Der Verfassungsschutz soll einer umfassenden Reform unterzogen werden, der BND hat sie gerade erst hinter sich. Weitere gesetzliche Regelungen und Kontrollinstanzen könnten bald folgen. Warum müssen Gesetze der Nachrichtendienste so oft geändert werden? Und wieso gibt es in Deutschland so wenig Interesse an Nachrichtendienstrecht?
Von Florian Flade

Tropische Fische zogen im Aquarium im Foyer des Berliner Hotels gemächlich ihre Kreise. In den Konferenzräumen nebenan drehte es sich Mitte Juni vor allem um eine Frage: Was dürfen Nachrichtendienste in Deutschland – und wo liegen die gesetzlichen Grenzen ihres Handels? Das Bundesministerium des Innern und das Bundeskanzleramt hatten eingeladen, zum 4. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste. Gekommen waren zahlreiche Vertreter der deutschen Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern, aus den Ministerien, den parlamentarischen Kontrollorganen und der Rechtswissenschaft.
Das diesjährige Symposium fand unter den Vorzeichen einer wohl bald anstehenden Reform des Verfassungsschutzrechts statt. Im April hatte das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zum bayerischen Verfassungsschutzgesetz klar gemacht, dass einige Befugnisse des Inlandsgeheimdienstes zumindest teilweise verfassungswidrig sind und die gesetzlichen Grundlagen überarbeitet werden müssen. Das Urteil herbeigeführt hatte die Organisation Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. mit einer Klage, die darauf abzielte, grundsätzliche Aspekte der Arbeit des Verfassungsschutzes verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen.
Die Entscheidung des Gerichts hat nun wohl weitreichende Folgen. Zwar ist das 2016 verabschiedete bayerische Verfassungsschutzgesetz das wohl schärfte in der Bundesrepublik – es enthält Befugnisse wie die Online-Durchsuchung und Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung, über die andere Verfassungsschutzbehörden nicht verfügen – allerdings wirkt sich das Karlsruher Urteil wohl nicht nur in Bayern, sondern bundesweit aus.
Denn die Richter üben auch Kritik an jenen Befugnissen, die auch andere Landesbehörden, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und auch den Militärischen Abschirmdienst (MAD) betreffen. So werden etwa strengere Regelungen und Kontrollmechanismen für Überwachungstätigkeiten wie Observationen verlangt, beim Einsatz von V-Personen oder auch bei der Datenübermittlung an die Polizei oder an ausländische Behörden.
Die Fachjuristen der Verfassungsschutzbehörden haben sich in den vergangenen Wochen mehrfach in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zusammengeschaltet und beraten, welchen Handlungsbedarf es nun gibt und welche Gesetzesänderungen notwendig sind, um dem Urteil aus Karlsruhe gerecht zu werden. Ein erstes Papier, mehr als 100 Seiten dick, wurde bereits erstellt. Noch im Herbst soll dann ein konkreter Vorschlag für eine erste Reform vorliegen.
Warum landen die Gesetze der Nachrichtendienste eigentlich immer wieder vor dem Bundesverfassungsgericht und werden dort für ungenügend und teils sogar verfassungswidrig befunden? Sind die Gesetze von BND, Verfassungsschutz und MAD handwerklich schlecht gemacht – oder ist eine stetige Anpassung und Nachjustierung angesichts sich verändernder Umstände nicht vollkommen normal? Und wieso ist bei den gesetzlichen Regelungen für die Dienste so oft Verbesserungsbedarf, wo es doch in den Behörden eigentlich nicht an Juristen mangelt?
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