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Die Architektur des Misstrauens

von Dirk Banse, Florian Flade und Martin Lutz

Die Spionageabwehr ist machtlos. Sie kann das Abhören des Regierungsviertels aus Botschaften heraus nicht verhindern. Warnungen an die Politiker gab es viele, aber sie blieben ungehört

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Britische Botschaft in Berlin – Quelle: GoogleMaps

Es war eine Bitte, die man eigentlich nicht abschlagen konnte. Schon gar nicht unter Freunden. Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), schickte am vergangenen Dienstag eine ungewöhnliche Anfrage über den Atlantik. Der Empfänger: die National Security Agency (NSA), jener amerikanische Geheimdienst also, der seit Monaten wegen seiner globalen Ausspähpraktiken in der Kritik steht. Maaßen hatte ein dringendes Anliegen: Er wollte die Räume der US-Botschaft in Berlin von Verfassungsschützern inspizieren lassen.

Die Antwort auf die vertrauliche Anfrage kam nicht postwendend, sondern noch schneller. Und zwar öffentlich, aus dem Mund des US-Botschafters in Berlin. Auf die Frage eines Journalisten, ob deutsche Ermittler die Botschaft auf Spionage-Technik kontrollieren dürften, sagte John Emerson am Donnerstag knapp: „Nein“.

Die Reaktion zeigt einmal mehr die Machtlosigkeit des deutschen Verfassungsschutzes, der unter anderem für die Spionageabwehr zuständig ist. Aus ihrer Botschaft am Brandenburger Tor sollen die Amerikaner jahrelang das Mobiltelefon der Kanzlerin abgehört haben. Spionage im Herzen der deutschen Politik – mitten im Freundesland, unter den Augen des Verfassungsschutzes.

Entsprechend laut wird nun die Kritik am Inlandsnachrichtendienst. Warum konnte er nicht verhindern, dass Angela Merkels Handy ausgespäht wird? Wer schützt den Regierungsapparat vor solchen Aktionen? Weshalb können ausländische Geheimdienste nahezu ungehindert aus Botschaften heraus spionieren?

Erstmals äußert sich jetzt der Chef der Spionageabwehr öffentlich. Er stellt sich vor seine Mitarbeiter. „Das Abhören aus den Botschaften und anderen Gebäuden heraus kann die Spionageabwehr nicht verhindern“, sagt Burkhard Even. Der langjährige Abteilungsleiter im Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz begründet das so: „Inwieweit und zu welchem Zweck vorhandene Technik in den Botschaftsgebäuden tatsächlich genutzt wird, ist praktisch nicht feststellbar.“ Die ausländischen Geheimdienste haben in den vergangenen Jahren technisch stark aufgerüstet. In den Botschaften werden die Abhöranlagen so getarnt, dass sie von außen nicht erkennbar sind. Der Verfassungsschutz lässt zwar regelmäßig Luftbilder erstellen, aber auch darauf sind bestenfalls Dachaufbauten zu sehen.

„Bei den neueren Botschaftsgebäuden sind die technischen Anlagen bereits in die Architektur integriert“, sagte ein Verfassungsschützer. Man könne lediglich mutmaßen, was sich hinter den Fassaden verberge. Bleibt nur die Möglichkeit, Botschaftspersonal anzuwerben. Doch das ist für den deutschen Geheimdienst bei Verbündeten bislang tabu.

Umgekehrt scheint das hingegen nicht zu gelten. Die deutschen Sicherheitsbehörden vermuten, dass auch die Briten und Franzosen in der Bundesrepublik spionieren. Laut Spionageabwehr dienen viele Botschaften am Sitz der Regierung als Abhörstationen. „Berlin ist die europäische Hauptstadt der Agenten“, sagte Verfassungsschutzpräsident Maaßen. Nach seiner Einschätzung gibt es in kaum einer anderen Stadt mehr Spione.

Deshalb ist vor zwei Monaten im Verfassungsschutz die Gruppe „Sonderauswertung Technische Aufklärung durch US-amerikanische, britische und französische Nachrichtendienste“ gegründet worden. Sie soll zumindest prüfen, was die Bündnispartner treiben und ob auch deren Vertretungen Lauschangriffe starten. Ergebnisse dazu liegen bislang jedoch nicht vor. Auf Anfrage wollten sich weder die amerikanische, britische noch die französische Botschaft zu etwaigen Abhöraktionen äußern.

Besonders aktiv sollen Russland und China sein sowie Iran und Nordkorea. Auch dagegen sind die Sicherheitsbehörden nahezu machtlos. „Die meisten ausländischen Agenten, die in Berlin tätig sind, verfügen über einen Diplomatenstatus. Sie sind für die deutschen Strafverfolgungsbehörden nicht fassbar“, sagte Spionageabwehr-Chef Even. Das nutzen die Geheimdienste aus. So mancher Botschaftsmitarbeiter ist in Wahrheit ein Spion. Der russische Auslandsgeheimdienst SWR spricht in großem Stil Mitarbeiter von Ministerien und Stiftungen sowie Referenten von Abgeordneten an. Das Ziel: Internes aus Politik, Wirtschaft und über die EU und Nato zu sammeln. Die Betroffenen wissen meist nicht, dass ihre Gesprächspartner Spione sind. „Halb offene Beschaffung“ nennt der Verfassungsschutz diese Taktik.

Angesichts der Omnipräsenz von Spitzeln und modernster Abhörtechnik im Regierungsviertel ist es erstaunlich, wie schlecht sich Kanzlerin, Minister und Abgeordnete schützen. Warnungen gab es viele. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wies Politiker schon vor drei Jahren intensiv auf die Abhörgefahr hin. Sie sollten nur speziell gesicherte Handys benutzen. „Andere Smartphones sind für die Regierungskommunikation aus Sicherheitsgründen nicht geeignet und dürfen in den Regierungsnetzen nicht eingesetzt werden“, warnte das BSI die Abgeordneten in einem Schreiben vom 7.Oktober 2010. Die marktüblichen Mobilfunkgeräte seien „in besonderem Maße abhörgefährdet“. Die Technikspezialisten unterrichteten auch die zuständige Kommission des Ältestenrats im Bundestag, das höchste Gremium der Parlamentsverwaltung.

Die Kommission, zuständig für die Informations- und Kommunikationstechniken des Bundestags, wurde sowohl mündlich als auch schriftlich vor den Gefahren beim Gebrauch gewöhnlicher Smartphones gewarnt. BSI-Präsident Michael Hange referierte in der Kommission zu dem geheimen Tagungsordnungspunkt „Sicherheit in der mobilen Datenkommunikation“. Anhand von Folien erläuterte Hange, wie leicht herkömmliche „PDAs und Smartphones“ angegriffen würden. Telefonate würden abgehört, die Identität des Nutzers angenommen, E-Mails und SMS mitgelesen, Netze und Datenbanken abgeschöpft. „Manipulierte Geräte könnten auch als ferngesteuerte Wanze oder zur GPS-Ortung genutzt werden“, warnte Hange. Das BSI machte den Politikern mehr als ein Dutzend konkrete Sicherheitsvorschläge. „Die automatische Rufannahme sollte, wenn immer möglich, abgeschaltet werden, da sie für einen unbemerkten Aufbau einer Lauschverbindung zum Smartphone missbraucht werden könnte“, so das BSI.

Nicht nur das Amt war alarmiert. Die Beauftragte der Regierung für die Informationstechnik, Cornelia Rogall-Grothe, versuchte mehrfach, das Bundeskabinett für die Sicherheitsbelange bei der mobilen Kommunikation zu sensibilisieren. Vergeblich! Das Thema wurde immer wieder von der Themenliste für die Kabinettssitzungen abgesetzt. Rogall-Grothe gelang es innerhalb von drei Jahren nur ein einziges Mal, vor der Runde der Staatssekretäre sämtlicher Ministerien zu referieren – und zwar 2011. Aber auch das nur sehr kurz. „Muss das jetzt sein?“, raunte ihr einer der Anwesenden zu.

Durch den aktuellen NSA-Skandal rund um das Merkel-Handy scheint das Problembewusstsein zu wachsen. So fordert Innenminister Hans-Peter Friedrich eine gesetzliche Regelung, um die Sicherheit der digitalen Netze in Deutschland zu erhöhen. „Die Internetanbieter sollen künftig in einem IT-Sicherheitsgesetz verpflichtet werden, Datenverkehre in Europa ausschließlich über europäische Netze zu leiten“, sagt Friedrich. Jedem Kunden solle eine innereuropäische Lösung angeboten werden. Er will erreichen, dass das IT-Sicherheitsgesetz in den Koalitionsvertrag aufgenommen wird. Am Mittwoch soll dies bereits Thema der Koalitionsverhandlungen sein. Das hilft zwar nicht, die Abhörantennen in den Botschaften lahmzulegen, dürfte es Geheimdiensten aber schwerer machen, Daten abzufangen. Zudem soll die Spionageabwehr, die derzeit etwa 100 Mitarbeiter hat, verstärkt werden.

Was aber nicht heißt, dass die Dienste künftig gegen verbündete Staaten vorgehen. „Wir spähen keine Freunde aus – dieser Satz gilt“, sagt Friedrich. Folglich wird man weiter von Ex-Geheimdienstlern wie Edward Snowden abhängig sein, wenn man mehr über die Aktivitäten von NSA & Co. erfahren will.

In dem Brief, den er dem Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele in Moskau überreichte, bietet Snowden der Regierung an, bei der Aufklärung behilflich zu sein. Er kann sich sogar vorstellen, nach Deutschland zu reisen. Russland hätte keinerlei Einwände gegen seine Ausreise. „Er ist frei, seine Koffer zu packen und hinzufliegen, wohin er will“, sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin.

Wenn Snowden dann zurückkehren wolle, müsse er allerdings erneut Asyl beantragen. Dennoch ist eine Ausreise Snowdens nach Deutschland schwer vorstellbar. Schließlich gibt es einen internationalen Haftbefehl der USA. Der verpflichtet die Bundespolizei, ihn bei einer Einreise festzunehmen.

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Dieser Artikel erschien am 03.November 2013 in der „Welt am Sonntag“

http://www.welt.de/print/wams/politik/article121482717/Architektur-des-Misstrauens.html

Ausgebloggt? – Islamisten-Webseite gelöscht

von Florian Flade

Monatelang verbreiteten deutsche Salafisten aus Ägypten heraus Terror-Propaganda über einen eigenen Webblog. Jetzt wurde die Webseite gelöscht. Auslöser war womöglich eine Morddrohung gegen die Bundeskanzlerin.

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Es scheint die perfekte Symbiose zu sein. Der Österreicher Mohamed Mahmoud ist ein bekennender Islamist. Er predigt den Dschihad gegen die Ungläubigen, preist den Märtyrertod und die Terroristen der Al-Qaida. Miranda K. teilt dieses Gedankengut offenbar. Sie ist eine deutsche Islam-Konvertitin. Und seit dem Frühjahr 2012 auch die islamisch angetraute Ehefrau von Mohamed Mahmoud. Unter dem Namen „Muqatilah“ war Miranda K. lange Zeit als radikalislamische Bloggerin aktiv.

Das Paar lebte zunächst in der gemeinsamen Wohnung im hessischen Ort Erbach. Dann drohte das hessische Innenministerium dem Extremisten Mahmoud mit Abschiebung. Prompt packten Miranda K. und ihr Ehemann, der Prediger und die Bloggerin, die Koffer. Sie verließen Deutschland und begannen im ägyptischen Kairo ein neues Leben. Doch das Predigen und das Bloggen gaben beide nicht auf.

Mahmoud, der als Kopf der in Deutschland verbotenen islamistischen Gruppe „Millatu-Ibrahim“ gilt, verhält sich im ägyptischen Exil keineswegs ruhig. Mehrere radikale Salafisten aus Deutschland sind dem Österreicher inzwischen nachgefolgt. Sie bilden nun eine Art islamistische Exil-Gemeinde am Nil und betrieben in den vergangenen Monaten über eine eigene Webseite fleißig Dschihad-Propaganda. Unter dem Label „Globale Islamische Medienfront“ (GIMF) veröffentlichten die Islamisten um Mahmoud zahlreiche Videopredigten, Hetzschriften und islamistische Acapella-Lieder.

Zuletzt sorgte vor einer Woche ein Drohvideo für Schlagzeilen. Es handelte sich um ein islamistisches Kampflied, gesungen von einem gewissen „Abu Azzam“, wohl einem Salafisten aus dem Umfeld von Mohamed Mahmoud. In dem Lied drohte der Extremist Deutschland mit Terroranschlägen. „Oh Allah gib dem deutschen Volk, was es verdient“, heißt es in der Botschaft, „wir wollen Obama und Merkel tot sehen!“

Veröffentlicht wurde die Drohbotschaft auf einer Webseite, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden von Mohamed Mahmoud und seiner Ehefrau Miranda K. betrieben wurde. Am Freitag nun löschte der Internetprovider „WordPress“ das islamistischen Blog. Es ist unklar, ob die Löschung nach dem Hinweis deutscher Behörden erfolgte. „Das Blog wurde archiviert oder gelöscht, weil es gegen unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoßen hat“, so lautet die simplen Begründung des Webseiten-Betreibers.

Deutsche Sicherheitsbehörden hatten die deutsche Islamisten-Webseite seit einiger Zeit im Blick. Aus Sicherheitskreisen heißt es, die Seite sei vermutlich primär von Mahmouds Ehefrau betrieben worden. Die deutsche Salafistin Miranda K. gilt als Internet affin. Als sie noch in Deutschland lebte, war sie nach Informationen der „Welt“ eine aktive Bloggerin, verbreitete wöchentlich islamistisches Gedankengut und Videopredigten. Über soziale Netzwerke warb sie für Live-Predigten im Internet.

In Ägypten nun riefen Mahmoud und Miranda K. eine neue Webseite ins Leben, die als Plattform für ihre extremistische Propaganda diente. Die dortigen Hassbotschaften werden von Sicherheitsbehörden mit Sorge registriert. „Die Truppe um Mahmoud versucht aus dem Exil heraus, mit ihrer Propaganda Glaubensbrüder in Deutschland zu Anschlägen zu motivieren“, sagte ein Vertreter der Sicherheitsbehörden der „Welt“. Bislang aber gebe es keine Hinweise dass Attentate geplant seien.

Es sei davon auszugehen, dass die Salafisten-Gruppe um Mahmoud nach der Löschung ihrer Webseite versuchen werde über andere Kanäle Propaganda zu betreiben, heißt es aus Sicherheitskreisen. Ohnehin seien viele Videos und Schriften von der „Globalen Islamischen Medienfront“ innerhalb kürzester Zeit auch in arabischsprachigen Internetforen aufgetaucht.

„Wir bleiben standhaft so Allah will“, stand unter dem Titel des nun gelöschten Blogs, „bis der Kopf fliegt!“

„Wir haben Blut gerochen“ – Drohvideo gegen Deutschland

von Florian Flade

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Er ging, und sie folgten ihm. Mohamed Mahmoud alias „Abu Usama al-Gharib“ verließ Deutschland im Frühjahr 2012. Knapp einen Monat später ließ das Bundesinnenministerium Mahmouds Organisation, die islamistische „Millatu-Ibrahim“-Gruppierung verbieten. Die Folge: zahlreiche Salafisten packten ihre Koffer und verschwanden aus Deutschland.

Die Anhängerschaft von „Millatu-Ibrahim“ wanderte in den Folgemonaten nach Ägypten aus, teilweise mit ihren Familien. Seitdem existiert in Kairo so etwas wie eine Exil-Gemeinde von „Millatu-Ibrahim“. Eine deutsche Salafisten-Kolonien.

Grund zur Sorge für deutsche Sicherheitsbehörden. Ägypten drohe zur Drehscheibe für islamistische Terroristen zu werden, sagte jüngst Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Am Nil rekrutiere Al-Qaida inzwischen massiv neuen Terror-Nachwuchs für die Schlachtfelder in Somalia, Libyen, Syrien oder Mali.

Einige deutsche Islamisten sollen bereits über Ägypten in diese Konfliktgebiete gereist sein. Mindestens zehn Salafisten kehrten jedoch inzwischen aus Ägypten zurück nach Deutschland. Andere wollen offenbar zurück, wie aus Sicherheitskreisen zu vernehmen ist.

Prediger Mahmoud und seine Jünger sind bislang nicht in den Dschihad gezogen. Sie setzen auf die Propaganda-Strategie. Unter der Marke „Globale Islamische Medienfront“ veröffentlichen sie seit Monaten regelmäßig deutschsprachige Video- und Tonbandbotschaften sowie Hetzschriften.

Heute nun tauchte ein weiteres Drohvideo der Exil-„Millatu-Ibrahim“-Gemeinde auf. Ein knapp dreiminütiges „Nasheed“, ein islamistisches Kampflied, gesungen von einer Person namens „Abu Azzam al-Almani“.

Bevor es noch weitere Nachfragen gibt: Nein, bei „Abu Azzam“ handelt es sich nach bisherigem Kenntnisstand nicht um den Berliner Konvertiten Florian L., der den gleichen islamischen Namen benutzt und im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen geriet, weil er bei einer Sicherheitsfirma an der Baustelle des neuen Berliner Flughafens BER gearbeitet hat.

Lesen Sie meinen Bericht zu den neuen Drohungen aus dem Umfeld von Mohamed Mahmoud:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article113328134/Islamisten-drohen-Wir-wollen-Merkel-tot-sehen.html