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Sprengstoff im Kühlschrank

von Florian Flade

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Der Mann, der am vergangenen Freitag das Mietshaus am Memelweg im Bonner Stadtteil Tannenbusch verließ, wirkte wie ein Astronaut. Seine Schritte waren schwerfällig, er trug einen dicken Schutzanzug mit Helm. In den Händen hielt der Mann einen langen Stab. An dessen Ende baumelte ein roter Plastikeimer.


Der Mann stampfte zur nahegelegenen Grünanlage. Dort deponierte er den Inhalt des Eimers im Erdreich. Dann zählte jemand: „3…2…1“ Eine Flamme leuchtete kurz auf, dann hallte durch die Wohnsiedlung am Memelweg ein lauter Knall.


Es war die kontrollierte Sprengung einer Chemikalienmischung. Gefunden in der Wohnung eines radikalen Salafisten. Die Beamten des Räumkommandos des LKA waren am Freitag angerückt und hatten die Bombe beseitigt. Sie waren schon das zweite Mal in dieser Woche im Memelweg. Bereits am Mittwoch, dem 13.März, hatte das SEK die Wohnung in dem tristen Häuserblock gestürmt und durchsucht.


Vier islamistische Terrorverdächtige wurden in jener Nacht festgenommen. Sie sollen ein Attentat auf Markus Beisicht, Chef der islamfeindlichen Splitterpartei „Pro NRW“ geplant haben. Zwei Islamisten setzte ein Polizeikommando in Leichlingen bei Leverkusen, unweit des Hauses von Beisicht, fest. Einen weiteren in Essen. Und einen in der Wohnung am Memelweg. Letzter trug bei seiner Festnahme eine scharfe Pistole, Kaliber 7,65mm, bei sich. Setzte sich allerdings nicht zur Wehr.


In der Wohnung fand die Polizei noch mehrere Gaspistolen, eine kugelsichere Weste, einen Schlagstock und 616 Gramm verpacktes, sprengfähiges Ammoniumnitrat.


Im Kühlschrank aber hatten die Polizisten nicht nachgesehen. Dort lagerte noch ein zweites Paket Sprengstoff. Marco René G., einer der am Mittwoch festgenommenen Terrorverdächtigen und Mieter der Bonner Wohnung, hatte den Hinweis auf die explosive Mischung im Kühlschrank gegeben. Laut SPIEGEL informierte der Konvertit in der Untersuchungshaft eine Sozialarbeiterin. G. hatte offenbar Angst um seine Frau und sein Kind, die noch in der Wohnung lebten.


Aus Sicht der Ermittler eine peinliche Panne. Sie hätten die zweite Sprengstoff-Charge schon bei der ersten Durchsuchung finden müssen. Und noch ein Fehler unterließ den Beamten. Bevor sie die Chemikalien in der Grünanlage kontrolliert sprengten, hatten sie vergessen Proben zu entnehmen. Die Folge war, dass Bodenproben aus der kontaminierten Erde genommen werden mussten.


Die Chemikalien-Proben sind von einiger Bedeutung. Immerhin gibt es vage Hinweise, dass das Salafisten-Quartett nicht nur einen Mordanschlag auf den „Pro NRW“-Chef plante, sondern möglicherweise auch in den gescheiterten Bomben-Anschlag am Bonner Hauptbahnhof im Dezember 2012 verwickelt ist.
Damals hatte ein Unbekannter eine blaue Reisetasche am Gleis 1 des Bahnhofs deponiert und war kurz darauf verschwunden.

In der Tasche befand sich ein sprengfähiger Zündsatz, allerdings ohne funktionierende Zündvorrichtung. Genau wie beim Sprengstoff-Fund in der Bonner Salafisten-Wohnung, handelte es sich bei dem Gemisch um Ammoniumnitrat. Die Ermittler des BKA, das inzwischen den Fall von der Bundeanwaltschaft in Karlsruhe übertragen bekommen hat, müssen nun klären: ist die Mischung aus der Wohnung am Memelweg identisch mit der am Bonner Hauptbahnhof?


Seit November 2012 waren die nordrhein-westfälischen Ermittler dem Salafisten-Quartett auf der Spur. Erste Hinweise ergaben sich über die Person Tayfun S., einen 23-jährigen Deusch-Türken aus Essen. Der Mann mit den schulterlangen Haaren soll versucht haben sich eine Waffe zu besorgen, so die anfänglichen Hinweise. Zunächst vermuteten die Beamten des Staatsschutzes S. plane womöglich Raubüberfälle.


Schnell aber war klar, dass Tayfun S. Kontakte in die radikalislamische Szene unterhielt. Zu seinen Bekannten zählte u.a. ein inzwischen in den Gaza-Streifen abgeschobener Palästinenser, der in NRW als islamistischer Gefährder  galt.
Die Observierung von S. durch die Ermittler ergab im Dezember 2012, dass er sich regelmäßig mit drei weiteren Salafisten traf:


Marco René G. (25) – der Konvertit stammt nach meinen Informationen aus dem niedersächsischen Oldenburg. Als Jugendlicher fiel er dort durch kriminelle Straftaten auf, konvertierte dann zum Islam und verkehrte fortan in der lokalen Salafisten-Szene. Er galt in Niedersachsen nicht als besonders radikal. Im Juli 2011 zog G. von Oldenburg nach Bonn. Dort lebte er mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind in der Mietswohnung in Bonn-Tannenbusch.


Koray Nicholas D. (24) – Der Deutsch-Türke wurde in Aachen geboren und wuchs in Wülfrath auf. Er machte Abitur, leistete seinen Bundeswehrdienst in Koblenz und schloss anschließend eine Ausbildung zum Verwaltungsfachwirt in Duisburg ab. Nach meinen Informationen plante D. zunächst ein Studium an der Universität Bonn. Er hatte sogar bereits einen Studienplatz, der ihm dann allerdings ohne Begründung wieder entzogen wurde. Privat war Koray D. Mitglied im Schützenverein „Snipers-Essen e.V.“ in Essen und durfte daher legal Waffen erwerben. Er war außerdem im Oktober 2011 ein Anwerber für den Polizeidienst in Bremen.


Enea B. (43) – der Senior der Gruppe stammt aus Albanien und soll ein Ex-Elitesoldat sein. Zuletzt lebte B. in Duisburg.


Die vier Salafisten bildeten nach Ansicht der Bundesanwaltschaft möglicherweise eine „inländische terroristische Vereinigung radikal-islamistischer Prägung“. Ihnen wird vorgeworfen mindestens einen Mordanschlag geplant zu haben. Dabei verhielt sich das Quartett auffällig unauffällig.

Keiner der vier war polizeilich aufgefallen, sie gehörten nicht zu den rund 100 Salafisten, die bei den gewaltsamen Protesten im Mai 2012 in Bonn festgenommen und registriert wurden. Dennoch vermuteten die Ermittler Ende des vergangenen Jahres früh, dass sie es mit einer Terrorzelle zu tun hatten.

Sie verwanzten dehalb u.a. das Auto, mit dem Marco René G. und Enea B. in der Nacht zum 12.März zum Haus des „Pro NRW“-Chefs Beisicht fuhren.
In einem der abgehörten Gespräche soll sich der Konvertit Marco René G. außerdem verdächtig geäußert haben.

Ein Magazin hatte berichtet, der 25-jährige habe gesagt, es dürfe „wegen Bonn“ kein Haar ihm gefunden werden. Womöglich weil der Konvertit der Bombenleger vom Bonner Hauptbahnhof ist? Hatte der Salafist Angst er könnte durch eine DNA-Probe überführt werden?


Nach meinen Informationen fiel das Wort „Bonn“ allerdings beim abgehörten Gespräch nicht. Und auch der Sprengstoff, der in G.´s Wohnung gefunden wurde, stimmt nicht komplett mit dem überein, wie er am Bonner Hauptbahnhof verwendet wurde.


Große Hoffnungen hatten die Ermittler in ein Haar gesetzt, dass sie kurz vor Weihnachten in der Tasche des mutmaßlichen Bombenlegers sicherstellen konnten. Es handelte sich um das blondierte Haar eines europäischen oder nordamerikanischen, weißen Mannes. Mehr aber lieferte der Fund nicht. Die DNA ist unbrauchbar.

Aus Kreisen der Sicherheitsbehörden ist jedoch zu vernehmen, dass inzwischen anderen DNA-Spuren gesichert werden konnten. Ob sie mit Marco René G. übereinstimmen, muss sich noch zeigen.

Bombenbastler Keramat G. vor Gericht

von Florian Flade

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Sein Vater sei oft streng gewesen, erzählte Keramat G. am Montag vor dem Frankfurter Landgericht. Nie sei der Vater, der sein Geld mit einem Internet-Cafe und Mineralien-Handel verdient, zufrieden gewesen mit ihm. Keramat studierte Maschinen-Bau in Frankfurt. Und trotzdem habe der Vater, ein traditionsbewusster Afghane mit fünf Kindern, stets gesagt, aus ihm könne nichts werden. Als „Loser“ habe er sich gefühlt, so Keramat.

In ihm wuchs das Interesse für die spirituelle Seite des Lebens. Er habe sich zunehmend für die Religion interessiert, erinnerte sich der 26 Jahre alte Deutsch-Afghane zum Prozessauftakt. Islam, Sport und Kochen, das sei wichtig geworden für ihn. Und so stieß Keramat G. im Internet irgendwann auf radikal-islamische Inhalte. Auf Youtube-Videos, Internetforen und brisante Dokumente. Darunter auch eine Bombenbau-Anleitung der Al-Qaida.

Seit diesem Montag muss sich Keramat G. vor dem Frankfurter Landgericht verantworten. Er soll ein islamistischer Terrorist sein. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm die Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat vor.

Ich habe den Fall Keramat G. in einem Artikel in der „Welt“ im April 2012 beschrieben:

Die Gefahr der einsamen Wölfe

Was war passiert? Der Deutsch-Afghane Keramat G. wollte im Februar 2011 in seiner Studentenbude in Frankfurt-Höchst eine Bombe bauen. Im Internet hatte er das Al-Qaida-Magazin „Inspire“ entdeckt. Darin gab es die Schritt-für-Schritt Anleitung zum Bau einer Rohrbombe. Keramat besorgte sich all die nötigen Materialen – Aluminium-Rohre, Wecker, Lichterketten, Feuerwerkskörper und tausende Streichhölzer.

Die Streichhölzer rieb der Student ab. Zusammen mit Leuchtkugeln aus Feuerwerkskörpern wollte er das Pulver anschließend in einem Mixer zerkleinern. Ein Fehler. Das knapp 230 Gramm schwere Gemisch explodierte. Wie die Polizei später nachmessen konnte, hob sich durch die Explosion am 13.Februar 2011 sogar die Küchendecke um mehrere Zentimeter.

Keramat G. erlitt Schnittverletzungen und Verbrennungen. Er begab sich sofort in die Brandklinik in Offenbach. Der Traum vom Dschihad war wohl vorerst geplatzt.

Nachdem ein Passant in der Frankfurter Innenstadt beinahe zeitgleich einen USB-Stick fand, auf dem brisante Dokumente gespeichert waren, drohte Keramats Terrorplan aufzufliegen. Die Polizei konnte ihn als den Besitzer des USB-Sticks ausfindig machen und besuchte den verletzten Studenten im Krankenhaus.

Vier Stunden lang befragten ihn die Beamten des hessischen LKA am Krankenbett. Er sei frustriert und verärgert, wie Muslime in den Medien dargestellt würden, erzählte Keramat G. den Polizisten. Deshalb habe er sich entschieden eine Bombe zu basteln.

Die Beamten hatten demzufolge wohl einen radikalisierten Islamisten vor sich. Verhaftet wurde G. jedoch nicht. Und so gelang es dem Bombenbastler nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus aus Deutschland zu verschwinden. Keramat G. setzte sich nach Erkenntnissen der Ermittler nach Pakistan ab. Im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet soll der Terrorverdächtige Familie habe. Ob er plante sich dort einer terroristischen Vereinigung anzuschließen, ist nicht klar. Der damalige Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm jedenfalls, schloss dies nicht aus.

Während seiner Abwesenheit liefen die Ermittlungen gegen Keramat G. an. Die Anklage gegen den Studenten wurde vorbereitet. Kurz vor Weihnachten 2012 reiste Keramat G. nach Deutschland ein und wurde prompt festgenommen. Die Staatsanwaltschaft erließ umgehend Anklage gegen ihn.

Mit drei Verteidigern an seiner Seite muss sich der Bombenbastler nun in Frankfurt verantworten. Die Aussagen gegenüber den LKA-Beamten am Krankenbett der Brandklinik, seien nur unter Druck zustande gekommen, so die Verteidigung. In Wahrheit habe Keramat G. lediglich ein „Tischfeuerwerk“ basteln wollen. Dabei sei der Unfall passiert. Noch heute zeugen Narben an den Händen von der Explosion.

 

Dschihad mit Drohnen?

von Florian Flade

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 Islamist Rezwan Firdaws im abgehörten Gespräch mit FBI-Undercover Agenten

Zwei Wochen ist es her, da sorgte ein Bombenfund am Bonner Hauptbahnhof bundesweit für Schlagzeilen. Radikale Islamisten, so die Vermutung in Ermittlerkreisen, wollten mit einem Sprengsatz Marke Eigenbau ein Blutbad anrichten. Die Bombe ging zum Glück nicht hoch. Deutschland entging erneut einem islamistischen Terroranschlag.

Jetzt berichtet das Nachrichtenmagazin FOCUS von einem internen BKA-Papier in dem vor weiteren Anschlagsplanungen radikaler Islamisten gewarnt wird. In dem Dokument mit dem Hinweis „VS-Nur für den Dienstgebrauch“ geht es um die „terroristische Nutzung von Modellflugzeugen und Drohnen“ durch Personen aus der islamistische Szene.

Wie der FOCUS schreibt, würde der Einsatz von sprengstoffbestückten, ferngesteuerten Flugzeugen bereits innerhalb der Szene, insbesondere in Internetforen, diskutiert. Potenzielle Ziele könnten Flughäfen, aber auch bewohnte Gebiete, Menschenansammlungen und Gebäude sein.

In den USA verhaftete das FBI im September 2011 den 27-jährigen Physik-Studenten Rezwan Firdaws aus Massachusetts. Der US-Bürger mit bangladeschischen Wurzeln hatte geplant Modellflugzeuge vom Typ F-86 „Sabre“ und F-4 „Phantom“ mit C-4-Sprengstoff zu bestücken. Per Fernsteuerung wollte Firdaws die fliegenden Bomben dann ins Kapitol und das Pentagon in Washington D.C. steuern.

Deutsche Sicherheitsbehörden befürchten laut FOCUS, Islamisten in Deutschland ähnliches planen könnten.

Alles nur Panikmache? Jein.

Nein, weil ferngesteuerte Drohnen aus der Spielzeugabteilung und im professionellen Modellflugwesen immer günstiger und qualitativ besser werden. Wer das nötige Geld investiert, kann tatsächlich mit seinem Smartphone kleine Flugobjekte über Nachbars Garten steuern und alles per Kamera live verfolgen. Was vor Jahren nur dem Militär vorbehalten war, ist mittlerweile frei verfügbar.

Die Warnung vor den Terror-Drohne ist deshalb auch keine reine Panikmache, weil dem Bundeskriminalamt (BKA) tatsächlich Hinweise vorliegen, dass deutsche Dschihad-Extremisten über den Einsatz solcher Drohnenbomben als Waffe nachdenken. Zum Beispiel im Fall eines Maschinenbau-Studenten in Baden-Württemberg und eines Konvertiten in Bayern. Der eine soll sich intensiv über die Steuerung von Modellflugzeugen und Drohnen informiert haben. Der andere rief im Internet seine Glaubensbrüder auf, die Drohnen-Technologie für den Dschihad zu nutzen.

Dennoch ist die Warnung mit einer gesunden Nüchernheit zu betrachten. Wünsche gibt es viele in den Weiten der dschihadistischen Internetforen und in den Köpfen junger Fanatiker. Da wird fantasiert über Einsatz chemischer Waffen und tödlicher Viren, über das Vergiften von Trinkwasser bis hin zu Angriffen auf Atomkraftwerken.

Jede Naturkatastrophe, jeder Unfall größeren Ausmaßes wird in der islamistischen Szene zum Anlass genommen darüber zu philosophieren, wie eine vergeblichbare Aktion absichtlich herbeigeführt werden könnte. Seien es Waldbrände oder Erdbeben.

Es ist demnach nicht überraschend oder verwunderlich, dass Dschihadisten die Technologie der ferngesteuerten Kampfdrohnen für sich nutzen wollen. Der Wunsch ist Vater des Gedanken. Und dennoch ist fraglich ob eine solche Waffe in der Hand radikaler Islamisten überhaupt zum Einsatz kommen könnte. Eine fliegende Bombe zu konstruieren dürfte weitaus größeres Geschick und Können voraussetzen als eine Rohrbombe mit Wecker-Zeitzünder zu bauen.

Der Bonner Vorfall zeigt, dass selbst Bomben, die mit Hilfe von Al-Qaida-Bauanleitungen konstruiert wurden, häufig nicht funktionsfähig sind. Die Arbeit der Terrorzellen erweist sich nur allzu oft als stümperhaft. Selbst bei einfachsten Sprengsätzen.

Die Kölner Kofferbombe scheiterten an der eigenen Unfähigkeit. Im Fall der Bonner Bahnhofsbombe waren die Batterien zu schwach. Die „Sauerland-Gruppe“ besaß nie explosiven Sprengstoff, weil Ermittler im Zuge der Überwachungsarbeit die Chemikalien austauschen konnten. In Frankfurt sprengte sich ein junger Deutsch-Afghane Anfang 2011 beinahe selbst in die Luft als er in der Küche Sprengstoff kochen wollte. Die Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle wurde entdeckt, noch bevor ausreichende Mengen Chemikalien für eine Bombe hergestellt werden konnten.