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„Islamischer Staat“ verhöhnt die Taliban

In einer Propagandaveröffentlichung beschreiben die IS-Terroristen die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan als Verschwörung. Die USA hätten einen Sieg errungen, die Taliban wiederum seien Marionetten.

Von Florian Flade

Sie vermuten eine Verschwörung, sie diffamieren die neuen Herrscher in Afghanistan und machen sich über sie lustig. Die Terroristen des „Islamischen Staates“ (IS) haben auf die Machtübernahme der Taliban reagiert. Und geben weitere Einblicke in die Feindschaft und den Zwist unter den Dschihadisten. 

In Al-Naba, dem wöchentlichen Propaganda-Newsletter der Terrormiliz, ist ein Kommentar zu den jüngsten Ereignissen in Afghanistan erschienen. Schon im Titel verhöhnen die Dschihadisten die Taliban und deren politische Führungsfigur Mullah Abdul Ghani Baradar als eine angeblichen Marionette der USA: „Endlich haben sie Mullah Bradley eingesetzt!“

Die Machtübernahme der Taliban am vergangenen Wochenende sei keineswegs überraschend, sondern sei schlichtweg das Ergebnis des „Friedensabkommens“ zwischen „den Kreuzfahrern und den Abtrünnigen in Doha“. Da die Taliban den Amerikanern versichert hätten, den Al-Qaida-Terroristen keine Basis mehr zu gewähren und den „Manhatten Fehler“ (Terroranschläge des 11. September 2001) nicht zu wiederholen, hätten die USA die Herrschaft der Taliban wieder hergestellt und ihnen „Kabul ohne einen Schuss abzufeuern“ überlassen.

Für die USA sei dies ein „Sieg des Friedens, nicht des Islams! Und für Verhandlungen, und nicht für den Dschihad!“ Aufgrund der aktuellen Situation sei dies vielleicht nicht so offensichtlich, schreiben die IS-Terroristen, aber hinter all dem stecke ein bösartiger Plan, aus den „Kämpfern“ harmlose „Verhandler“ zu machen.

Es sei offensichtlich, heißt es im Text der IS-Dschihadisten, dass die USA und die Taliban koordiniert vorgingen und Absprachen getroffen hätten. Unter anderem beim Einmarsch der Taliban in Kabul, und bei der „Evakuierungsoperation von tausenden Kreuzfahrern und ihrer Spione“. Die Unterstützung des wahren Islams – wie der IS ihn vertrete – finde jedoch nicht in den Hotels von Katar statt oder in den Botschaften von Russland, China und Iran. Seit den Friedensverhandlungen sei die Rede von den „neuen Taliban“, die eigentlich nur von den USA gesteuerte Gruppierung sei, die dem Terrorismus und auch der Scharia längst abgeschworen habe. Anderenfalls hätten die USA bei ihrem Abzug in Afghanistan niemals ihre Militärbasen und ihre Ausrüstung intakt zurück gelassen, so die Behauptung im IS-Newsletter. Die Verhandlungen und in den Abmachungen zwischen den Taliban und den USA und nun die kampflose Machtübernahme seien ein Beweis dafür, dass der Westen in den Taliban keine Gefahr mehr sehe.

„Die Führer der Taliban haben die Befreiung Afghanistans aus den Hotels von Katar, einschließlich der amerikanischen Al-Ubeid-Basis verkündet, von der aus die Flugzeuge aufsteigen, um die Aufenthaltsorte der Muslime zu bombardieren. Ihr falscher Sieg hat seinen Ursprung dort, wo der Krieg gegen den Islam seinen Ursprung hat! Also über was für einen Sieg sprechen wir? Amerika hat es wahrlich geschafft und hat uns endlich den „Mullah Bradley“ eingesetzt, und es gibt keinen Zweifel daran, dass „andere Mullahs“ gerade in den Hotels und in den Botschaften der Götzendiener erschaffen werden, und diese rechnen mit einem „weiteren Sieg“, den ihnen Amerika und andere gewähren. Tatsächlich ist nur ein rasierter Götzendiener (Anmerkung: gemeint ist offenbar der afghanische Präsident Ashraf Ghani) durch einen bärtigen ersetzt worden. Ersterer ist im Kampf gegen den Terrorismus gescheitert, während der zweite von Amerika als möglicherweise effektiver angesehen wird. Was die Soldaten des Kalifats betrifft, so bereiten sie sich auf eine neue Etappe der Etappen ihres gesegneten Dschihad vor, die nicht mit der Erlaubnis des Allmächtigen Gottes aufhören wird, bis die Erde – die gesamte Erde – der Herrschaft ihres Schöpfers unterworfen ist. Denn dies ist der Sieg, und was daneben ist, ist bloßes Flüstern und Illusion“

– Al-Naba Newsletter der Terrororganisation Islamischer Staat 

Zusammengefasst sieht das IS also in den Ereignissen in Afghanistan eine wilde Verschwörung zwischen den Taliban und den USA. Die Taliban, die als Abtrünnige erachtet werden, hätten kein Interesse mehr am Dschihad und an der Durchsetzung der echten Scharia, sie seien korrupt und machtbesessen, und hätten auf den eigentlich notwendigen Kampf verzichtet. Die USA hätten somit ihre Ziele erreicht, der Sieg der „neuen Taliban“ sei damit in Wahrheit ein Sieg des Westens, ein weiterer Schritt, um die dschihadistische Bewegung zu unterminieren. Sogar eine Allianz der Taliban mit den USA zur Bekämpfung des „Islamischen Staates“ wird suggeriert. 

Die feindliche Rhetorik des IS gegenüber den Taliban ist keineswegs neu, die Gruppierungen sind verfeindet und bekämpfen sich in Afghanistan seit Jahren. Anfang 2015 hatte der IS offiziell seinen Ableger in der Region, das „Wilayat Khorasan“ ausgerufen („Islamischer Staat in Khorasan“, oft abgekürzt auch IS-K genannt). Zunächst war die IS-Regionalgruppe, der sich zahlreiche ehemalige Mitglieder der pakistanischen Tehrik e-Taliban (TTP) angeschlossen haben soll, vor allem im Osten des Landes aktiv, in den Provinzen Nangarhar und Kunar. 

Bald aber schlossen sich auch Islamisten in anderen Gegenden Afghanistans an, einige Taliban-Kämpfer liefen über, so dass IS-K in den vergangenen Jahren auch in Zabul, Badakhshan, Kunduz und um Mazar i-Sharif präsent war. Mit den afghanischen Taliban kam es dabei immer wieder zu schweren Kämpfen und Anschlägen, bei denen Dschihadisten von beiden Seiten getötet wurden.

Angeführt wurde IS-K zunächst von Abdullah Orokzai alias „Aslam Farooqi“ und dann von Zia ul-Haq („Abu Omar al-Khorasani“), der im Mai 2020 von afghanischen Spezielkräften festgenommen worden war. Nachfolger wurde „Shahab al-Muhajir“, der für mehrere Terroranschläge in Kabul und anderen städtischen Gebieten verantwortlich sein soll und den IS-Ableger bis heute anführt.

Zia u-Haq hingegen soll am vergangenen Wochenende von den Taliban getötet worden sein. Sie hatten das Pul-e-Charkhi Gefängnis in Kabul eingenommen und zahlreiche Häftlinge freigelassen. Darunter sollen sich auch IS-Anhänger befunden haben, von denen jedoch einige auch getötet worden sein sollen. So wie der einstige Regional-Chef des Terrornetzwerkes Zia ul-Haq. Auf Twitter kursierten kurz darauf Fotos seiner Leiche. Inzwischen soll er in seinem Heimatdorf in der ostafghanischen Provinz in Kunar beerdigt worden sein.

The Hamburg Connection 2.0 – Al Qaeda´s EU Plot

by Florian Flade

Neun Jahre nachdem die Todespiloten um Mohammed Atta die 9/11-Anschläge verübten, steht Hamburg wieder im Focus der Terrorermittlungen. Ein Hamburger Dschihadist verriet al-Qaidas Pläne für Großanschläge in Europa.

Hamburger Dschihadist Shahab D. – Part of AQ´s EU-Plot?

Es ist der 04.März 2009 als drei Männer und zwei Frauen aus Hamburg am Frankfurter Flughafen in ein Flugzeug steigen, dass sie in das Golfemirat Katar bringen wird. Ein Anschlussflug führt ins pakistanische Peshawar.

Die fünf Islamisten wollen Deutschland verlassen, sie wollen im wilden Waziristan an der pakistanisch-afghanischen Grenze ein Leben im Dschihad führen, weit weg vom verhassten Westen.

Shahab D. ist einer von ihnen. Geboren 1983 im Iran, floh er mit seinen Eltern als Folge des Iran-Irak-Krieges und immigrierte 1994 in die Bundesrepublik. Seitdem lebte der Iraner in Hamburg und besuchte die Moschee Masjid Taiba, die inzwischen von den Behörden geschlossen wurde. Beeinflusst von den radikalen Glaubensbrüdern aus dem Umfeld des Hamburger Gotteshauses, konvertierte Shahab D., der gebürtiger Schiit war, zum extremistischen Sunnitentum – er wurde ein strenggläubiger Salafist, trug lange Gewänder und ließ seinen Bart wachsen.

Im Jahr 2008 heiratete D. seine Freundin, eine heute 23jährige Zahnmedizinerin, ihr Vater ist muslimischer Westafrikaner, die Mutter Deutsche. Das Pärchen hielt sich zunehmend an eine extrem strenge Koranauslegung und begann über die Ausreise in ein islamisches Land nachzudenken.

Im März 2009 war es schließlich soweit. D.´s Ehefrau log ihre Eltern an, erklärte Shahab und sie wollten eine Pilgerreise nach Saudi-Arabien unternehmen. In Wahrheit war das Ziel ein Ausbildungslager der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IBU) im pakistanischen Waziristan.

Teil jener islamistischen Reisegruppe die am 04.März 2009 Deutschland verließ waren auch der Deutsch-Afghane Ahmad Wali S., dessen Ehefrau, eine Indonesierin, und sei Bruder Sulayman.
S. ist aus Sicht deutscher Sicherheitsbehörden kein Unbekannter. Er verkehrte in den Kreisen der Hamburger Masjid Taiba und hatte engen Kontakt zum mutmaßlichen Helfer der 9/11-Todespiloten, Mounir el-Motassadeq. Wie Motassadeq war S. bei einer Reinigungsfirma am Hamburger Flughafen tätig, beide machten kurz nach dem 11.September 2001 gemeinsam Urlaub in Nordafrika.

Ahmad Wali S. und seine Gesinnungsgenossen erreichten die pakistanischen Terrorlager im Frühjahr 2009. Der Iraner Shahab D. tauchte wenige Monate später erstmals in einem Propagandavideo aus Waziristan auf. Darin nannte er sich „Abu Askar“, posierte mit einem mächtigen Schwert, auf dem Koranverse eingraviert waren. „Wir haben Deutschland und unsere Familien nur verlassen, damit Allah´s Wort das höchste wird!“, tönte der Hamburger Islamist. Shahab D. lebt offenbar seinen Traum vom Dschihad.

Sein Reisebegleiter Ahmad S. kämpft nicht mehr in den Reihen der IBU. Ihn griffen US-Soldaten im Juli im afghanischen Kabul auf. Der Deutsch-Afghane wird seitdem auf dem US-Stützpunkt Bagram verhört. Er soll die Quelle jener Informationen sein, die seit etwa einer Woche weltweit für mediale Aufmerksamkeit sorgen.

Al-Qaida, so berichtete der Dschihadist aus Hamburg den Amerikanern, plane eine Anschlagswelle in Europa. Von Kommando-Aktionen ist die Rede, vergleichbar mit jenem Angriff auf Luxushotels im indischen Mumbai im November 2009. Kleine Trupps bewaffneter Islamisten sollen weiche Ziele in europäischen Großstädten überfallen und auch möglicherweise Geiseln nehmen.

Wie der SPIEGEL nun meldet, soll Ahmad S. den amerikanischen Ermittlern verraten haben, er habe im Frühsommer in der Ortschaft Mir Ali den nordafrikanischen al-Qaida Mann „Sheikh Younis al-Mauretani“ getroffen. Dieser habe ihm erzählt, Osama Bin Laden persönlich habe die Europa-Operationen genehmigt und auch das nötige Geld zur Verfügung gestellt.

Vor einigen Tagen meldeten bereits pakistanische Medien, der al-Qaida Führer Bin Laden habe die Anschlagsplanungen in Auftrag gegeben und als Wunsch-Ziele Frankreich, Deutschland, Dänemark und Großbritannien genannt. Geheimdienste verfolgten offenbar schon seit einem Jahr die Spur europäischer Dschihadisten in Waziristan, die mit den Terroranschlägen beauftragt worden sein sollen. Von acht deutschen Staatsbürgern und zwei Briten ist die Rede, wobei einer der britisch-pakistanischen Brüder in einem der jüngsten Drohnangriffe ums Leben gekommen sein soll.

Unbestätigten Berichten zufolge soll der Hamburger Terrorhäftling in Bagram zudem davon berichtet haben, dass al-Qaidas Militärchef, der Pakistaner Ilyas Kashmiri, ein Attentat während der „Commonwealth Games“ plane. Das Sportereignis findet vom 03.-14.Oktober im indischen Neu Delhi statt.

Ahmad S. erzählte im US-Verhör außerdem, dass er in Afghanistan gegen US-Truppen und afghanische Soldaten gekämpft hat. Dort habe er auch einen weiteren Hamburger Islamisten getroffen – Said Bahaji.

Bahaji gilt als einer der Unterstützer der Hamburger 9/11-Zelle. Der im niedersächsischen Haselünne geborene Sohn eines Marokkaners und einer Deutschen, hatte an der Technischen Universität Hamburg-Harburg studiert und dort den späteren Todespiloten Mohammed Atta kennengelernt. Genau wie die Hamburger Terrorzelle verkehrte auch Bahaji in der Al Quds-Moschee im Stadtviertel St.Georg.

Kurz vor den Anschlägen in New York und Washington, am 04.September 2001, floh Said Bahaji nach Pakistan. Deutsche Sicherheitsbehörden fingen E-Mails ab, die Bahaji in den vergangenen Jahren an seine Ehefrau in Deutschland schickte. Ende vergangenen Jahres fanden pakistanische Soldaten bei der Einnahme von Terrornestern in Süd-Waziristan, den Pass des Hamburger al-Qaida Helfers.

Deutsche Sicherheitsbehörden beobachten den radikalen Kern der Hamburger Islamistenszene seit Jahren. Neun Jahre nach den Anschlägen von 9/11 ist im Umfeld der Moschee der Todespiloten um Mohammed Atta, eine neue Generation militanter Islamisten herangewachsen. Der buntgemischter Haufen von Dschihad-Befürwortern verehrt jene deutschen Glaubensbrüder, denen in den letzten Jahren die Reise in die Terrorcamps Waziristans gelungen ist, und die sich regelmäßig in Propagandavideos zu Wort melden.

Neben Shahab D., Ahmad und Sulayman S. machten sich im Frühjahr 2009 nach Behördeninformationen bis zu acht weitere Islamisten aus der Hansestadt auf nach Pakistan. Die Liste liest sich wie eine islamistische Internationale. Ein französischer Staatsbürger steht darauf, er soll verheiratet sein mit der Tochter des marokkanischen Hasspredigers Sheikh Fazazi, und schleuste offenbar Terrorrekruten aus Europa in den Irak. Seyed A., ein weiterer Verdächtiger aus dem Hamburger Dschihadisten-Zirkel, ist wohnhaft in Großbritannien. Ein weiterer Deutsch-Iraner, ein Deutsch-Türke und ein staatenloser Islamist gehören ebenfalls zu jenen die aus Hamburg gen Waziristan reisten.

Zwei weiße Konvertiten, der Deutsch-Tschetschene Alexander J. (30) und der Deutsch-Kasache Michael W. (25) wurden noch bei ihrer Anreise in Pakistan festgenommen und in die Bundesrepublik abgeschoben. Sie leben wieder in Hamburg.

Die Hamburger-Reisegruppe traf sich regelmäßig in der Masjid Taiba und schmiedete Pläne in den Heiligen Krieg zu ziehen. Treibende Kraft soll dabei der ursprünglich aus Frankfurt am Main stammende Rami M. gewesen sein. Der 25jährige Deutsch-Syrer gilt als Anführer der Hamburger Islamisten und erreichte selbst im Frühjahr 2009 Pakistan.

Pakistanische Soldaten nahmen M. im Juni fest als er versuchte von Waziristan aus zur deutschen Botschaft in Islamabad zu reisen. Er hatte wohl bereits nach einem Jahr genug vom Dschihad-Urlaub und wollte sich deutschen Behörden stellen. Diese sahen in Rami M. ein Sicherheitsrisiko und ließen ihn festnehmen. Seit dem 26.August sitzt der Anführer der Hamburger Dschihad-Reisegruppe in Deutschland in Haft.