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Die „Schwarze Kasse“ der DGSE 

Französische Geheimdienstler sollen einen Geschäftsmann erpresst haben. Der Vorfall beschäftigt nun die Justiz und wirft ein Schlaglicht auf ein bislang gut gehütetes Geheimnis. Was hat es mit der „Schwarzen Kasse“ des französischen Auslandsnachrichtendienstes auf sich?

Von Florian Flade

Frankreichs Spione sollen eine neue Zentrale bekommen. Das hat Präsident Emmanuel Macron bereits versprochen. Noch befindet sich Hauptquartier der Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE), des französischen Auslandsnachrichtendienstes, am Pariser Boulevard Mortier. Auf Google Maps ist das Gelände verpixelt, geschützt vor neugierigen Blicken. Unter Europas Diensten gilt „das Büro“ oder „die Box“, wie die DGSE oft genannt wird, als besonders verschwiegen. Im Jahr 2028 soll der Dienst umziehen, in das weitläufiges Kasernengelände Fort Neuf de Vincennes am östlichen Rand der französischen Hauptstadt.

Wie teuer der Umzug wird, und ob auch Umbaumaßnahmen notwendig werden, ist noch unklar. Doch es dürfte den französischen Steuerzahler einiges kosten. Der Etat von Frankreichs Auslandsdienst mit seinen rund 7000 Mitarbeitenden ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Auf mittlerweile mehr als 800 Millionen Euro, Tendenz steigend.

Ein skurriler Justizfall sorgt nun dafür, dass die Finanzen der französischen Spionen genauer unter die Lupe genommen werden. Und nun zumindest teilweise an Öffentlichkeit kommt, was fast ein Jahrhundert im Verborgenen lag – die „Schwarze Kasse“ des französischen Auslandsnachrichtendienstes.

Im März 2016 kam es an einem Flughafen Paris zu einer ungewöhnlichen Passagierkontrolle. Der französisch-schweizerische Geschäftsmann Alain Duménil wurde damals von französischen Grenzpolizisten in einem Raum geführt, wo zwei DGSE-Mitarbeiter auf ihn warteten. Die Geheimdienstler sollen den Unternehmen ziemlich forsch behandelt und mit körperlicher Gewalt bedroht haben.

Die Spione sollen Duménil zudem Fotos seiner Familie vorgelegt haben, aufgenommen offenbar in Frankreich, in Schweiz und anderenorts. Sie sollen erklärt haben, er schulde dem französischen Staat viel Geld, insgesamt rund 15 Millionen Euro. Die Summe solle er schnellstmöglich auftreiben, sollen die DGSE-Männer gefordert haben, ansonsten könnten schlimme Dinge passieren. Er könnte beispielsweise im Rollstuhl landen.

Der Vorfall am Pariser Flughafen, inzwischen aber interessiert sich eine französische Staatsanwaltschaft für die harschen Verhörmethoden und mutmaßlichen Erpressungsversuche der DGSE – und für die Geschichte hinter der Geschichte.

Im Oktober vergangenen Jahres hat ein französischer Richter in Bobigny den ehemaligen Direktor des französischen Geheimdienstes und einstigen Top-Diplomaten Bernard Bajolet angeklagt, wie die französische Zeitung Le Monde recherchiert hat. Es geht um den Vorwürfe der Mittäterschaft bei einer Erpressung und Freiheitsberaubung („willkürliche Verletzung der persönlichen Freiheit“).

Tatsächlich könnte das Verfahren zu einem Politikum werden, denn es geht um nichts geringeres als um die „Schwarze Kasse“ der Pariser Spione. Um die Frage, wie viel Geld der Frankreichs Geheimdienst beiseite geschafft oder durch undurchsichtige Finanzgeschäfte erwirtschaftet hat, wer dabei half das Geld zu verstecken, und was mit diesem Millionenvermögen geschehen ist.

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Belgiens Deal mit den Mullahs

Die belgische Regierung will ein Abkommen mit dem Iran schließen, wonach künftig Häftlinge ausgetauscht werden können. Mit dem umstrittenen Deal will Brüssel einen Staatsbürger aus der Gefangenschaft der Mullahs retten. Allerdings würde dadurch wohl auch ein verurteilter Terrorist freikommen.

Von Florian Flade

Der iranische Agent Assadollah A. im Kölner Zoo, aufgenommen von einer Überwachungskamera, Sommer 2018

Belgiens Justizminister kann in dem Vorhaben keinen Skandal erkennen. „Es ist unsere moralische Pflicht, unschuldige Landsleute, die im Ausland festgehalten werden, zu befreien“, sagte Vincent Van Quickenborne in der vergangenen Woche im belgischen Parlament in Brüssel. „Andere Staaten tauschen auch Häftlinge mit dem Iran aus. Der Unterschied ist, dass die das heimlich machen. Wir wollen es vertraglich regeln (…) Ich sage das nicht einfach so. Hier geht es um Menschenleben!“

Die belgische Regierung hat den Abgeordneten kürzlich einen Vorschlag für ein geplantes Abkommen vorgelegt, das einige Brisanz birgt und für großen Unmut sorgt. Vor allem unter iranischen Oppositionellen. Es geht um eine Gesetzesänderung, die den Austausch von Häftlingen zwischen Belgien und Iran möglich machen soll. In der Vorlage für das Parlament, die bereits im März erarbeitet wurde, heißt es, es gehe um die „Überstellung verurteilter Personen“. Demnach sollen in Belgien verurteilte Straftäter künftig einen Teil ihrer Haftstrafe künftig in iranischen Gefängnissen absitzen können.

Die Kritiker sehen in dem Abkommen nichts geringeres als den Versuch einer Erpressung durch die Mullahs in Teheran. Iran versuche auf diese Weise in Europa verurteilte Terroristen freizubekommen, so der Vorwurf. Der geplante Deal gleiche einer Erpressung. Und tatsächlich scheint die aktuelle Initiative der belgischen Regierung einen ganz konkreten Anlass zu haben.

Erst vor kurzem wurde bekannt, dass im Februar ein Belgier in Iran wegen Spionagevorwürfen festgenommen wurde. Es handelt sich um Olivier Vandecasteele, einen 41 Jahre alten Entwicklungshelfer, der für die Organisation Norwegian Refugee Council (NRC) tätig war. Vandecasteele hatte zuvor in Afghanistan und auch fünf Jahre lang im Iran gelebt und gearbeitet. Er soll im Februar nach Teheran gereist sein, um seine dortige Wohnung aufzulösen.

Der Belgier wurde offenbar von Irans Revolutionsgarden festgenommen, die ihn der Spionage verdächtigen. Er kam in das berüchtigte Teheraner Gefängnis Evin, wo er zwei Mal konsularischen Besuch vom belgischen Botschafter bekommen hat. Zuletzt soll sich der Gesundheitszustand von Vandecasteele verschlechtert haben.

Die belgische Regierung bemüht sich nun seit Wochen um eine Freilassung des Entwicklungshelfers. Als eine mögliche Option gilt ein Gefangenenaustausch, denn in Belgien sitzt eine Person im Gefängnis, an deren Freilassung Teheran offensichtlich großes Interesse hat.

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Der Bombenbauer von Paris

In Paris beginnt der Prozess um die Terroranschläge vom 13. November 2015. Der Mann, der die Sprengstoffgürtel für die Attentäter baute, wird allerdings nicht vor Gericht stehen. Er konnte nach den Attentaten entkommen und ist bis heute verschwunden.

Von Florian Flade

Ziemlich ausdruckslos und müde guckt der Mann mit den markanten, dunklen Augenbrauen in die Kamera. Bevor die Fotos gemacht wurden, nahmen die ungarischen Beamten seine Fingerabdrücke und notierten die Angaben aus seinem syrischen Pass. Name: „Ahmad al Khald“. Name des Vaters: „Mohamad“. Name der Mutter: „Siham“. Geburtsdatum: „01.01.1992“. Geburtsort: „Aleppo“. Fast alles davon war wohl falsch. Nur aus der Gegend um Aleppo stammte der Mann wohl tatsächlich.

Am 19. September 2015 reiste der Syrer, der sich „Ahmad al Khald“ nannte, mit einem Flüchtlingsboot von der Türkei nach Griechenland, auf die Insel Farmakonisi. Tags darauf wurde er gemeinsam mit anderen Geflüchteten nach Leros gebracht. Dann ging es weiter die sogenannte Balkanroute entlang, über Mazedonien und Serbien, nach Ungarn, Österreich und Deutschland. Es war der Weg zehntausender Flüchtlinge in jenen Tagen. 

In der Masse der Menschen, die vor Krieg und Terror aus Syrien nach Europa flohen, fiel der junge Mann nicht weiter auf. Allerdings war er kein Flüchtling. Er wollte den Schrecken des Krieges, das Sterben und das Leiden nicht hinter sich lassen, sondern es nach Europa bringen. Einen perfiden Hinweis auf sein mörderisches Vorhaben lieferte ein Kleidungsstück, das er trug, als er von den europäischen Beamten fotografiert wurde. Auf dem schwarzen Pullover prangt der weißen Schriftzug einer kalifornischen Modemarke. Und das Logo: eine Bombe.

Heute beginnt in Paris der Prozess zu den Anschlägen am Abend des 13. November 2015. Ein islamistisches Terrorkommando ermordete damals in der französischen Hauptstadt 130 Menschen. In Bars, Cafés, vor dem Fußballstadion Stade de France und im Konzertsaal Bataclan. Dem Islamischen Staat (IS) war es gelungen unbemerkt Attentäter von Syrien bis nach Frankreich zu bringen. Sie tarnten sich dabei als Flüchtlinge des syrischen Bürgerkrieges. „Ahmad al Khald“, der Mann mit der Bombe auf dem Sweatshirt, war einer von ihnen. Er soll die Sprengstoffwesten gebaut haben, die in der Terrornacht von Paris eingesetzt wurden.

Zwanzig Terroristen und Terrorhelfer sind in Paris angeklagt. Sie sollen sich in den kommenden Monaten dafür verantworten, dass sie an den Attentaten entweder selbst beteiligt waren – oder die Attentäter unterstützt hatten. Längst nicht alle Angeklagten stehen auch vor Gericht. Nur vierzehn von ihnen werden anwesend sein, die übrigen sind entweder im Ausland inhaftiert, gelten inzwischen als tot oder sind schlichtweg verschwunden.

Auch der Bombenbauer, der sich „Ahmad al Khald“ nannte, ist angeklagt. Allerdings ist er bis heute nicht auffindbar. Überhaupt dauerte es mehrere Jahre bis die französischen Ermittler seine wohl wahre Identität herausgefunden hatten.

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