppelagent. Und auch beim BND war man bereits misstrauisch geworden, auch aufgrund des Materials, das Felfe angeblich aus Moskau beschafft hatte.

Der BND startete die Operation „Mexiko, um die KGB-Maulwürfe in den eigenen Reihen zu enttarnen. Ab März 1961 wurden die Telefonanschlüsse von Felfe überwacht, dabei geriet auch Felfes Freund Hans Clemens ins Visier des Dienstes. Über Funk hatte dieser Aufträge des KGB für Felfe entgegen genommen und weitergeben, unter anderem per Brief, der durch die Postkontrolle abgefangen worden war.

Die Beweislage war ausreichend, so dass der Generalbundesanwalt nun ein Ermittlungsverfahren gegen den BND-Mann einleitete. Am 06. November 1961 wurde Heinz Felfe um 12 Uhr zu einem Gespräch mit der BND-Leitung um Reinhard Gehlen nach Pullach gebeten. Ihm wurde sogar noch eine Medaille für seine Verdienste überreicht, dann betraten Beamte der Münchner Polizei das Büro und nahmen Felfe fest. Er soll noch versucht haben, einen Mikrofilm, den er bei sich trug, herunterzuschlucken, was ihm allerdings misslang.

Neben Felfe flogen auch die beiden anderen KGB-Spitzel im BND auf, sein Freund Hans Clemens und Uwe Triebel, der als Kurier für den KGB öfter BND-Unterlagen nach Karlshorst transportiert hatte. Im Juli 1963 begann vor dem Strafsenat des Bundesgerichtshofes der Prozess gegen das Trio. Heinz Felfe wurde zwei Wochen später  wegen Landesverrates in Tateinheit mit verräterischen Beziehungen, wegen Geheimnisbruch in besonders schwerem Fall und Verwahrungsbruch in gewinnsüchtiger Absicht mit schwerer Bestechlichkeit zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt.

Als Häftling Nr. 7709 kam der Verräter in die Justizvollzugsanstalt in Straubing, wurde dann jedoch bereits im Februar 1969 im Zuge eines Agentenaustauschs mit der Sowjetunion freigelassen. Sein ehemaliger Agentenführer empfing Felfe mit einem Blumenstrauß. Es folgte ein vergleichsweise Leben in der DDR, bei dem der Ex-BND-Mann zahlreichen Artikel veröffentlichte und schließlich auch seine Memoiren („Im Dienst des Gegners“) verfasste. Im Mai 2008 verstarb Heinz Felfe in Berlin-Weißensee. Bei seiner Beisetzungen sollen mehrere ehemalige Geheimdienstler aus der DDR und Beamte aus der russischen Botschaft anwesend gewesen sein.

Der Schaden, den Felfe in den Jahren seiner Agententätigkeit angerichtet hatte, war enorm. Es waren Spione, V-Leute und Adressen aufgeflogen. In seiner Wohnung fanden die Ermittler 300 Mikrofilme mit mehr als 15.600 Fotos und 20 Tonbändern. Mehr als 90 BND-Informanten sollen durch Felfe aufgeflogen sein, ebenso sollen rund 100 CIA-Mitarbeiter verbrannt worden sein. Der KGB-Direktor Juri Wladimirowitsch Andropow soll Felfe neben dem Briten Kim Philby als einen der wichtigsten Agenten in der Frühphase des Kalten Krieges bezeichnet haben.

Alfred Spuhler

Kaum war Heinz Felfe verurteilt worden, begann Alfred Spuhler seine Karriere beim BND. Der gelernte Kfz-Mechaniker und ehemalige Fernspäher der Bundeswehr arbeitete ab 1968 zunächst in der Abteilung II des Dienstes, der Technischen Aufklärung, anschließend in der Abteilung I, Operative Aufklärung. Beim BND lautete sein Arbeitsname „Pergau“.

Schon wenige Jahre nach Dienstbeginn, so erklärte es Spuhler später, habe für ihn festgestanden, dass die westlichen Dienste „die Angst der Bevölkerung vor einer angeblich östlichen militärischen Überlegenheit“ schürten, es würde „ständig eine östliche Angriffsgefahr“ propagiert. Deshalb sei ein fatales Wettrüsten im Gange, bei dem es längst nicht um die Herstellung eines militärischen Gleichgewichts gehe. Spuhler hielt sich für einen „Revolutionär für den Frieden“. So sei er zum Verräter geworden.

Im Jahr 1971 nahm der BND-Mann in München Kontakt zu kommunistischen Netzwerken auf, zu einem Vertreter der Deutschen Kommunistischen Partei (DKB), der ihn schließlich an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der DDR vermittelte. Spuhler reiste nach Ost-Berlin und lernte dort Harry Schütt kennen, Leiter der Abteilung IV der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), zuständig für Militärspionage.

Mit seinem zukünftigen Führungsoffizier vereinbarte Spuhler schließlich seine Spitzeltätigkeiten. Er weihte seinen älteren Bruder ein, der sollte als Mittelsmann und Kurier agieren, dessen Ferienhütte in Österreich diente als Versteck und Zwischenlager für die beschafften BND-Dokumente. Die HVA stellte die Technik wie Kameras und Funkempfänger zur Verfügung.

In den folgenden sechzehn Jahren wurde Alfred Spuhler, der von der HVA den Decknamen „Peter“ bekam, zu eine der ergiebigsten Quellen des DDR-Geheimdienstes. Unzählige Dokumente des BND ließen Spuhler und sein Bruder den Ost-Spionen zukommen, darunter allerlei Einschätzungen zum Stand der militärischen Technik des Warschauer Paktes, über Standorte von Nuklearwaffen oder Details zu Raketenabwehrsysteme.

Auch die technische Aufklärungsarbeit des BND in Zusammenarbeit mit dem US-Abhördienst NSA von Standorten in der Bundesrepublik verriet Spuhler. Ebenso die möglichen Angriffsziele der NATO im Ostblock im Kriegsfall, inklusive Funkfrequenzen. Zudem ermöglichte der Maulwurf tiefe Einblicke in den BND, er lieferte Klarnamen von Mitarbeitern und enttarnte zahlreiche Agenten in der Sowjetunion.

Für die HVA war der desillusionierte BND-Mann ein echter Glücksfall. Die Ost-Geheimdienstler hegten und pflegten den Spitzel „Peter“ daher eifrig. Mehr als 60 Mal trafen sich die Führungsoffiziere mit ihrer Quelle. Mehrfach sollen auch Treffen mit hochrangigen Stasi-Vertretern in der DDR, in Ungarn und anderenorts organisiert worden sein, auch der HVA-Leiter Markus Wolf war dabei. Spuhler wurde zum MfS-Major befördert, erhielt für seine Spitzeleien sogar den Vaterländischen Verdienstorden der DDR.

Die Informationen, die der Maulwurf im BND beschaffte, landeten mitunter auch beim KGB. So etwa militärische Lageeinschätzungen des westdeutschen Dienstes. Laut der späteren Anklage des Generalbundesanwalts soll Spuhler mindestens 330.000 D-Mark für seine Agententätigkeit bekommen haben, sein Bruder rund 100.000 D-Mark.

Ein Überläufer der HVA ließ die Spuhler-Brüder schließlich im Herbst 1988 auffliegen. Der Ost-Spion schmuggelte das Foto eines geheimen BND-Papiers in die Bundesrepublik, beim BND wusste man nun, dass es offenbar ein Leck im Dienst gab. Die Maulwurfjagd begann. Gleichzeitig war die HVA gewarnt, dass ihre Quelle nun möglicherweise auffliegen könnte. Es gelang jedoch nicht mehr rechtzeitig die Spuhlers in die DDR zu bringen.

Am 24. November 1989, kurz nach dem Fall der Mauer, wurden Alfred Spuhler und sein älterer Bruder festgenommen. Der Fall schlug hohe Wellen im BND, der Schaden war riesig und konnte zunächst kaum bemessen werden. Dabei ging es längst nicht nur um den BND, dessen Quellen und Geheimnisse, sondern um die gesamte NATO.

Im Prozess gegen die Spuhler-Brüder im wiedervereinigten Deutschland landeten auch die beiden HVA-Führungsoffiziere auf der Anklagebank. Alfred Spuhler wurde am 15. November 1991 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Der Richter erklärte, er sei der „Typ Spion, der sehr daran interessiert sei, sich durch die Verratstätigkeit ein bedeutsames Ego aufzubauen“.

Im Februar 2021 verstarb Alfred Spuhler im Alter von 80 Jahren. Eine Trauerfeier gab es nicht.

Heidrun Hofer

Anfang der 1970er Jahren war Heidrun Hofer als Sekretärin in der BND-Residentur in Saint-Cloud tätig. Sie lernte dort einen Deutschen kennen, der sich als „Hans Puschke“ aus Königsberg vorstellte. Er trat als glühender Kommunistenhasser auf und erzählte der Anfang Dreißigjährigen, er sei für eine Gruppe deutscher „Patrioten“ tätig, die sich in Südamerika neu organisiere. Die nationalsozialistische Gruppe heiße „Überlebensträger“, werde angeführt von einem ehemaligen Wehrmachtsgeneral namens Baron von Hohenstein und habe den „deutschen Reichsschatz“ noch vor dem Kriegsende nach Südamerika gebracht und dort zu Geld gemacht.

Bei der Kapitänstochter Heidrun Hofer aus Norddeutschland machte diese abenteuerliche Geschichte offenbar Eindruck: Ihr Vater hatte in der Abwehr der Wehrmacht gedient.

Tatsächlich aber handelte es sich bei „Hans Puschke“ um einen sogenannten „Illegalen“ aus der Sowjetunion, einen Mann, der unter falscher Identität in Europa lebte und für das KGB tätig war. Er wurde als „Romeo“ an die junge BND-Mitarbeiterin herangespielt. Sie sollte sich in ihn verlieben, was auch geschah.

Es war der Beginn einer Liebesaffäre. Die BND-Sekretärin verriet dem angeblichen Nationalisten aus dem Untergrund mehrere Geheimnisse aus dem Dienst. Im Februar 1973 reiste „Hans Puschke“ dann mit seiner Geliebten nach Innsbruck, dort stellte er ihr einen angeblichen Mitstreiter vor – es handelte sich in Wahrheit um einen 1914 in Russland geborenen Deutschen, der als ranghoher Offizier des KGB tätig war.

Der Mann erzählte Heidrun Hofer er sei ein alter Kamerad von NS-Admiral Wilhelm Canaris, dem Chef der Abwehr, jenem Bereich in dem auch ihr Vater gedient hatte. Das sorgte für Sympathie, der neue Bekannte fragte Hofer auch gleich, welche Informationen über die NATO sie denn besorgen könne.

Heidrun Hofer wurde dann nach Pullach versetzt, zunächst in der Referat für Westeuropa, dann in einen Bereich, der für die Verbindungen zur NATO zuständig war. Sie lieferte – wohl nichtsahnend – dem KGB zahlreiche brisante Unterlagen, darunter auch NATO-Papiere der Geheimhaltungsstufe „COSMIC TOP SECRET“. Oft übergab sie die Dokumente bei Treffen mit ihrem Geliebten oder seinem angeblichen Mitstreitern in Österreich.

Am 21. Dezember 1977 griffen die Ermittler zu, als Heidrun Hofer gerade ihren roten Fiat am deutsch-österreichischen Grenzübergang Mittenwald gestoppt hatte. Beamte des BKA und der bayerischen Polizei nahmen sie fest. Einen Tag später erfolgte die Vernehmung in Zimmer 615 des LKA in München. Die blonde Frau brach dabei in Tränen aus, sie bat darum, das Fenster für etwas Frischluft zu öffnen und sprang dann völlig unvermittelt aus dem sechsten Stock. Büsche und Sträucher federten den Sturz offenbar ab, Heidrun Hofer überlebte schwer verletzt.

Drei Jahre später dann wurde die ehemalige BND-Mitarbeiterin in München angeklagt, wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit, Verletzung des Dienstgeheimnisses und Bestechlichkeit. Zu einem Prozess kam es jedoch aufgrund der verletzten Angeklagten nicht, 1987 wurde das Verfahren wegen Verjährung eingestellt.

Gabriele Gast

Durch einen „Romeo“ wurde auch Gabriele Gast zur Doppelspionin. Für Recherchen zu ihrer Dissertation reiste sie im Sommer 1968 nach Karl-Marx-Stadt und lernte dort Karl-Heinz Schneider kennen, eine gelernten Kfz-Mechaniker – und Stasi-Offizier im besonderen Einsatz. Er wurde der jungen Politologin damals als „Karlheinz Schmidt“ vorgestellt.

Es entwickelte sich eine Liebesbeziehung zwischen der Westdeutschen und dem Stasi-Mann. Sie wurde zur Informantin, Deckname „Gisela“. 1973 schließlich bewarb sich Gabriele Gast beim BND und wurde eingestellt. Unter dem Arbeitsnamen „Dr. Gabriele Leinfelder“ war sie unter anderem für Analysen zur Sowjetunion zuständig, 1987 wurde sie stellvertretende Abteilungsleiterin. Die Regierungsdirektorin war die ranghöchste Frau im westdeutschen Auslandsgeheimdienst – und arbeitet insgesamt 17 Jahre heimlich als Quelle für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR.

Gabriele Gast reiste immer wieder in die DDR, sie verlobte sich mit ihrem Führungsoffizier und traf mehrfach Markus Wolf, den Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA), des Auslandsnachrichtendienstes der DDR. „Gabis Arbeit für uns war tadellos“, erinnerte sich Wolf später. „Sie lieferte uns ein genaues Bild vom Wissen und Urteil des Westens über den ganzen Ostblock.“

Geld hat Gast für ihren Verrat nicht bekommen. Sie entschied zudem wohl selbst, welche Informationen sie an den Osten weitergab. Die DDR habe sie nicht als Feindbild betrachtet, sagte Gast später vor Gericht. Die Menschen dort seien für sie keine Fremden gewesen.

Durch den den ehemaligen stellvertretenden HVA-Abteilungsleiter Karl-Christoph Großmann, der nach dem Fall der Mauer umfangreiche Aussagen gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) machte, flog die Spionin letztendlich 1990 auf und wurde festgenommen. Sie kam in München vor Gericht und wurde zu sechs Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Eine Handtasche, mit der Top-Spionin damals geheime Unterlagen des BND geschmuggelt hatte, hängt heute in einer Glasvitrine im Besucherzentrum des BND an der Chausseestraße in Berlin-Mitte.

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