Neuseeland ist das kleinste Mitglied der mächtigen Geheimdienst-Allianz „Five Eyes“. Seine Geheimdienste finden kaum Beachtung, dabei mischten sie bei spektakulären Spionage-Operationen mit. Inzwischen aber blicken westliche Partner auch durchaus kritisch auf Neuseeland. Und das hat mit China zu tun.
Von Florian Flade

Das Waihopai-Tal ist Weinland. Es liegt im Norden der neuseeländischen Südinsel, im Distrikt Marlborough. Felder und bewaldete Hügel prägen die Landschaft, rings herum erheben sich schneebedeckte Berge. Viel Sonne gibt es hier, wenig Regen, kaum Frost. Ein ideales Weinanbaugebiet, vor allem Neuseelands Sauvignon Blanc kommt aus dieser Region. Und ein Weingut aus dieser Gegend wurde schon mehrfach zu den besten des Landes gekürt – „Spy Valley Wine“.
Der Name lässt erahnen: Im Waihopai-Tal gehen geheimnisvolle Dinge vor sich. Drei Jahrzehnte standen direkt neben dem Weingut zwei große weiße Kugeln in der saftgrünen Landschaft. Daneben ein paar Flachbauten, ein Parkplatz, drum herum ein Zaun mit Stacheldraht. Die weißen Kugeln, die wie riesige Golfbälle wirkten, waren Radome, in ihnen befand sich je eine Radarschüssel von 18 Metern Durchmesser. Sie dienten dazu weltweite Satellitenkommunikation zu überwachen.
Mitten im Herzland von Neuseelands Weinindustrie war in den 1980er Jahren eine Spionagestation errichtet worden. Aus dem Waihopai-Tal heraus wurden Telefonate, Faxe und später Internetkommunikation überwacht, manche sprachen gar von einer „Mini-NSA“.
Die Bodenstation gehört zum Government Communications Security Bureau (GCSB), dem neuseeländischen Abhördienst.1989 nahmen die SIGINT-Spezialisten die erste Satellitenschüssel in Betrieb, zehn Jahre später die zweite. Im April vergangenen Jahres dann war Schluss. Kräne und andere Spezialfahrzeuge rückten an, die weißen Radome wurden Stück für Stück abgebaut. Sie wurden kaum noch gebraucht, zuletzt sollen die Schüsseln nur noch rund 0,5 Prozent der nachrichtendienstlichen Erkenntnisse des GSCSB geliefert haben.
Die Spionagestation von Waihopai aber soll es auch ohne die Radome weiter geben, wie die neuseeländische Regierung mitteilte. Sie solle künftig mit moderner Technologie arbeiten und ihren Beitrag für die nationale Sicherheit des Landes leisten.
Neuseeland ist mit 5,1 Millionen Einwohnern ein vergleichsweise kleines Land. Dennoch verfügt die Pazifik-Nation über mehrere Nachrichtendienste, die in den vergangenen Jahrzehnten an teils spektakulären Spionageoperationen beteiligt waren. Neuseeland ist Teil der mächtigen Geheimdienst-Allianz der „Five Eyes“ – war dort bereits einmal in Ungnade gefallen, und gilt heute wieder als Sorgenkind.
Denn das Land steht im Visier fremder Staaten. Sie versuchen Einfluss auf demokratische Prozesse zu nehmen und Wellingtons Politik, insbesondere im pazifischen Raum, auszuspähen. Neuseeland wird innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft an Bedeutung gewinnen, denn der Pazifik wird zunehmend zu einer geopolitisch umkämpften Region. Westliche Partner blicken daher wachsam auf die kleine Insel-Nation, und das hat auch mit der China-Politik der aktuellen Regierung zu tun.
So weigerte sich die Regierung von Premierministerin Jacinda Ardern in den vergangenen Jahren mehrfach eine kritische Haltung gegenüber Peking einzunehmen. Im Januar 2021 verurteilten westliche Regierungen die Verhaftungen von Demonstranten in Hong Kong, die „Five Eyes“ gaben eine gemeinsame Stellungnahme heraus. Nur Neuseeland gehörte nicht zu den Unterzeichnern.
Im März 2021 dann veröffentlichten 14 Staaten eine Erklärung, in der eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO zum Ursprung des Sars-CoV-2-Virus kritisiert wurde. Darin hieß es unter anderem, die Wissenschaftler hätten nur unzureichenden Zugang zu Daten aus China bekommen. Die „Five Eye“-Mitgliedstaaten unterstützten das Schreiben, wieder aber fehlte Neuseeland.
Im April 2021 weigerte sich Wellington zudem die Verfolgung und Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China durch als „Genozid“ zu bezeichnen – anders als etwa die USA, Großbritannien oder Kanada.
Neuseeland befindet sich in einer wirtschaftlichen Abhängigkeit zu China, daran gibt es kaum Zweifel. Rund 30 Prozent der Exporte des Landes gehen in die Volksrepublik. Australien hatte in den vergangenen Jahren erlebt, welche Konsequenzen eine harte Linie gegen Peking haben kann. Nach kritischen Bemerkungen aus Canberra brachen die australische Exporte nach China drastisch ein, insbesondere Wein, Getreide und Fleisch waren davon betroffen. In Neuseeland befürchtet man offenbar ähnliches.
Neuseelands Außenministerin Nanaia Mahuta erklärte auf einer Pressekonferenz im Frühjahr 2021: „Bei der Five-Eyes-Vereinbarung geht es um einen Sicherheits- und Geheimdienstrahmen. Es ist nicht notwendig, Five Eyes ständig zu jedem Thema als ihre erste Anlaufstelle anzurufen, um eine Koalition zur Unterstützung bestimmter Themen im Bereich der Menschenrechte zu schaffen.“
Damit sorgte sie für Irritationen bei Partnern. In Kommentaren hieß es, Neuseeland sei aufgrund seiner China-freundlichen Außen- und Wirtschaftspolitik augenscheinlich das „schwache Glied“ in der Kette des westlichen Geheimdienstbündnisses. Premierministerin Ardern hingegen versicherte, dass ihr Land weiterhin an der „Five Eye“-Allianz festhalte. „In Sachen Five Eyes bleiben wir engagiertes Mitglied. Das steht außer Frage“, so die Politikerin.
Welche Dienste gibt es im „Land der langen weißen Wolke“, wie die Maori Neuseeland nennen? Und welche Rolle spielen sie bei den „Five Eyes“?
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