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Weiter kein Lebenszeichen von Denis Cuspert

von Florian Flade

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Sieben Monate ist es her, da teilte das US-Verteidigungsministerium mit, dass einer der wohl bekanntesten Dschihadisten aus Deutschland bei einem Luftangriff im Norden Syriens ums Leben gekommen sei: Denis Cuspert, 40 Jahre alt, Ex-Rapper „Deso Dogg“ aus Berlin. Cuspert soll am 16. Oktober 2015 in einem Konvoi unweit der IS-Hochburg Raqqa unterwegs gewesen sein, als eine Rakete das Auto traf, in dem er saß.

Soweit die Darstellung des US-Militärs. Auch in sozialen Netzwerken tauchten erste Berichte von mutmaßlichen IS-Terroristen und Aktivisten aus der Region auf, in denen vom „Märtyrertod“ des deutschen Islamisten die Rede war. Bis heute aber fehlen Beweise für den Tod von Denis Cuspert. Ebenso wenig gibt es Belege dafür, dass er noch am Leben ist.

Der Berliner Verfassungsschutz stellte am gestrigen Dienstag seinen Jahresbericht 2015 vor. Darin thematisiert werden auch die Ausreisen von Islamisten aus der Bundesrepublik in die Kriegsregionen Syrien und Irak. Auch Denis Cuspert, gegen den die Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen ermittelt, findet in einem Absatz recht prominent Erwähnung.

„Führender deutschsprachiger Propagandist des IS ist der Deutsch-Ghanaer Denis Cuspert (…) Mehrfach kursierende Informationen über den Tod Cusperts, zuletzt im Oktober, konnten bislang nicht bestätigt werden“  – Verfassungsschutzbericht Berlin 2015, S. 15

Berlins Verfassungsschutzpräsident Bernd Palenda äußerte gestern zudem die Vermutung, Cuspert sei bei dem Luftangriff im Oktober 2015 nur verletzt, nicht aber getötet worden. Es war die erste offizielle Verlautbarung eines Behördenleiters zu dieser Frage bislang.

Bereits im Dezember hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Links-Partei zum Tod von Cuspert zögerlich, aber ähnlich geantwortet wie jetzt der Berliner Verfassungsschutz.

“Laut öffentlich zugänglichen Informationen soll am 16. Oktober 2015 in der Nähe der syrischen Stadt Raqqa ein amerikanischer Luftangriff auf ein Fahrzeug stattgefunden haben. Das Fahrzeug befand sich auf dem Weg von Raqqa nach Tabqa. Bei dem Luftangriff sollen mindestens fünf Personen ums Leben gekommen sein. Weitere Kenntnisse liegen nicht vor. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wurden durch den BND die zuständigen US-amerikanischen Behörden angefragt; eine Antwort ist bislang nicht erfolgt.“ – Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage, Drucksache 18/6947

Wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren ist, wurden bislang in der islamistischen Szene keine Lebenszeichen von Denis Cuspert vernommen. Es kursieren offenbar – soweit den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden bekannt – keine neuen Foto- oder Videoaufnahmen des Islamisten. Und Propagandaaufnahmen, die der IS in den vergangenen Monaten von Cuspert veröffentlicht hat, darunter ein Video, in dem er über einen befreundeten Selbstmordattentäter aus Nordrhein-Westfalen spricht, gelten als alt.

Zuletzt tauchte Anfang März ein Nasheed auf, das die Sicherheitsbehörden dem Berliner Extremisten zurechnen. In dem Lied spricht Cuspert darüber, weshalb er Deutschland verlassen hat und in den Dschihad gezogen ist. Er wendet sich in der Aufnahme gezielt an seine Familie. Aber auch diese Audiobotschaft werten die Ermittler keinesfalls als Lebenszeichen. Sie wurde vermutlich schon vor längerer Zeit aufgenommen.

Deutschen IS-Terroristen droht Anklage wegen Kriegsverbrechen

von Florian Flade

pic100215_2Fared S. nach dem Überfall auf das Al-Shaer-Gasfeld

Der Angriff begann am Abend des 16. Juli 2014. Hunderte Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) attackierten das von syrischen Regierungstruppen bewachte Al-Shaer-Gasfeld in der Provinz Homs. Das Ergebnis des Überfalls dokumentieren die wackeligen, von Handkamera aufgezeichneten Videos, die IS-Dschihadisten später ins Internet stellten:

Zu sehen sind darin unzählige blutüberströmte Leichen von syrischen Soldaten und Mitarbeitern der Gas-Förderanlagen. Wie viele Menschen bei dem IS-Angriff ermordet wurden, ist bis heute unklar. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von bis zu 270 Toten.

Ein Video, das offenbar kurz nach dem Überfall entstand, zeigt einen deutschen IS-Terroristen, der über einem Berg von Leichen thront. „Wie ihr sehen könnt, haben wir diese Tiere geschlachtet“, prahlt der Dschihadist. „Wir haben gekämpft. Und Allah hat uns den Sieg gewährt!“

Der Mann, der sich mit der Ermordung wohl Hunderter Menschen brüstet, heißt Fared S., ist 25 Jahre alt und kommt aus Bonn. Er ist einer von rund 600 Islamisten aus Deutschland, die sich dem Islamischen Staat nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden angeschlossen haben.

Es sind unter anderem schockierende Aufzeichnungen wie jene, die derzeit für ein Umdenken in der deutschen Justiz sorgen. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ werden deutsche IS-Kämpfer nach ihrer Rückkehr womöglich wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

Bislang ermittelten die Staatsanwaltschaften gegen deutsche Dschihadisten vor allem auf Grundlage der Paragrafen 129 und 89 des Strafgesetzbuchs, denen zufolge die Angeklagten sich der „Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ oder der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ schuldig gemacht haben könnten.

Derlei Vergehen werden mit Freiheitsentzug von bis zu zehn Jahren geahndet. Wer jedoch unter Berufung auf Paragraf 8 des Völkerstrafgesetzbuches beschuldigt wird, „Kriegsverbrechen gegen Personen“ begangen zu haben, muss mit lebenslanger Haftstrafe rechnen.

Wie aus Justizkreisen zu erfahren ist, besteht insbesondere bei dem Berliner Ex-Rapper Denis Cuspert und dem Bonner Fared S. der Verdacht, dass sich beide als Kämpfer des IS an Kriegsverbrechen beteiligt haben könnten. Es soll dabei um die Ermordung von syrischen Soldaten und Zivilisten gehen. Dem Bundeskriminalamt (BKA) liegen nach Informationen der „Welt am Sonntag“ entsprechende Hinweise vor.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die 46 Verfahren gegen 83 mutmaßliche Dschihadisten führt, wollte sich zu den konkreten Vorwürfen gegen Denis Cuspert und Fared S. nicht äußern. Eine Sprecherin der Behörde teilte jedoch mit: „Die Bundesanwaltschaft hat den Konflikt in Syrien und im Irak unter allen in ihre Zuständigkeit fallenden rechtlichen Gesichtspunkten im Blick.“

Der Kölner Völkerrechtsexperte Claus Kreß hält Anklagen gegen deutsche IS-Kriegsverbrecher durchaus für möglich. „Es spricht alles dafür, dass die Kämpfer des IS Völkerstraftaten begehen, und zwar Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt und vielleicht sogar Völkermord“, sagte Kreß der „Welt am Sonntag“. Bei ausländischen Tätern werde es allerdings nur dann zu deutschen Strafverfahren kommen, wenn sich Terroristen in Deutschland aufhalten.

Es könnten also schon bald Syrien-Rückkehrer nicht mehr nur als Angehörige der Terrororganisation IS vor deutschen Gerichten stehen, sondern als Kriegsverbrecher. In Sicherheitskreisen heißt es allerdings, es sei unwahrscheinlich, dass Fanatiker wie Denis Cuspert und Fared S. wieder nach Deutschland zurückkehren.

Ein neues Handyvideo, das in der vergangenen Woche im Internet auftauchte, bestätigt diese Einschätzung. „Nimm schnell das Ticket, komm mit dem Flugzeug, komm mit dem Zug, komm mit dem Fahrrad, komm mit dem Auto“, sagt der Berliner Denis Cuspert darin an seine Glaubensbrüder in Deutschland gerichtet. „Allah wird uns bald nehmen, und dann sehen wir uns vielleicht nie wieder.“

Dschihad-Rückkehrer Teil 3 – „Etwas erledigen“

von Florian Flade

junud_sham1Propagandavideo der Junud ash-Sham

Das Schlusswort klang nach Reue. „Ich möchte mich für meine Taten aufrichtig entschuldigen. Ich möchte mich ändern, ich habe auch schon begonnen mich zu ändern“, sagte Fatih K. im April 2011 vor dem Berliner Kammergericht. Zumindest Josef Hoch, den Vorsitzenden Richter, schien der sechsfache Vater überzeugt zu haben. Durch sein Geständnis habe der Angeklagte glaubhaft Reue gezeigt, erklärte Hoch bei der Urteilsverkündung gegen den Deutsch-Türken aus Berlin-Kreuzberg.

Fatih K. stand damals als Terrorhelfer vor Gericht. Er hatte die Terrorgruppe „Deutsche Taliban Mujahideen“ (DTM) im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet mit rund 2000 Euro unterstützt. Das Urteil fiel schließlich vergleichsweise milde aus: ein Jahr und zehn Monate, ohne Bewährung. Allerdings wurde kein Haftbefehl aufgehoben. Es bestehe keine Fluchtgefahr, so die damalige Begründung.

Heute, drei Jahre später, sitzt der 35-jährige Fatih K. wieder in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Moabit und wartet erneut auf seine Anklage. Diesmal geht es nicht mehr nur um Terrorunterstützung mit Spendengeldern. Der Vorwurf lautet nun: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.

Offenbar hatte Fatih K. keinesfalls, wie angekündigt, dem radikalen Islam abgeschworen. Nur drei Jahre nach seiner Verurteilung soll K. in den Dschihad gezogen sein. Diesmal nicht in das pakistanische Waziristan, sondern nach Syrien.

Im Juni 2013, so hat die Bundesanwaltschaft ermittelt, reiste der Berliner gemeinsam mit dem 26-jährigen Türken Fatih I. aus Frankfurt a. Main., dessen Ehefrau und den beiden Kindern von Deutschland aus in die Türkei. Wenig später überquerten Fatih K. und Fatih I. offenbar die Grenze nach Syrien. Dort sollen sie sich der Terrorgruppe Junud ash-Sham angeschlossen haben. Zu der Dschihad-Truppe, die von einem Kaukasier angeführt wurde, gehörte bereits ein alter Bekannter von Fatih K., der ebenfalls aus Berlin stammende Ex-Rapper Denis Cuspert („Deso Dogg“).

Gemeinsam mit Cuspert soll sich Fatih K. im August 2013 an einem Gefecht zwischen Junud ash-Sham und syrischen Regierungstruppen im Durin-Gebirge nahe Lattakia beteiligt haben – als Kameramann. Die Ermittler des Bundeskriminalamtes (BKA) stießen im Internet auf ein russischsprachiges Propagandavideo, das zumindest teilweise von Fatih K. produziert worden sein könnte. In anderen Aufnahmen soll Fatih K. zwei tote syrische Soldaten gefilmt und als Hunde beschimpft haben.

Der Frankfurter Fatih I. hatte nach Überzeugung der Ermittler ein Geldgeschenk für die Dschihadisten dabei, als er nach Syrien reiste. Das BKA fand über Telefonüberwachung und Finanzermittlungen heraus, dass sich der Islamist am 27. Juni 2013 einen Kredit über 25.000 Euro bei einer Bank erschlichen hatte. Insgesamt 30.000 Euro soll I. den Terroristen der Junud ash-Sham letztendlich übergeben haben.

Im September 2013 kehrte Fatih K. – nur wenige Monate nach seiner Ausreise – über die Türkei wieder nach Berlin zurück. Im Gepäck hatte er unter anderem USB-Sticks mit allerlei Fotos aus dem Kriegsgebiet. Darauf zu sehen sein, soll K. mit Kalaschnikow vor einer Flagge der Terrororganisation „Islamischer Staat“ posierend. Wenige Tage nachdem die Aufnahmen gemacht wurden, war der Islamist wieder in Deutschland.

Weshalb Fatih K. dem syrischen Bürgerkrieg den Rücken kehrte – darüber rätseln die Ermittler bis heute. Der Berliner Denis Cuspert soll in einem Telefonat mit seiner in Deutschland lebenden Frau im Oktober 2013 erklärt haben, Fatih K. habe „etwas erledigen müssen“ und sei deshalb zurückgereist.

Auch sein Mitstreiter Fatih I. kam im September 2013 wieder nach Deutschland zurück, reiste jedoch im Dezember wieder nach Syrien. Am 16. Januar schließlich war I. wieder in der Bundesrepublik. Und engagierte sich nach Darstellung der Bundesanwaltschaft als Terrorhelfer. Er soll Ausrüstungsgegenstände und insgesamt 1.536 Euro an ein Mitglied der Junud ash-Sham übermittelt haben.

Nach monatelangen Ermittlungen erließ der Bundesgerichtshof schließlich Haftbefehle gegen Fatih K. und Fatih I.. Mehr als 100 Beamte der GSG 9, des BKA und der Landeskriminalämter nahmen die beiden Syrien-Rückkehrer am 31. März fest und durchsuchten Wohnungen in Berlin und Frankfurt am Main. Beschlagnahmt wurden zahlreiche Datenträger. Insgesamt ist die Rede von mehr als 400 Gigabyte an Material, darunter offenbar Fotos und Dokumente, die auch andere deutsche Terrorverdächtige belasten sollen.

Im Januar beginnt vor dem Berliner Kammergericht der Prozess gegen Fatih K. und Fatih I.. Wieder wird Fatih K. auf der Anklagebank sitzen. Fraglich ob er ein weiteres Mal versuchen wird, mit Worten der Reue und dem Versprechen der Besserung das Gericht zu überzeugen.

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Lesen Sie hier:

Dschihad-Rückkehrer Teil 1 – „Du Blödmann!“

Dschihad-Rückkehrer Teil 2 – Auf Shoppingtour