von Florian Flade
Neunzehn Sekunden Videoaufzeichnung einer McDonalds-Überwachungskamera, Zeugenbeschreibungen durch zwei Jugendliche und eine von der Polizei zerstörte Bombe – das sind die Hinweise, mit denen Ermittler seit zwei Wochen versuchen zu ermitteln, wer der mysteriöse Bombenleger vom Bonner Hauptbahnhof sein könnte.
Dass die Spur ins islamistische Milieu führt, scheint in Sicherheitskreisen weit mehr als nur ein Verdacht zu sein. Verfassungsschutzämter und Staatsschutzabteilungen sind angesetzt die Szene auf die möglichen Täter zu durchleuchten. Videoaufnahmen verdeckter Überwachungen wurden ausgewertet, Einzelpersonen in den Tagen nach dem Bombenfund teils rund um die Uhr überwacht. Insbesondere in den salafistischen Hochburgen im Rheinland, in Bonn und Solingen, hielten die Dienste Augen und Ohren besonders weit auf. Bislang ohne Erfolg.
Der terroristische Hintergrund des versuchten Anschlags hat inzwischen dazu geführt, dass der Generalbundesanwalt am 14.Dezember die Ermittlungen an sich gezogen hat. Die Bonner Bahnhofs-Bombe ist nun ein Fall für Deutschlands ranghöchsten Staatsanwalt und das Bundeskriminalamt. In Karlsruhe scheint man sich sicher zu sein, dass die Bombenleger radikale Islamisten sind. So heißt es in der Pressemitteilung vom 14.Dezember:
„Es liegen nunmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei dem Geschehen um einen versuchten Sprengstoffanschlag einer terroristischen Vereinigung radikal-islamistischer Prägung handelt (…) Es liegen belastbare Hinweise dafür vor, dass die verdächtige Person über Verbindungen in radikal-islamistische Kreise verfügt.“
Interessant wird es bei der Formulierung des Anfangsverdachts gegen jene tatverdächtige Person.
„Aufgrund dieser Umstände besteht der Anfangsverdacht, dass er als Mitglied einer terroristischen Vereinigung einen Sprengstoffanschlag verüben wollte (§ 129a Abs. 1, § 211, § 308 Abs. 1 bis 3, §§ 22, 23 StGB).“
Wer das Phänomen Terrorismus in Deutschland in den vergangenen Jahren aufmerksam beobachtet hat, dem wird auffallen, dass der GBA im aktuellen Fall offenbar nicht davon ausgeht, dass Terrorgruppen wie Al-Qaida, die „Islamische Bewegung Usbekistans“ (IBU) oder die „Islamische Jihad Union“ (IJU) das Attentat von Bonn in Auftrag gegeben, geplant oder durchgeführt haben. Der Verdacht liegt explizit auf § 129a.
Darin heißt es:
§ 129a
Bildung terroristischer Vereinigungen
(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind,
1. Mord (§ 211) oder Totschlag (§ 212) oder Völkermord (§ 6 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechen (§§ 8, 9, 10, 11 oder § 12 des Völkerstrafgesetzbuches)
Der GBA wirft dem und den Tätern demnach vor, eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben. Und nicht etwa Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung gewesen zu sein. Das lässt aufhorchen. Hieß es in doch in den Terrorprozessen der vergangenen Jahre stets, die Angeklagten seien Mitglieder von Terrrorgruppen im Ausland gewesen. Im Fall der „Sauerland-Gruppe“ und der „Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle“ beispielsweise wurde dies angeführt. Dort kam meist der § 129b StGB zum Tragen – der „Kriminelle und terroristische Vereinigungen im Ausland“ umfasst. In den Anklagen lautete es häufig: „§ 129b i.V.m. (in Verbindung mit) § 129a“.
In Bonn scheint der Fall anders gelagert. Bislang jedenfalls liegen dem GBA offenbar keine Hinweise darauf vor, dass der Bombenleger Verbindungen ins Ausland etwa nach Somalia, Pakistan, Libyen oder Ägypten habe könnte oder von dort instruiert worden wäre. Und noch etwas ist durch die Formulierung des Anfangsverdachts klar: in Karlsruhe geht man von mindestens drei Tätern aus. Anders wäre eine terroristische Vereinigung in Deutschland juristisch nicht begründbar. Sie muss drei Mitglieder haben, um eine Vereinigung zu sein.
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