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Maximilian, der Dschihadist

von Florian Flade

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Für die kurdischen Milizionäre der Peshmerga sind sie Trophäen. Fotos von getöteten IS-Terroristen. Dutzendfach finden sich die Aufnahmen in sozialen Netzwerken im Internet. Zeugnisse des mühsamen und gefährlichen Kampfes gegen die Dschihadisten.

In der vergangenen Woche veröffentlichten die Peshmerga ein eher ungewöhnliches Fotos. Zu sehen war darauf kein bulliger Dschihadist mit kräftigem Vollbart. Sondern der Leichnam eines jungen Mannes mit blonden Locken. Kein Barthaar im Gesicht. Sein Mund ist aufgerissen, die Augen geschlossen. Er trägt eine schwarze Strickjacke, darüber einen Parka.
Der Tote stammt aus Deutschland.

Deutsche Sicherheitsbehörden sind auf das Foto aufmerksam geworden. Sie wollen den blonden Dschihadisten inzwischen identifiziert haben. Es soll sich sich um Maximilian R. handeln, einen 20-jährigen Islam-Konvertiten aus Bonn.
Der junge Deutsch-Pole war im Mai 2013 gemeinsam mit seiner Schwester, deren Ehemann und Sohn über die Türkei nach Syrien gereist. Gemeinsam mit seinem Schwager soll sich Maximilian R. dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen haben.

Getötet wurde der Bonner Islamist offenbar in der vergangenen Woche nahe der nordirakischen Stadt Kirkuk bei einer Offensive der kurdischen Peshmerga. Zahlreiche IS-Terroristen kamen dabei ums Leben, unter ihnen Dschihadisten aus Frankreich, Deutschland, Nordafrika und der Türkei.

In Deutschland steht derzeit die Schwester des getöteten Maximilian R. vor Gericht. Karolina R., 25 Jahre alt, Mutter eines zweijährigen Sohnes, soll die Terrorgruppe IS mit Geld und Kameraausrüstung unterstützt haben. Zwei Mal war die Bonnerin wohl bereits selbst in Syrien. Ihr Ehemann, der Deutsch-Algerier Fared S., kämpft noch in den Reihen des IS und tauchte bereits in mehreren Propagandavideos auf.

Maximilian R., der Bruder der mutmaßlichen Terrorhelferin, ist einer von inzwischen mehr als 65 Islamisten aus Deutschland, die in Syrien und dem Irak getötet wurden oder sich als Selbstmordattentäter in die Luft sprengten. Zuletzt soll ein junger Deutsch-Türke aus Ibbenbüren, der für den IS gekämpft hat, ums Leben gekommen sein.

 

Dschihad-Rückkehrer Teil 5 – Liebe im „Heiligen Krieg“

von Florian Flade

pic220115Der Dschihadist Fared S. (rechts), Ehemann von Karolina R.

Die Justizvollzugsanstalt für Frauen in Vechta ist eine besondere Einrichtung. Nur sieben Gefängnisse bundesweit gibt es, in denen inhaftierte Mütter mit ihren Kindern einsitzen. Eine von ihnen ist die 25-jährige Karolina R. aus Bonn. Die Deutsch-Polin sitzt seit März 2014 in Untersuchungshaft und bewohnt seitdem mit ihrem zweijährigen Sohn Luqmaan das Mutter-Kind-Haus der JVA Vechta.

Luqmaans Vater lebt nicht mehr in Deutschland. Er ist in den „Heiligen Krieg“ nach Syrien gezogen. Und kämpft dort als „Abu Luqmaan al-Almani“ auf Seiten der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS). In Propagndavideos schwärmt der Islamist vom Kampf gegen die Ungläubigen, erklärt er träume davon mal jemanden zu enthaupten und „mit einem stumpfen Messer zu schlachten“.

Luqmaans Mutter Karolina R. steht seit gestern vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht. Sie soll ihren Ehemann und damit auch die Terrorgruppe IS mit Geld- und Sachspenden unterstützt haben. Es geht um mehrere tausend Euro und Kameras. Mitangeklagt sind Ahmed-Sadiq M.und Jennifer Vincenza M., zwei Bekannte der mutmaßlichen Terrorhelferin.

Gehüllt in einen dunkelgrauen Schleier betrat Karolina R. am Mittwoch den Gerichtssaal in Düsseldorf. Als sie im Kindesalter mit ihren Eltern aus Polen nach Deutschland kam, war R. noch Katholikin. Erst vor vier Jahren, kurz vor dem Abitur an einer Bonner Berufsschule, konvertierte sie zum Islam. Und praktizierte ihren Glauben immer radikaler, wie ehemalige Lehrer berichten. Irgendwann soll die junge Frau nur noch vollverschleiert zum Unterricht erschienen. Aus Karolina R. der Katholikin wurde eine überzeugte Salafistin.

Die Deutsch-Polin heiratete den Deutsch-Algerier Fared S. und zeugte mit ihm einen Sohn.  S. gehörte damals dem mittlerweile verbotenen Salafisten-Netzwerk „Millatu Ibrahim“ an. Deutsche Sicherheitsbehörden stufen ihn als gefährlichen Extremisten ein.

Im Mai 2013 reisten Karolina R. gemeinsam mit ihrem Mann, dem gerade wenige Monate alten Sohn und ihrem ebenfalls zum Islam konvertierten Bruder Maximilian R. über die Türkei nach Syrien. Doch schon zwei Monate später kehrte Karolina R. mit ihrem Baby nach Deutschland zurück. Ihr Mann und ihr Bruder blieben und schlossen sich nach Erkenntnissen der Ermittler im September 2013 der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ an.

Zurück in Deutschland blieb die Islamistin keinesfalls untätig. Karolina R. hielt weiter per Skype und Chat Kontakt zu ihrem Ehemann. Das Bundeskriminalamt (BKA) überwachte die Telefone und Online-Kommunikation des Paares.

Fared S. bat seine Frau, ihm Kameras zu besorgen, die für Propagandavideos benötigt wurden. Anfang Oktober 2013 schickte R. ein Paket an einen Mittelsmann in der Türkei, der es schließlich S. aushändigte. Darin befand sich laut Staatsanwaltschaft Kameratechnik im Wert von rund 1.100 Euro. Am 18. Oktober 2013 reiste Karolina R. erneut über die Türkei nach Syrien. Im Gepäck hatte sie drei weitere Kameras und ingesamt 5.150 Euro in bar.

Während Karolina R. zu Hause in Bonn verweilte, kämpfte ihr Mann Fared S. auf Seiten des IS im Norden Syriens. Und geriet wohl Anfang 2014 mit mindestens fünf anderen Islamisten aus Deutschland in Gefangenschaft der syrischen Rebellengruppe „Freie Syrische Armee“ (FSA). Nur durch einen Gefangenenaustausch kam S. schließlich im Februar 2014 frei. Allerdings war der Extremist nun mittellos. Die „Feinde Allahs“, wie er schimpfte, hatten ihm alles abgenommen – Geld, Ausrüstung, Handys, Waffen. Er bat daraufhin seine Frau erneut um Hilfe.

Unter Gleichgesinnten – „Glaubensbrüdern und -schwestern“, wie es in der Anklage heißt – aber auch in der eigenen Familie, sammelte Karolina R. offenbar Spendengelder. Über den Finanzdienstleister Western Union ließ sie das Geld einer Kontaktperson im türkisch-syrischen Grenzgebiet zukommen, wo es ihr Ehemann Fared S. entgegen nahm.

Laut Anklageschrift soll R. am 4. Februar 2014 die Summe von 1. 000 Euro überwiesen haben, zwei Woche später übergab sie einer Freundin 1. 597, 30 Euro, die diese auf ihre Bitte hin transferierte. Der ebenfalls in Düsseldorf angeklagte Ahmed-Sadiq M. soll am 6. und am 19. Februar 2014 jeweils 1.000 Euro und 1.200 Euro in die Türkei überwiesen haben. Mit Hilfe von Karolina R..

Das Geld, da sind sich die Ermittler sicher, soll Fared S. verwendet haben, um Waffen und Munition gekauft haben, darunter Granaten. Deutsches Geld für den syrischen Dschihad.. Die Kämpfer des IS töten eben „alle, die getötet werden müssen (…) Sie ziehen es wenigstens durch“, schrieb Karolina R. in einem Online-Chat, den die Ermittler mitlasen.

Was das genau bedeutet, lässt sich an den Videos und Fotos ablesen, die Fared S. dutzendfach im Internet veröffentlicht hat. Über diverse sozialen Netzwerke, darunter auch Twitter, verbreitete der deutsche Dschihadist zahllose Aufnahmen direkt vom Schlachtfeld oder vom Alltag der IS-Terroristen. Er posiert auf Fotos grinsend neben enthaupteten Männern, deren Köpfe auf einen Zaun gespießt sind. „Ein bisschen abhängen hier in Raqqa“, schrieb S. unter ein Bild.

Ein Handyvideo, aufgenommen in der Region Homs, zeigt Fared S. neben einem Berg von Leichen. Die Aufnahme entstand wohl kurz nach einem Angriff des IS auf das Al-Shaar Gasfeld, bei dem mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen sein sollen. Fared S. frohlockt angesichts der etlichen Toten: „Wir haben gekämpft. Und Allah hat uns den Sieg gewährt (…) Und wie ihr sehen könnt, haben wir diese Tiere geschlachtet.“

Die schrecklichen Bilder vom syrischen Schlachtfeld scheinen Karolina R. keineswegs abgeschreckt zu haben. Wie es aus Ermittlerkreisen heißt, soll die junge Mutter im Frühjahr 2014 geplant haben, erneut zu ihrem Mann nach Syrien zu reisen. Dieser soll ihr davon abgeraten haben. Die Situation sei zu gefährlich. Ob sie wenigstens erfahren würde, wenn er im Kampf falle, wollte R. von ihrem Ehemann wissen. „Mach dir keine Sorgen“, beruhigte sie Fared S., „Du wirst die Teile meines Körpers schon im Internet sehen.“

Im März 2014 bekamen die Ermittler mit, dass Karolina R. im Internet nach Flügen in die südtürkische Metropole Gaziantep suchte. Sie entschieden sich für den Zugriff. Polizisten stürmten am Morgen des 30. März 2014 die Wohnung der mutmaßlichen Terrorhelferin in Bonn und nahmen Karolina R. fest.

Schon kurze Zeit später starteten Islamisten im Internet eine Kampagne zur Unterstützung der Konvertitin. „Umm Luqmaan“, wie sie die 25-jährige Bonner nennen, brauche die Hilfe ihre Geschwister. Vor Gericht will Karolina R. schweigen. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft.

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Lesen Sie hier:

Dschihad-Rückkehrer Teil 1 – „Du Blödmann!“

Dschihad-Rückkehrer Teil 2 – Auf Shoppingtour

Dschihad-Rückkehrer Teil 3 – „Etwas erledigen“

Dschihad-Rückkehrer Teil 4 – Kämpfer im Sturm

„Jetzt kann die Reise starten“

von Florian Flade

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Das Foto zeigt einen jungen Mann mit dickem, lockigen Haar. Er trägt ein T-Shirt und eine helle Hose. Auf seiner Schulter lastet eine RPG-Panzerfaust. Den Zeigefinger der linken Hand streckt er nach oben. Die Geste, die den Glauben an den einen, einzig wahren Gott, verdeutlichen soll. „Sooo jetzt kann die Reise starten“, schrieb der Islamist noch in der vergangenen Woche auf Facebook. Vor wenigen Tagen verschwand dort sein Profil.

Die Reise führte den Mann, der sich „Abu Taymiyyah al-Almani“ nannte, offenbar in den Tod. Er sprengte sich wohl als Selbstmordattentäter im Irak in die Luft. Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) verkündeten am Samstag im Internet die Bluttat des Gotteskriegers aus Deutschland.

„Der Bruder Abu Taymiyyah al-Almani hat mit einer Autobombe (Geländewagen) mit mehr als einer Tonne Sprengstoff einen Panzer angegriffen“, erklärte ein offenbar dem IS angehöriger Islamist im Internet. Bis zu 15 irakische Sicherheitskräfte sollen bei dem Anschlag in der nordirakischen Stadt Baiji getötet worden sein.

Bei dem Attentäter handelt es sich nach meinen Informationen um einen irakisch-stämmigen Islamisten aus Nordrhein-Westfalen, der wohl schon im vergangenen Jahr in Richtung Syrien ausgereist war und sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen hatte. Der Islamist soll sich zuletzt in der vom IS kontrollierten Stadt Mossul im Nord-Irak aufgehalten haben.

Die südlich von Mossul gelegene Stadt Baiji ist seit mehreren Tagen heftig umkämpft. Irakische Regierungstruppen starteten mit der Unterstützung durch die US-Luftwaffe eine Offensive gegen die Terroristen des IS. Nach Angaben des irakischen Militärs zogen sich die IS-Terroristen am Samstag aus dem Stadtzentrum zurück.

Baiji ist damit die erste irakische Großstadt die durch Regierungstruppen zurückerobert werden konnte. Die Dschihadisten des IS hatten Baiji im Juni weitestgehend eingenommen und kontrollierten auch die wichtigen Öl-Raffinerien der Stadt.

Nach Angaben deutscher Sicherheitsbehörden sollen sich mehr als 450 Islamisten aus Deutschland inzwischen dem „Islamischen Staat“ angeschlossen haben. Mehr als 30 Extremisten sollen bislang getötet worden sein. Zudem gehen Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt davon aus, dass bereits rund zehn deutsche Dschihadisten im Irak und Syrien Selbstmordattentate verübt haben.

Unter den Suizidattentätern waren der Berufsschüler Philipp B. aus Dinslaken, der Solinger Konvertit Robert B. und der Student Rachid B. aus Frankfurt am Main.

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Dieser Artikel erschien zuerst am 15. November 2014 auf WELT Online.

http://www.welt.de/politik/ausland/article134379541/Islamist-aus-NRW-veruebt-Selbstmordanschlag.html