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Belgiens Deal mit den Mullahs

Die belgische Regierung will ein Abkommen mit dem Iran schließen, wonach künftig Häftlinge ausgetauscht werden können. Mit dem umstrittenen Deal will Brüssel einen Staatsbürger aus der Gefangenschaft der Mullahs retten. Allerdings würde dadurch wohl auch ein verurteilter Terrorist freikommen.

Von Florian Flade

Der iranische Agent Assadollah A. im Kölner Zoo, aufgenommen von einer Überwachungskamera, Sommer 2018

Belgiens Justizminister kann in dem Vorhaben keinen Skandal erkennen. „Es ist unsere moralische Pflicht, unschuldige Landsleute, die im Ausland festgehalten werden, zu befreien“, sagte Vincent Van Quickenborne in der vergangenen Woche im belgischen Parlament in Brüssel. „Andere Staaten tauschen auch Häftlinge mit dem Iran aus. Der Unterschied ist, dass die das heimlich machen. Wir wollen es vertraglich regeln (…) Ich sage das nicht einfach so. Hier geht es um Menschenleben!“

Die belgische Regierung hat den Abgeordneten kürzlich einen Vorschlag für ein geplantes Abkommen vorgelegt, das einige Brisanz birgt und für großen Unmut sorgt. Vor allem unter iranischen Oppositionellen. Es geht um eine Gesetzesänderung, die den Austausch von Häftlingen zwischen Belgien und Iran möglich machen soll. In der Vorlage für das Parlament, die bereits im März erarbeitet wurde, heißt es, es gehe um die „Überstellung verurteilter Personen“. Demnach sollen in Belgien verurteilte Straftäter künftig einen Teil ihrer Haftstrafe künftig in iranischen Gefängnissen absitzen können.

Die Kritiker sehen in dem Abkommen nichts geringeres als den Versuch einer Erpressung durch die Mullahs in Teheran. Iran versuche auf diese Weise in Europa verurteilte Terroristen freizubekommen, so der Vorwurf. Der geplante Deal gleiche einer Erpressung. Und tatsächlich scheint die aktuelle Initiative der belgischen Regierung einen ganz konkreten Anlass zu haben.

Erst vor kurzem wurde bekannt, dass im Februar ein Belgier in Iran wegen Spionagevorwürfen festgenommen wurde. Es handelt sich um Olivier Vandecasteele, einen 41 Jahre alten Entwicklungshelfer, der für die Organisation Norwegian Refugee Council (NRC) tätig war. Vandecasteele hatte zuvor in Afghanistan und auch fünf Jahre lang im Iran gelebt und gearbeitet. Er soll im Februar nach Teheran gereist sein, um seine dortige Wohnung aufzulösen.

Der Belgier wurde offenbar von Irans Revolutionsgarden festgenommen, die ihn der Spionage verdächtigen. Er kam in das berüchtigte Teheraner Gefängnis Evin, wo er zwei Mal konsularischen Besuch vom belgischen Botschafter bekommen hat. Zuletzt soll sich der Gesundheitszustand von Vandecasteele verschlechtert haben.

Die belgische Regierung bemüht sich nun seit Wochen um eine Freilassung des Entwicklungshelfers. Als eine mögliche Option gilt ein Gefangenenaustausch, denn in Belgien sitzt eine Person im Gefängnis, an deren Freilassung Teheran offensichtlich großes Interesse hat.

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Ukraine-Kämpfer: Gegen Russland, und gegen das Gesetz?

Zahlreiche Ausländer zieht es in die Ukraine, um gegen die russische Invasion zu kämpfen. Einige der Freiwilligen kommen aus Deutschland. Wie blickt die deutsche Justiz auf diese Kämpfer?

Von Florian Flade

Freiwilligen-Einheit in der Ukraine

Der ukrainische Präsident hat sie gerufen. Und sie sind gekommen. „Jeder Freund der Ukraine, der sich der Ukraine bei der Verteidigung des Landes anschließen möchte, kommen Sie bitte vorbei, wir geben Ihnen Waffen!“, erklärte Wolodymyr Selenskyj. „Dies wird der wichtigste Beweis für Ihre Unterstützung für unser Land sein.“

Kurz nach dem Einmarsch von Moskaus Truppen hatte das ukrainische Verteidigungsministerium eine eigene Fremdenlegion ins Leben gerufen, die „Internationale Legion der Territorialverteidigung der Ukraine“. Sie ist den Kampfverbänden der Territorialverteidigung unterstellt und bildet die freiwilligen Kämpfer im Schnelldurchlauf militärisch aus.

Jeder, der sich der Fremdenlegion anschließen wolle, könne sich bei der ukrainischen Botschaft in seinem Heimatland melden, so der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter, „Gemeinsam haben wir Hitler besiegt, und wir werden auch Putin besiegen.“

Dem Aufruf sollen inzwischen tausende Freiwillige aus aller Welt, darunter zahlreiche ehemalige Soldaten, gefolgt sein. Sie reisten in den vergangenen Wochen in die Ukraine, um dort gegen die russischen Invasoren zu kämpfen. Unter ihnen sind teils kriegserfahrene Veteranen aus den USA, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden, Frankreich, und auch Deutschland.

Und damit kommt nun die Frage auf: Dürfen sich Deutsche überhaupt dem Kriegsgeschehen in der Ukraine beteiligen? Wie ist eigentlich die Rechtslage?

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Terrormiliz IS: Kann Wohnen ein Kriegsverbrechen sein?

Ein Spielplatz mit Schaukeln und Rutschen. Lachende Kinder toben umher. Auf den Märkten türmen sich Früchte, Brot und Fleisch. Das blühende Leben, es mangelt an nichts. Über der Stadt weht die schwarze Flagge. So stellte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) das Leben in den von ihr besetzten Gebieten in Syrien und dem Irak in zahlreichen Propagandavideos dar. Idyllischer Alltag im IS-Kalifat, ganz normales Leben abseits vom blutigen Kriegsgeschehen.

Solche Bilder zogen Islamisten aus der ganzen Welt an, darunter auch hunderte Extremisten aus Deutschland. Sie siedelten in den IS-Gebiete, wanderten aus, viele bekamen Häuser und Wohnungen zugewiesen – einige sogar prachtvolle Villen und Gehöfte. Die ursprünglichen Bewohner waren in der Regel vertrieben oder getötet worden. Für die Dschihadisten waren die Gebäude damit „ghanima“ – Kriegsbeute.

Bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe beschäftigt man sich bereits seit mehreren Jahren mit den diversen Verbrechen der Terrormiliz IS. Es gibt hunderte Verfahren gegen Dschihadisten, deren Helfer und Unterstützer. Meist geht es dabei um den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Aber auch um Strafen nach dem Völkerstrafrecht.

Die Juristen der Bundesanwaltschaft sind mittlerweile zur Überzeugung gelangt, dass nicht nur Gräueltaten wie Enthauptungen, Folter, das Schänden von Leichen oder die Versklavung von jesidischen Frauen zu ahnden sind. Schon die Wohnsituation vieler Dschihadisten in Syrien und dem Irak, so die Auffassung der Strafverfolger, könnte Kriegsverbrechen darstellen.

Schließlich hätten viele IS-Kämpfer und deren Frauen in Häusern gelebt, die durch Plünderungen erbeutet worden waren. Und Plünderungen sind gemäß § 9 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) eine schwere Straftat, die mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft werden kann.

„Wer im Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt plündert oder, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten ist, sonst in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterliegen, zerstört, sich aneignet oder beschlagnahmt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.“ – § 9 Völkerstrafgesetzbuch (VStGB)

Kann demnach schon „Wohnen“ ein Kriegsverbrechen sein?

Die Bundesanwaltschaft sieht das so, und verweist in ihrer Argumentation auf die Urteile amerikanischer Militärstrafgerichtshöfe nach dem Zweiten Weltkrieg. Etwa gegen die Industriellen Friedrich Flick und Alfred Krupp zu Bohlen und Halbach, die in den von den Nazis besetzten Gebieten Fabriken betrieben hatten.

Flick war am 22. Dezember 1947 im fünften Nürnberger Prozess zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht, bestehend aus vier amerikanischen Richtern, sah es als erwiesen an, dass der Konzernchef von den Plünderungen und Enteignungen („Arisierungen“) durch die Wehrmacht profitiert hatte. Der Chefankläger nannte die Schwerindustrie das „Herz und Kernstück von Deutschlands Macht“.

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach wiederum wurde im Juli 1948 im sogenannten „Krupp-Prozess“ zu zwölf Jahren Gefängnis und der Einziehung seines gesamten Vermögens verurteilt. Einer der Anklagepunkte lautete: Plünderung. Die Firma Krupp hatte erheblich vom Angriffskrieg der Wehrmacht und der SS sowie Enteignungen profitiert, in den Produktionsanlagen des Unternehmens waren zudem tausende Zwangsarbeiter, darunter KZ-Häftlinge beschäftigt gewesen.

Für die Ankläger in Karlsruhe sind diese Verbrechen juristisch offenbar vergleichbar mit der Situation in den IS-Gebieten in Syrien und dem Irak. Auch dort fanden Raubzüge statt, bei denen Städte erobert und die Bevölkerung vertrieben, teilweise ermordet oder versklavt wurde. Die Terroristen übernahmen in Städten wie Raqqa, Aleppo, Manbij, Deir ez-Zour, Mossul, Tal Afar, Haditha oder Ramadi nicht nur Verwaltungsgebäude und militärische Einrichtungen, sondern auch Firmen und ganze Öl-Förderanlagen. Die Kämpfer und ihre Familien wiederum wurden nicht selten in Häusern untergebracht, aus denen zuvor Zivilisten geflogen waren oder vertrieben wurden.

Die Ermittlungsrichter sind der Argumentation der Bundesanwaltschaft bereits in einigen Fällen gefolgt: Fünf Haftbefehle wurden inzwischen gegen IS-Dschihadisten erlassen, die in besetzten Häusern gewohnt haben sollen. Ob es auch zu Anklagen oder gar Urteilen kommen wird, muss sich allerdings erst noch zeigen.

Präzedenzfall könnte das Verfahren gegen die 46-jährige Deutsche Mine K. werden, die im Oktober 2018 am Flughafen Düsseldorf festgenommen worden war. Sie soll im Frühjahr 2015 nach Syrien gereist sein und soll sich dort der Terrormiliz IS angeschlossen haben. Die Islamistin soll dann einige Zeit lang in Mossul gelebt haben, bevor sie mit ihrem Ehemann, einem IS-Kämpfer, in die irakische Stadt Tal Afar zog.

„Dieses Gebiet war bereits im Juni 2014 durch Kämpfer des IS erobert und besetzt worden. Im Zuge dessen hatte der IS Wohnhäuser unter seine Verwaltung gestellt, nachdem die rechtmäßigen Bewohner durch den IS vertrieben oder vor ihm geflohen waren“, heißt es in einer Mitteilung des Generalbundesanwalts. „Eines dieser Häuser wies der IS der Familie der Beschuldigten zu. Diese zog dort bereitwillig ein, um so den Gebietsanspruch der Vereinigung zu festigen und eine Rückeroberung durch gegnerische Militärverbände zu erschweren.“

Über eine Anklage gegen Mine K. muss nun der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs entscheiden.