von Florian Flade
Das Foto des IS aus Mossul soll Reda Seyam zeigen (rechts auf dem Podium)
Der ideale Staat, so hatte Reda Seyam einmal in einem TV-Interview gesagt, sei für ihn das Afghanistan unter der Herrschaft der Taliban. Steinigung von Ehebrechern, Enthauptung von Andersgläubigen, öffentlichte Auspeitschung von all jenen, die das Gebet versäumt haben. Der 54-jährige Deutsch-Ägypter machte nie einen Hehl aus seiner fundamentalistischen Überzeugung. Einen seiner Söhne nannte er „Djehad“.
Es war wenig überraschend, dass Seyam, der zuletzt mit seiner zweiten Frau und den sieben Kindern in Berlin-Charlottenburg gelebt hatte, dem Aufruf gefolgt war, in den „Heiligen Krieg“ nach Syrien zu ziehen. Über Ägypten reiste der Extremist wohl schon vor zwei Jahren in die türkisch-syrische Grenzregion. In der Stadt Reyhanli soll der bärtige Islamist europäische Dschihadisten empfangen und anschließend weiter über die Grenze nach Syrien vermittelt haben.
Jetzt soll Reda Seyam tot sein. Irakische Medien melden, der Deutsch-Ägypter sei Anfang Dezember nahe der nordirakischen Stadt Mossul getötet worden. Eine Rakete eines Kampfflugzeuges der Anti-IS-Koalition habe ein Fahrzeug getroffen, in dem sich Seyam und der Leiter der Universität Mossul befunden haben.
Bis zu seinem Tod soll er eine wichtige Position innerhalb der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) inne gehabt haben – als Bildungsminister von Mossul. Nach der Einnahme der Stadt durch die Dschihadisten soll Reda Seyam im Juli das „Ministerium für Bildung“ in der Provinz Nineveh übernommen haben. Zudem habe er zum Leitungsstab der Universität von Mossul gehört.
Bekannt war Seyam offenbar unter dem Namen Dhul al-Qarnain. Der Islamist aus Berlin soll diverse Änderungen im Bildungssystem von Iraks zweitgrößter Stadt unternommen haben, darunter die Abschaffung bestimmter Fakultäten, die Geschlechtertrennung, die Vorschrift für alle Mädchen ab dem Grundschulalter den Gesichtsschleier Niqab zu tragen sowie die Pflicht, dass jeder Student dem IS als Kämpfer zu Verfügung stehen muss. Außerdem sollen zahlreiche Studentinnen auf Anweisung von Seyam unfreiwillig mit IS-Dschihadisten verheiratet worden sein.
Deutsche Sicherheitsbehörden konnten den Tod von Seyam bislang nicht zweifelsfrei bestätigen. Es sei jedoch bekannt, dass sich der Extremist in den vergangenen Monaten dem „Islamischen Staat“ angeschlossen hatte und dort logistische Aufgaben übernommen hat.
Zuvor war Seyam, der schon in den 1990er Jahren auf dem Balkan und später in Indonesien islamistische Propagandavideos gedreht hatte, auch als freier Kamerakmann in Syrien tätig – unter anderem für den arabischen TV-Sender Al-Jazeera. Seine Kontakte zu islamistischen Terroristen verschafften ihm wohl exklusive Zugänge.
Bekannt wurde Reda Seyam kurz nach den Terroranschlägen von Al-Qaida auf einen Nachtclub in Bali im Oktober 2002. Damals verhafteten indonesische Behörden den Deutsch-Ägypten unter dem Verdacht das Attentat möglicherweise finanziert zu haben. Die Bundesregierung entschied damals, Seyam von Beamten des Bundeskriminalamtes (BKA) nach Deutschland zu bringen. Befürchtet wurde offenbar, der US-Geheimdienst CIA könnte Seyam aufgrund seiner Verbindungen zu Terrorgruppen entführen.
In Deutschland kam es nie zu einer Anklage gegen den bekennenden Islamisten. Er lebte zunächst in Neu-Ulm, zog später nach Berlin. Dort leitete er jahrelang eine salafistische Moschee-Gemeinde im Stadtteil Wedding, bevor er schließlich nach Ägypten auswanderte. Seyams erste Frau lebt heute in einem Zeugenschutzprogramm. Sie hatte gegenüber deutschen Behörden gegen ihren Mann ausgesagt und von dessen Kontakten zu radikalen Terroristen auf dem Balkan, in Saudi-Arabien und Südostasien berichtet.
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