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Der Selbstmordattentäter Robert Baum

von Florian Flade

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Wo bleibt das Video? – diese Frage stellten sich viele Vertreter der deutschen Sicherheitsbehörden, als im Frühjahr erste Hinweise auftauchten, wonach der Solinger Konvertit Robert Baum mutmaßlich ein Selbstmordattentat in Syrien verübt hatte. Der 27-jährige Extremist sei geradezu prädestiniert, um für die Propaganda des „Islamischen Staates“ missbraucht zu werden. Aber auf ein Video der Tat oder eine Art Abschiedsbotschaft wartete man vergeblich. Bis am Dienstagabend schließlich ein deutschsprachiges Video des IS im Netz auftauchte.

„Unser Staat ist siegreich“, so lautet der Titel der fünfminütigen Propagandaaufnahme. Darin zu sehen ist für einen kurzen Augenblick auch Robert Baum. Mit Brille und Strickmütze sitzt er am Steuer eines Fahrzeugs, das zur Autobombe umgebaut wurde. Neben der Handbremse sind Kabel und Drähte zu sehen. Und wohl der Knopf, mit dem die Bombe gezündet wird. „Wir wünschen uns den Tod, mit einem Knopf geht alles hoch“, singt eine Stimme aus dem Off. In der nächsten Szene ist eine Explosion zu sehen. Die Autobombe verwandelt sich in einen Feuerball.

Ende Januar soll Robert Baum alias „Uthman al-Almani“ einen Selbstmordanschlag im syrischen Dorf Al-Kafaat verübt haben. Auf Twitter feierten IS-Sympathisanten die Tat des deutschen Dschihadisten, der zahlreiche Menschen mit in den Tod gerissen haben soll. In einem IS-Propaganda-Magazin fand der Anschlag wenig später ebenfalls Erwähnung.

Das Suizidattentat ist der traurige Höhepunkt in der Radikalisierung des Solingers Robert Baum. Im Jahr 2009 war er zum Islam konvertiert und hatte sich fortan stark radikalisiert. Zusammen mit einem Glaubensbruder reiste Robert Baum im Sommer 2011 nach Großbritannien und wurde bei der Einreise verhaftet. Im Gepäck fand die Polizei unter anderem einen Laptop mit Bombenbau-Anleitungen der Al-Qaida. Deren Besitz ist im Vereinigten Königreich – anders als in Deutschland – strafbar. Baum und sein Mitstreiter Christian E. wurden zu Haftstrafen verurteilt.

Nach acht Monaten Haft kehrte Baum schließlich nach Deutschland zurück. Er kehrte in die salafistische Szene zurück und wurde ein Anhänger der Gruppierung Millatu Ibrahim. In Fußgängerzonen beteiligte sich der Konvertit an Koran-Verteilaktionen. Sein neues Zuhause wurde eine Solinger Hinterhof-Moschee, die als Zentrum von Millatu Ibrahim gilt. Der Verein wurde schließlich im Juni 2012 vom Bundesinnenministerium verboten. Zahlreiche Anhänger der islamistischen Gruppierung, darunter auch Robert Baum, setzten sich daraufhin nach Ägypten ab. Sein Weg führte den Solinger anschließend offenbar weiter nach Syrien.

Austro-Dschihadist Mahmoud in Syrien

von Florian Flade

pic041114Mohamed Mahmoud wohl in Raqqa, Syrien

Wohlgenährt und mit einem verschmitzten Grinsen blickt Mohamed Mahmoud in die Kamera. Er trägt den Pakul, die traditionelle Wollmütze der Paschtunen, und eine Militärjacke mit Tarnmuster. Hinter ihm liegen Leichen, enthauptet und halb entkleidet. Entstanden sind die Fotos wohl vor wenigen Tagen. Aufgenommen in der nord-syrischen Stadt Raqqa, der inoffiziellen Hauptstadt des sogenannten „Islamischen Staates“.

Mohamed Mahmoud, in Wien geborener Sohn ägyptischer Einwanderer, gilt als einer der meistgesuchten Islamisten Europas. Der Österreicher hat eine Odyssee hinter sich. Er zog von Wien nach Berlin, wo er die inzwischen verbotene Salafisten-Gruppierung „Millatu Ibrahim“ ins Leben rief.  Kurze Zeit später zog er ins nordrhein-westfälische Solingen, später nach Erbach in Hessen. Als ihm das hessische Innenministerium im Frühjahr 2012 mit Abschiebung drohte setzte sich der Extremist nach Ägypten ab, anschließend nach Libyen. Auf seinem Weg nach Syrien war Mahmoud schließlich im März 2013 in der Türkei festgenommen worden. Bis vor wenigen Wochen befand er sich dort in Polizeigewahrsam.

Österreichische Sicherheitsbehörden rätselten jüngst über den Verbleib des radikalen Islamisten. Türkische Behörden hatten den Wiener Extremisten nach eigenen Angaben im August nach über einem Jahr Haft auf freien Fuß gesetzt. Mahmoud war im März 2013 bei der Einreise in die Türkei festgenommen worden. Nicht aufgrund seiner dschihadistischen Überzeugung, sondern wegen eines gefälschten libyschen Passes. Seitdem saß der österreichische Islamist in einem Gefängnis in Konya. Auslieferungsgesuche der österreichischen Justiz lehnte die Türkei konsequent ab. Mahmoud konnte sich im sogenannten „Anhaltelager“ relativ frei bewegen, sogar Internetzugang wurde ihm gewährt.

Anfang Oktober schließlich meldeten Dschihadisten über Twitter, dass Mohamed Mahmoud alias „Abu Usama al-Gharib“ aus der Haft entlassen worden sei und sich nun in Syrien aufhalte. In den Reihen der Terrororganisation „Islamischer Staat“. „Großartige Zeichen!“, schrieb ein Extremist. „Abu Usama al-Gharib ist einer von 200 Soldaten des Islamischen Staates, die aus dem türkischen Gefängnis freigelassen wurden!“

Gegenüber SPIEGEL Online erklärten türkische Behörden,  Mahmoud sei am 19. August freigelassen worden, da die maximale Haftdauer wegen seines Visavergehens abgelaufen sei. Der Österreicher sei in ein Hotel gebracht worden und habe Auflagen erhalten, sich regelmäßig bei den Behörden zu melden.

In europäischen Sicherheitskreisen wird diese Version der Freilassung allerdings stark angezweifelt. Von einem Gefangenenaustausch ist die Rede, einem Deal zwischen der türkischen Regierung und der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS).

Die Dschihadisten hatten im Juni im irakischen Mossul das türkische Konsulat überfallen. Dabei nahmen sie 46 Türken und drei irakische Angestellte als Geiseln. Für 101 Tage waren die Konsulatsmitarbeiter in der Hand der Terroristen. Am 29. September schließlich kamen sie unbeschadet frei. Auf diplomatischen Wegen sei die Freilassung verhandelt worden, hieß es aus Ankara.

Die Times of London berichtet jedoch unter Berufung auf geheime Unterlagen, dass es hinter den Kulissen eine zu einer Absprache zwischen der Türkei und den IS-Terroristen gekommen sei. Im Gegenzug für die Geiseln von Mossul sollen türkische Behörden mehr als 180 Dschihadisten freigelassen haben , darunter zahlreiche Europäer wie Mohamed Mahmoud oder die Briten Shabazz Suleman und Hisham Folkard.

Schrittweise seien die Islamisten auf freien Fuß gesetzt worden, heißt es aus europäischen Sicherheitskreisen. Und nach und nach reisten viele von ihnen über die Grenze nach Syrien, wo sie sich dem „Islamischen Staat“ anschlossen.

pic041114_2Die „Hochzeitskarte“ von Mohamed Mahmoud

Der Wiener Mohamed Mahmoud soll sich inzwischen in Raqqa aufhalten und eine IS-Anhängerin geheiratet haben. „Abu Usama Al-Gharib und unsere Schwester Ahlam al-Nasr haben heute in Raqqa geheiratet“, twitterte ein Islamist vor wenigen Wochen. Al-Nasr gilt als Propagandistin des IS. Sie veröffentlichte mehrere Gedichte und ein Buch zum Thema „Der Islamische Staat und der Medienkrieg“.

„Wir warten auf euch!“

von Florian Flade

bams_191014 Kopie

Vor Monaten tauchte bei Facebook ein Nutzerprofil auf, das offenbar einem deutschen Islamisten gehörte, der sich in Syrien aufhielt. Der Mann nannte sich „Hans Sachs“. Sein Profilbild zeigte ein schwarz-vermummtes Gesicht, nur die blau-grünen Augen stachen hervor. Um den Kopf trug er ein Stirnband mit dem Logo der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS).

Der Dschihadist wollte augenscheinlich nicht erkannt werden. Er lud Videos hoch, in denen er Glaubensbrüder aufrief, in den Dschihad zu ziehen. Und dabei verriet sich „Hans Sachs“ durch seine markante Stimme.

Hinter dem Facebook-Profil verbarg sich wohl Michael N., ein 37-jähriger Islam-Konvertit aus dem nordrhein-westfälischen Gladbeck. Der radikale Salafist nennt sich „Abu Dawud“ und ist ein polizeibekannter Gefährder. Jahrelang predigte Michael N. in islamistischen Moschee-Gemeinden in Nordrhein-Westfalen und versuchte in ein Al-Qaida-Ausbildungslager nach Pakistan zu reisen.

Es gibt ein Foto von Michael N., das in vielen deutschen Zeitungen abgedruckt wurde. Es zeigt den Salafisten mit dunkelblondem Bart und kahlrasiertem Schädel, auf dem Boden liegend, an den Händen gefesselt. Ein Polizist mit Schutzhelm und kugelsicherer Weste drückt ihn zu Boden. Aufgenommen wurde das Bild im Mai 2012 in Solingen.

Damals demonstrierten radikale Salafisten gegen einen Auftritt der islamfeindlichen „Pro-NRW“-Bewegung. Als die Rechtspopulisten die umstrittenen Mohammed-Karikaturen aus Dänemark zeigten, eskalierte die Situation. Dutzende Salafisten prügelten mit Holzlatten und Eisenstangen auf die Polizeibeamten ein. Unter ihnen auch Michael N..

Der zuletzt in Gladbeck wohnhafte Konvertit soll nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden eine führende Funktion innerhalb der Salafisten-Gruppe „Millatu Ibrahim“ gehabt haben. Regelmäßig hielt er Predigten in der Moschee-Gemeinde der Organisation in einem Solinger Hinterhof. Bis „Millatu Ibrahim“ im Juni 2012 durch das Bundesinnenministerium verboten wurde.

Wie zahlreiche deutsche Salafisten nahm Michael N. das Vereinsverbot wohl zum Anlass um Deutschland den Rücken zu kehren. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Natalja I. wanderte der Islamist nach Ägypten aus. Natalja I. alias „Umm Dawud“ kam wenige Monate später bei einem schweren Autounfall ums Leben. Die islamistische Szene in Deutschland feierte sie daraufhin als „Märtyrin von Millatu Ibrahim“.

Michael N. setzte sich wohl irgendwann im vergangenen Jahr nach Syrien ab. Inzwischen hat er sich dem „Islamischen Staat“ angeschlossen. Der ehemalige Computer-Fachmann gehört nun offiziell zur Propaganda-Maschine der Terroristen.

In der vergangenen Woche tauchte ein Video des IS auf, in dem Dschihadisten aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland ihren Regierungen mit Terror drohen. Einer der Protagonisten ist Michael N. alias „Abu Dawud al-Almani“.

„Wir warten auf euch! Seit 1400 Jahren warten wir auf euch!“, sagt der Gladbecker in dem rund zehnminütigen Propagandavideo, an die USA gerichtet. „Das Gleiche gilt für euch, ihr Deutschen! Du schmutzige Merkel! Nachdem du deine Geschenke abgegeben hast an Israel. Versammelt ihr euch alle! Hollande, Cameron, Putin! Versammelt euch gegen die Muslime. Ihr werdet nur verlieren!“
Weiter ruft Michael N. seine „Geschwister in Deutschland, Österreich, in der Schweiz“ auf, sich dem IS anzuschließen: „Sitzt nicht mit den Schmutzigen! (…) Kämpft auf dem Weg Allahs!“

Michael N. ist derweil nicht der einzige „Millatu Ibrahim“-Anhänger, der sich in den syrischen Bürgerkrieg begeben hat. Zahlreiche ehemalige Mitglieder des verbotenen Netzwerkes kämpfen heute wohl in den Reihen des „Islamischen Staates“. Etwa Denis Cuspert aus Berlin, der Konvertit Silvio K. aus Essen oder Ismail S. aus Husum.