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Tod in Lamitan: Deutscher Selbstmordattentäter in den Philippinen

Ein Islamist aus Deutschland soll einen Selbstmordanschlag in den Philippinen verübt und zehn Menschen getötet haben. Zuvor verfasste er ein außergewöhnliches Dokument und versuchte offenbar weitere Dschihadisten in das südostasiatische Land zu locken. Eine Spurensuche.

Von Florian Flade

Kennen Sie den Film „The Beach“? Leonardo DiCaprio spielt darin den jungen Rucksacktouristen „Richard“, der auf eine mysteriöse Insel in Thailand reist. An einen geheimen, paradiesischen Ort, an dem Aussteiger aus der ganzen Welt eine vermeintlich perfekte Kommune errichtet haben. Von der Insel hört „Richard“ das erste Mal in einem heruntergekommenen Hostel in Bangkok. Ein von Drogen gezeichneter Zimmernachbar erzählt ihm davon bevor er Selbstmord besteht. Er hinterlässt eine selbstgemalte Karte mit einer Wegbeschreibung zu der sagenumwobenen Insel.

Der nachfolgende Fall erinnert stellenweise an „The Beach“. Es geht auch um einen geheimnisvollen Ort auf einer Insel in Südostasien. Ein junger Mann aus Deutschland hat eine Reiseanleitung verfasst, wie man dorthin gelangt. Und so machen sich weitere Personen auf den Weg. Allerdings geht es dabei nicht um eine Hippie-Community, sondern um einen Krieg. Um den bewaffneten Kampf radikalislamischer Terroristen im südostasiatischen Dschungel. Und es ist auch kein Hollywood-Film, sondern blutige Realität.

Die Geschichte beginnt am späten Abend des 23. April 2018. Die zwei jungen Männer, die den Terminal 1 des Kölner Flughafens betreten, sehen aus wie Backpacker. Jeder trägt einen Rucksack und eine schwarze Reisetasche. Sie sind mit dem Zug aus Hessen gekommen. Am Morgen erst haben sie ihre Flüge gebucht, von Köln soll es nach Bangkok in Thailand gehen, und dann weiter nach Manila, in die Philippinen. Pro Ticket zahlen sie 533 Euro.

Bevor es an den Flughafen geht, buchen die beiden Männer in einem Kölner Reisebüro noch Rückflugtickets. Sie zahlen in bar. Da sie für die Philippinen kein Visum besitzen, wollen sie eine geplante Ausreise vortäuschen. Aber eigentlich wollen sie gar nicht mehr zurückkommen. Das Duo will keinen Urlaub in Südostasien machen, keine Partys an thailändischen Stränden, kein Schnorcheln am Korallenriff. 

Die beiden Reisenden sind Islamisten. Sie kennen sich aus der Moschee und vom Fußball. In den vergangenen Jahren haben sie sich zunehmend radikalisiert. Einer hat an der salafistischen Koran-Verteilakion „Lies!“ teilgenommen, die Behörden kennen ihn, zwei Mal wurde seine Wohnung schon durchsucht. Jetzt will er sich mit seinem Freund der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) anschließen – und zwar nicht in Syrien oder dem Irak, sondern in den Philippinen.

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Deutscher Konvertit stirbt bei Drohnenangriff

von Florian Flade

In Pakistan ist offenbar der erste deutsche Islam-Konvertit von einer US-Drohne getötet worden. Patrick K. aus Offenbach galt als islamistischer Gefährder. Dennoch ließen ihn deutsche Sicherheitsbehörden ins Terrorcamp ausreisen.

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I im Oktober 2011 laufen in Bonn die Vorbereitungen auf das „Deutschlandfest“ zum 21.Jahrestag der Wiedervereinigung der Bundesrepublik. Neben zehntausenden Besuchern wurden auch hochrangige Gäste erwartet, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige Bundespräsident Christian Wulff.

In deutschen Sicherheitskreisen herrschte im Vorfeld der Veranstaltung höchste Alarmstufe. Es gab Hinweise, wonach militante Islamisten einen Anschlag auf die Feierlichkeiten in Bonn planen könnten. Mehrere Männer, die der radikalislamischen Szene angehören, standen im Verdacht, sich Schusswaffen besorgt zu haben und eine „schwere staatsgefährdende Tat“ zu planen. Das Bundeskriminalamtes (BKA) nahm die Extremisten daher ins Visier.

Als das Risiko zu hoch erscheint, erfolgte der Zugriff. In Nordrhein-Westfalen wurden drei Islamisten festgenommen, in Hessen ein Verdächtiger, der damals 25-jährige Patrick K. aus Offenbach. Es wurden Wohnungen durchsucht und die Verdächtigen befragt. Ohne Ergebnis. Stunden später waren die Festgenommenen wieder auf freiem Fuß.

Patrick K. hatte wohl kein Attentat geplant. Sein Plan war ein anderer. Der Islamist, der im Dezember 2001, im Alter von nur 14 Jahren, zum Islam konvertiert sein soll, wollte Deutschland verlassen. In Pakistan, der Heimat seiner Ehefrau, wollte K. samt der gemeinsamen Tochter ein neues Leben beginnen. Trotz Beobachtung durch den Verfassungsschutz gelang es dem Konvertiten tatsächlich nur wenige Tage nach seiner Verhaftung im Oktober 2011 per Flugzeug in das pakistanische Peschawar zu reisen.

Eine Kontaktperson vor Ort brachte den Deutschen mit seiner Familie in das Stammesgebiet Waziristan. Dort schloss sich Patrick K. der islamistischen Terrorgruppe „Islamische Bewegung Usbekistan“ (IBU) an.

In einem Propagandavideo, dass die deutschen Islamisten Mounir und Yassin Chouka vor kurzem im Internet veröffentlichten, ist Patrick K. zu sehen. Schüchtern erklärt er vor der Kamera, dass er nun ein militärisches Training absolvieren werde.

Welche Botschaft er an seine Glaubensbrüder in Deutschland habe, fragt ihn der Dschihadist Mounir Chouka. „Folgt mir! Folgt allen Geschwistern hier her zu kommen“, so Patrick K.. Nach Angaben deutscher Dschihadisten soll sich der Offenbacher Islamist allerdings nie an Kampfhandlungen in Waziristan beteiligt haben.

Dennoch ereilte ihn nur wenige Wochen nach seiner Ankunft in Pakistan das Schicksal vieler Dschihadisten. Am 16.Februar 2012 soll eine amerikanische Kampfdrohne mehrere Raketen auf ein Auto abgefeuert haben, in dem auch Patrick K. aus Deutschland saß. Gemeinsam mit anderen getöteten Islamisten soll er irgendwo in Wazrisitan begraben worden sein.

Er ist das fünfte deutsche Drohnenopfer, und der erste auf diese Weise getötete Konvertit. Zuvor starben bereits der Deutsch-Iraner Shahab D. aus Hamburg, der Wuppertaler Deutsch-Türke Bünyamin E., der Aachener Deutsch-Tunesier Samir H. und der Deutsch-Marokkaner Ahmad B. aus dem nordrhein-westfälischen Setterich.

16-jähriger Deutsch-Türke aus Hessen stirbt in Syrien

von Florian Flade

In Syrien ist offenbar ein junger Mann aus Frankfurt getötet worden. Er wurde gerade einmal 16 Jahre alt. Hessens Innenminister fordert bundesweites Präventionsprogramm gegen den Islamismus.

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Die islamistische Szene in Deutschland kennt derzeit nur ein Thema: Syrien. Wie kaum eine andere Region zieht das Bürgerkriegsland am Mittelmeer derzeit radikale Islamisten aus aller Welt magnetisch an. Bis zu eintausend Dschihadisten aus Europa sollen inzwischen auf Seiten der Rebellengruppen gegen das Assad-Regime kämpfen. Unter ihnen mehr als 200 Islamisten aus Deutschland.

Die Sicherheitsbehörden sind aufgrund dieser Entwicklung seit Monaten alarmiert. Woche für Woche reisen junge Muslime aus Deutschland nach Syrien. Die meisten von ihnen sind deutsche Staatsbürger, einige sogar noch minderjährig. So wie „Enes“.

Der 16-jährige Deutsch-Türke aus Frankfurt am Main ist wohl erst vor wenigen Wochen in Syrien angekommen. Und ist jetzt bereits tot. Im Internet feiern ihn seine Glaubensbrüder als „Märtyrer“.

„Enes erreichte Aleppo erst vor drei Tagen und ist schon ein Shahid (Märtyrer)“, heißt es in einem Internet-Eintrag zum Tod des Frankfurters. Fotoaufnahmen, die der „Welt“ vorliegen, zeigen den Leichnam des jungen Mannes und blutverschmierte Kleidung. Und dann gibt es da noch eine Fotocollage, die offenbar Kampfgefährten des Getöteten ins Internet gestellt haben. Darauf zu sehen: ein junger Mann mit Kalaschnikow-Sturmgewehr in der Hand.

Deutsche Sicherheitsbehörden prüfen die Echtheit der Todesmeldung und der Fotoaufnahmen. Sie gehen Hinweisen nach, dass es sich bei dem Getöteten um Enes Ü. handeln könnte, einen von mehreren minderjährigen Islamisten, die aus Hessen ausgereist sind. Bestätigt ist dies aber bislang nicht.

Während einige Islamisten im Internet den Märtyrertod des Jungen aus Deutschland feiern, äußern einige auch Kritik. „Ein 16 jähriger hat nichts in Syrien verloren“, heißt es in einem Interneteintrag zum Tod von „Enes“. „Guckt mal wie es den Jungen seinen Eltern geht.“

Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) hatte auf der Innenministerkonferenz (IMK) am 5.Dezember ein bundesweites Frühwarnsystem gefordert, um zu verhindern, dass sich junge Muslime weiter radikalisieren und womöglich noch mehr Minderjährige nach Syrien ausreisen.

Eine Studie im Auftrag des hessischen Innenministeriums kam zu dem Ergebnis, dass sich unter den 23 Fällen von hessischen Islamisten, die in den syrischen Dschihad gezogen waren, auch neun Schüler befanden. Die islamistischen Rekrutierungsbemühungen zielten zunehmend auf Minderjährige, so Rhein. Daher sei es notwendig die Präventionsarbeit zu verstärken und bundesweit zu vernetzen.

„Die Anwerbung von Schülern durch radikale Salafisten macht nicht an den hessischen Landesgrenzen halt“, sagte Rhein im Vorfeld der Innenministerkonferenz. „Ein solches bundesweites Präventionsnetzwerk sollte einerseits zu einer verbesserten Beratung von Angehörigen, Lehrern, Freunden oder Arbeitgebern führen.“ Andererseits solle das Netzwerk auch zu einer verbesserten Intervention, beispielsweise bei kampferprobten Syrien-Rückkehrern, beitragen.

Für Enes Ü. auf Frankfurt kommt dieses Projekt wohl zu spät.