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Rätsel um deutsche Geisel in Westafrika

Im April 2018 wurde ein deutscher Entwicklungshelfer in Niger entführt. Nun soll er freigelassen worden sein. Deutsche Behörden können dies allerdings nicht bestätigen. Das Schicksal der Geisel ist damit weiterhin unklar.

Von Florian Flade

Das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes befindet sich im Keller des Gebäudes der ehemaligen Reichsbank in Berlin-Mitte. Hinter dicken Türen, in einem Raum, in dem einst Wertpapiere aufbewahrt wurden. Hier laufen die Informationen zusammen, wenn es irgendwo auf der Welt eine Krise, einen Terroranschlag oder ein Katastrophenereignis gibt, bei dem deutsche Staatsangehörige betroffen sind. Dann kommt der Krisenstab des Außenministeriums zusammen, um die Lage zu bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen vorzuschlagen.

Zuletzt war es vor allem der russische Krieg gegen die Ukraine, der den Krisenstab beschäftigt hat. Aber auch die Situation in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban spielt immer wieder eine Rolle. In der vergangenen Woche war es schließlich eine Meldung aus Westafrika, die für Aufregung im Keller des Auswärtigen Amtes sorgte.

Der Journalist und Terrorismus-Experte Wassim Nasr des französischen TV-Senders France24 hatte getwittert, dass ein deutscher Entwicklungshelfer, der im April 2018 in Niger entführt worden war, gegen eine hohe Lösegeldsumme in Mali freigelassen worden sei. Die Übergabe habe in der Nähe von Gao stattgefunden, hieß es.

Beim Auswärtigen Amt war über eine Freilassung des Deutschen bislang nichts bekannt gewesen. Umgehend wurde abgefragt, ob bei deutschen Stellen, insbesondere beim Bundesnachrichtendienst (BND) oder beim Bundeskriminalamt (BKA), entsprechende Informationen vorlagen. Bislang ist dies nicht der Fall. Es handele sich, so heißt es, offenbar um Gerüchte aus der Region. Man habe keinen neuen Stand zum Fall der deutschen Geisel und könne keine Freilassung bestätigen.

Der Entwicklungshelfer Jörg L. aus Nordrhein-Westfalen, der für die Nicht-Regierungsorganisation Help gearbeitet hat, war am 11. April 2018 in der Region Tillabéri im westafrikanischen Niger verschleppt worden. Anfangs war unklar, welche Gruppierung für seine Entführung verantwortlich waren. Dann aber verdichteten sich die Hinweise, dass sich der Deutsche vermutlich in der Gewalt der islamistischen Terrorgruppe „Islamischer Staat in Großsahara“ (ISGS) befindet.

Seit nun mehr vier Jahren bemühen sich deutsche Behörden um eine Freilassung des entführten Entwicklungshelfers. Da es lange Zeit keinen Kontakt zu den Entführern gab, wurde zwischenzeitlich das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr damit beauftragt, den Aufenthaltsort von Jörg L. ausfindig zu machen und ihn dann möglicherweise sogar zu befreien. 

Dazu wurden die deutschen Elitesoldaten wenige Monate nach der Verschleppung des Deutschen in die Sahel-Region verlegt. Sie starteten die geheime Operation Entführungslage (EL) „Grenze“. Allerdings ohne Erfolg, die Geisel blieb verschwunden.

Die unterschiedlichen Terrorgruppen, die in der Sahel-Region aktiv sind, haben in den vergangenen Jahren mehrfach westliche Geiseln genommen, von denen einige inzwischen freigelassen oder in militärischen Operationen befreit wurden. Andere wiederum kamen bei missglückten Befreiungsversuchen ums Leben.

So gelang es im Mai 2019 französischen Spezialkräften mehrere Geiseln, darunter zwei Franzosen, die auf einer Safari-Tour in Benin entführt worden waren, sowie eine Südkoreanerin, aus den Händen von Entführern in Burkina Faso zu befreien. Zwei französische Soldaten wurden bei Gefechten mit den Geiselnehmern getötet.

Im Januar 2011 wurden zwei Franzosen bei einem Befreiungsversuch in Niger getötet. Die Männer waren zuvor aus einem Restaurant in der Stadt Niamey von Terroristen des Al-Qaida-Ablegers „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ (AQIM) entführt worden. Nigrische und französische Truppen starteten daraufhin eine Militäroperation, bei der es zu schweren Schusswechseln kam. 

Eine deutsche Geisel, ein Lehrer, war 2014 in Nigeria von Terroristen der Boko Haram verschleppt worden. Er konnte schließlich nach rund einem halben Jahr Geiselhaft bei einem militärischen Einsatz in Kamerun befreit werden.

Aktuell sollen sich noch mindestens sechs westliche Geiseln in der Sahel-Region befinden, darunter ein Arzt aus Australien, ein französischer Journalist, eine kolumbianische Nonne und ein Minenarbeiter aus Rumänien.

Das Schicksal von Jörg L. bleibt weiterhin unklar. Ebenso der Verbleib einer weiteren deutschen Geisel in Afrika: Im Mai 2018 war eine Krankenschwester aus Deutschland aus einem Gebäude des Internationalen Roten Kreuzes in der somalischen Hauptstadt Mogadischu von Bewaffneten entführt worden. Anfangs war unklar, wer die Entführer waren, und ob sie zur islamistischen Al-Shabaab-Miliz gehören.

Operation „Pamir“

In den 1980er Jahren ging der BND eine ungewöhnliche Geheimdienstkooperation mit China ein. Bei der Operation „Pamir“ ging es um geheime Abhöranlagen, Technologie und viel Geld.

Von Florian Flade

Die Gäste aus Deutschland hatten Geschenke mitgebracht. Hochwertige Armbanduhren von Junghans, Schweizer Taschenmesser, Kugelschreiber, und zehn Mini-Kameras des Herstellers Minox. Kleine Apparate, wie sie bei Spionen beliebt waren. Und um Spionage ging es auch bei dem Besuch der deutschen Delegation in China. Damals, im Juli 1985.

Eine kleine Gruppe von Geheimdienstlern und Politikern aus der Bundesrepublik reiste seinerzeit nach Peking. Mit dabei waren der damalige Vize-Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), ein Unterabteilungsleiter sowie ein paar ausgewählte Bundestagsabgeordnete. Untergebracht wurden sie im Gästehaus der chinesischen Regierung, es gab üppige Abendessen und eine Bootsfahrt. Es war eine geheime Reise, über die Stillschweigen vereinbart wurde. Nur wenige waren eingeweiht.

Der Grund für die dreitägige Reise ins Reich der Mitte war ein streng geheimes, gemeinsames Projekt des BND und des chinesischen Militärgeheimdienstes – die Operation „Pamir“. Rund 30 Jahre später ist über diese geheimdienstliche Kooperation noch immer so gut wie nichts bekannt. Der Sachverhalt unterliegt weiterhin der Geheimhaltung, die Akten werden nicht offiziell freigegeben. Der BND und die Bundesregierung hüllen sich nach wie vor in Schweigen.

„Zur Sicherung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des BND (Staatswohl), namentlich aus Gründen des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes, ist dem BND eine Auskunft (…) derzeit leider nicht möglich“, teilte eine Sprecherin des Dienstes auf meine Anfrage im Dezember 2021 mit.

Es ist die Geschichte einer ungewöhnlichen Allianz zweier Staaten, die im Kalten Krieg begann – und diesen wohl überdauerte. Eine brisante Operation, bei der es militärische Geheimnisse ging, um Technologie aus Deutschland und um viel Geld.

Was hat es mit der Operation „Pamir“ auf sich? Und warum wird auch nach Jahrzehnten noch ein solches Geheimnis darum gemacht?

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JNIM bekennt sich zu Anschlag auf Bundeswehr in Mali

Ein Selbstmordattentäter hat ein Bundeswehrlager in Mali mit einer Autobombe angegriffen. Es war einer der schwersten Anschläge auf die deutschen Soldaten bislang. Eine islamistische Terrorgruppe hat sich inzwischen zur Tat bekannt – aber möglicherweise den falschen Attentäter präsentiert.

Von Florian Flade

Propaganda-Foto des Selbstmordattentäters „Abu Dujanah al-Muhajir“, der für den Anschlag auf die Bundeswehr nahe Tarkint verantwortlich sein soll

Ein weißer Pickup-Geländewagen soll es gewesen sein, der beinahe den Tod brachte. Am 25. Juni, gegen 06.30 Uhr Ortszeit, soll das Fahrzeug zunächst auf der Straße RN18 entlang gefahren, dann plötzlich abgebogen und auf die Wagenburg zugerast sein, die Bundeswehrsoldaten beim Dorf Ichagara unweit von Tarkint im Osten von Mali errichtet hatten. Der Pritschenwagen explodierte, zwölf deutsche Soldaten und ein Belgier wurden verletzt.

Ein Aufklärungstrupp der UN-Mission MINUSMA hatte das Nachtlager rund 180 Kilometer nördlich von Gao aufgeschlagen. Es war eine gemischte Kompanie, bestehend vor allem aus deutschen Soldaten, aber auch Belgier und Iren waren dabei. Ihr Auftrag war es, die Gegend zu erkunden, bevor ein Konvoi der malischen Armee nach Kidal im Norden aufbrechen sollte.

Viele der UN-Soldaten schliefen offenbar unter den Fahrzeugen, als der Selbstmordattentäter seine Autobombe zündete. Er hatte den äußeren Ring der Wagenburg durchbrochen. Der Pickup soll nur wenige Meter neben einem Tanklaster mit Kraftstoff explodiert sein, der glücklicherweise kein Feuer fing.

Die verwundeten Blauhelm-Soldaten wurden zunächst mit Hubschraubern eines privaten Transportunternehmens vom Anschlagsort weggebracht und schließlich nach Deutschland ausgeflogen. Sie kamen in das Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz und wurden dort versorgt.

Das Selbstmordattentat am 25. Juni war einer der bislang schwersten Anschläge auf die Bundeswehr in Mali, die seit rund acht Jahren in dem westafrikanischen Land am UN-Einsatz MINUSMA beteiligt ist. Ziel der Mission ist es, zu verhindern, dass islamistische Extremisten oder kriminelle Banden die Macht in Mali übernehmen und das Land zu einem Rückzugsorts für dschihadistische Terrorgruppen wird.

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