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§ 89a StGB – Der Türöffner-Paragraph

Der Paragraph 89a des Strafgesetzbuches gilt als wichtiges Werkzeug im Anti-Terror-Kampf. Durch das Gesetz wird bereits die Vorbereitung eines Anschlags strafbar – und damit verschiebt sich die Strafbarkeit weit ins Vorfeld. Was hat es mit dem umstrittenen Gesetz auf sich?

Von Florian Flade

Der „falsche Syrer“ kommt vor Gericht. Am heutigen 20. Mai beginnt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Prozess gegen Franco A., den Bundeswehr-Offizier, der sich erfolgreich als syrischer Flüchtling ausgegeben und deutsche Behörden damit genarrt hatte – und dem vorgeworfen wird, ein Rechtsextremist zu sein und einen Terroranschlag geplant zu haben. Vor vier Jahren Jahren, im April 2017, war Franco A. festgenommen worden. Er hatte auf einer Toilette im Flughafen von Wien eine scharfe Pistole, geladen mit mehreren Patronen, versteckt, und war daraufhin ins Visier der Ermittler geraten.

Bis heute ist unklar, was der Soldat mit der Waffe wollte. Die Bundesanwaltschaft ist jedoch überzeugt, dass Franco A. ein Attentat auf eine Person des öffentlichen Lebens, etwa aus der Politik, plante. Sie führt dazu mehrere Indizien auf, darunter verdächtig klingende Notizen, die bei Durchsuchungen gefunden worden waren.

Franco A. muss sich wegen des Betrugs als „falscher Syrer“ und wegen Waffendelikten verantworten. Der gravierendste Vorwurf, den die Bundesanwaltschaft gegen Franco A. erhebt, aber lautet: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, § 89a des Strafgesetzbuches.

Seit einigen Jahren spielt dieses vergleichsweise neue Gesetz immer wieder in Terrorismusverfahren eine Rolle. Durch ihn landen regelmäßig Menschen vor Gericht, die Sprengstoff hergestellt und Bomben gebastelt haben – oder die zumindest dabei waren, dies zu tun.

Der § 89a StGB ist das Werkzeug der Strafverfolger, um angehende Terroristen ins Gefängnis zu bringen. Ein Gesetz, das nicht erst die Tat, sondern schon die Vorbereitungshandlung unter Strafe stellt. Wer Sprengstoff herstellt, wer an einer Bombe bastelt oder wer sich Waffen beschafft, kann mit dem § 89a StGB empfindlich bestraft werden.

„(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1. eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,

2. Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder

3. Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.“

§ 89a Strafgesetzbuch

Der Paragraph setzt damit schon sehr früh an. Schon die Bestellung von Chemikalien, die für die Herstellung von Sprengstoff geeignet sind, oder die Beschaffung von Material, das für den Bau einer Bombe benötigt wird, wird durch das Gesetz zu einer strafbaren Handlung. Die Straftat wird somit ins Vorfeld verlagert. Zu weit ins Vorfeld, meinen Kritiker und sehen in dem Paragraphen eine Form des Gesinnungsstrafrechts.

Die Gedanken sind frei, so heißt es. Durch den § 89a StGB aber müsste man fast eine Ergänzung hinzufügen: Die Gedanken sind zwar frei, aber manche Absichten können durchaus strafbar sein.

Was hat es mit dem umstrittenen Anti-Terror-Gesetz auf sich? Wo verläuft die Grenze zwischen straffreien Terrorgelüsten und verbotenen Anschlagsplanungen? Und in welchen Verfahren spielte der § 89a StGB bislang eine wichtige Rolle?

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Erst Salafist, dann Cybergangster

von Florian Flade

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Ein Bankkonto kann sehr nützlich sein – selbst wenn sich darauf kein Geld befindet. Für Nader H. aus dem schleswig-holsteinischen Pinneberg wurden die leeren Konten wohl zur lukrativen Einnahmequelle. Mindestens 85 Konten soll der 29-jährige seit Januar 2015 bei unterschiedlichen Finanzinstituten eröffnet haben. Und zwar immer mit gefälschten Personalien. Zwei Bekannte halfen ihm laut Staatsanwaltschaft dabei. Sie arbeiteten bei Verifizierungsdiensten und sollen die Bankkonten freigeschaltet haben. Gegen eine Zahlung von bis zu 200 Euro pro Konto.

Nader H. soll die illegal eröffneten Bankkonten –„Bankdrops“ genannt – samt dazugehöriger EC- und Kreditkarte in Internetforen im sogenannten „Darknet“ verkauft haben. Preis: Ab 1.400 Euro pro Konto. Gekauft wurden die „Bankdrops“ nach Erkenntnissen der Ermittler von anderen Cybergangstern, die sie wiederum für ihre kriminellen Geschäfte nutzten. Der Pinneberger H. soll außerdem nicht nur mit illegalen Bankkonten sondern auch mit Drogen im Internet gehandelt haben.

Am vergangenen Mittwoch schließlich bekam Nader H. unerwarteten Besuch. Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) und Polizisten aus Schleswig-Holstein nahmen den „Bankdrop“-Händler im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt in seiner Wohnung fest. Gleichzeitig wurden noch acht weitere Wohnungen und Büros in Hamburg durchsucht. Bei Nader H. beschlagnahmte die Polizei nicht nur Unterlagen zu den illegalen Kontoeröffnungen und Blanko-Zahlungskarten, sondern auch Cannabis, 2000 Euro in Bar, eine Schreckschusspistole, eine Blendgranate und Manövermunition.

Auf die Spur von Nader H. waren die Ermittler des Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) in Gießen und des BKA gekommen. Sie hatten die Angebote des 29-jährigen Schleswig-Holsteiners im Internet verfolgt und konnten den Online-Händler schließlich identifizieren.

Dabei stellte sich heraus, dass gegen Nader H. bereits ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hamburg läuft. Und zwar wegen des Verdachts des Verstoßes gegen ein Vereinsverbot.

Es geht dabei um das islamistische Netzwerk „Millatu Ibrahim“, das im Juni 2012 vom Bundesinnenministerium verboten wurde. In einer bundesweiten Razzia hatten damals Polizei und Staatsanwaltschaft eine Moschee im nordrhein-westfälischen Solingen, sowie zahlreiche Wohnungen, Vereinsräume und Büros durchsucht. Beschlagnahmt wurden Bargeld, Computer, Unterlagen und Festplatten.

Viele Salafisten, die „Millatu Ibrahim“ angehörten, verließen nach dem Vereinsverbot die Bundesrepublik. Sie wanderten nach Ägypten, Libyen und später auch nach Syrien aus. Einige Islamisten allerdings sollen das Netzwerk in Norddeutschland im Untergrund weitergeführt haben.

Nur rund ein Jahr nach dem Verbot von „Millatu Ibrahim“ rückte die Polizei daher erneut aus. Am 20. Juni 2013 durchsuchten 80 Beamte insgesamt 15 Wohnungen von Salafisten in Hamburg, Pinneberg, Elmshorn und Lübeck. Die Staatsanwaltschaft Hamburg erklärte damals sie ermittle gegen 15 Personen wegen des Verdachts eine Nachfolgeorganisation von „Millatu Ibrahim“ gegründet zu haben.

Auch Nader H., der jetzt festgenommene „Bankdrop“-Händer, gehört zu den Verdächtigen. Ein Prozess gegen den 29-jährigen fand bislang allerdings noch nicht statt. Ob er weiterhin in der radikal-islamischen Szene verkehrte, ist noch unklar. Es gebe keinerlei Hinweise darauf, so heißt es in Ermittlerkreisen, dass der Pinneberger seinen kriminellen Internethandel dazu genutzt habe, terroristische Gruppen zu finanzieren.

 

Terrorpläne in der Frühphase?

von Florian Flade

Was steckt hinter dem Terroralarm in Berlin? Und welche Rolle spielt ein Asylbewerber in Attendorn?

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Das Foto soll Farid A. in den Reihen des IS in Syrien zeigen (Quelle: Berliner Polizei)

Im Herbst vergangenen Jahres, kurz nach den Terroranschlägen von Paris, rückte ein 30-jähriger Mann in Berlin in den Fokus der deutschen Sicherheitsbehörden. Der Algerier Fayssal B. kam im Frühjahr 2004 nach Deutschland und besitzt seitdem eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Nach außen wirkte er unauffällig, lebt mit Frau und Kind im Ortsteil Tempelhof. Am S-Bahnhof Alexanderplatz und am Checkpoint Charlie arbeitete er in zwei Backshops als Verkäufer.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) kam jedoch zur Einschätzung, dass es sich bei Fayssal B. um einen radikalen Islamisten, einen Unterstützer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) handeln könnte. Die Agenten nahmen ihn daraufhin genauer ins Visier.

Dabei stellten die Verfassungsschützer fest, dass Fayssal B. einige interessante Kontakte pflegte, unter anderem zu „Abdelsalam N.“, einem 49-jährigen Algerier der mit richtigem Namen Nardine F. heißen soll, geboren im französischen Nancy. Er lebte seit dem Jahr 2000 mit unterschiedlichen Identitäten in Berlin und wohnt in einem unscheinbaren Hinterhof-Wohnblock in Berlin Kreuzberg lebt. F. soll vor zwei Jahren kurzzeitig verschwunden sein, und kehrte anschließend mit gefälschten französischen Personaldokumenten zurück.

Fayssal B. stand nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes auch in Kontakt mit einem Mann, der erst im Dezember nach Deutschland eingereist war – getarnt als Flüchtling aus dem syrischen Aleppo, mit falschen Namensangaben. Der 34-jährige Farid A. kam offenbar mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern über die sogenannte Balkan-Route zunächst nach Bayern, wo er sich am 28. Dezember 2015 erstmals als Asylbewerber registrieren ließ. Im Januar schließlich bezog er eine Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Attendorn.

Die Kommunikation zwischen Fayssal B. in Berlin und Farid A. im Asylbewerberheim sei „hoch konspirativ“ abgelaufen, berichten Ermittler. Die Männer hätten Verschlüsselungssoftware und Chatprogramme benutzt, die für Sicherheitsbehörden kaum zu knacken sind. Mehrfach hätten sie Mobiltelefone und SIM-Karten gewechselt.

Das Kontaktprofil des mutmaßlichen Islamisten Fayssal B. machte die Verfassungsschützer stutzig. Sie intensivierten die Observationen, Telefone wurden abgehört. Dabei wurde noch eine weitere Verbindung von Faisal B. bekannt: Zu einem 25-jährigen algerischen Asylbewerber aus Isernhagen bei Hannover. Der Mann soll vor kurzem eine Reise unternommen haben. In den Brüsseler Stadtteil Molenbeek – einer salafistischen Hochburg und Heimat einiger Attentäter der Anschläge von Paris im November 2015.

Was genau planten Fayssal B., Farid A. und die beiden anderen Männer? Bereiteten sie einen Terroranschlag in Deutschland vor? Womöglich in Berlin? Vielleicht am Checkpoint Charlie oder am Alexanderplatz, wo Faisal B. zur Arbeit ging?

Wirklich konkret wurden die Hinweise nicht, die deutsche Sicherheitsbehörden rund im Januar generieren konnten. Aber es gelang ihnen schließlich die wahre Identität des angeblichen Flüchtlings Farid A. in Attendorn zu klären: Er ist kein Syrer, sondern Algerier. Und wird von den algerischen Behörden mit einem internationalen Haftbefehl gesucht, weil er für die Terrorgruppe IS in Syrien tätig gewesen sein soll.

Ein als Flüchtling getarnter IS-Dschihadist, ein Algerier mit Kontakten nach Belgien und zwei mutmaßliche Islamisten in Berlin – davon einer mit offensichtlich gefälschtem Pass. Die Gemengelage schien für die Ermittler zu riskant, um sie nicht weiter zu verfolgen. Zumal auch Fotoaufnahmen auftauchten, die den Asylbewerber Farid A. in Kampfmontur, mit Pistole in der Hand in Syrien zeigen, teilweise mit Leichen posierend und beim Abendessen mit einem mutmaßlichen Kontaktmann der Paris-Attentäter.

Am 10. Januar schließlich gab das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seine Erkenntnisse über die algerische Islamisten-Zelle an die Berliner Staatsanwaltschaft ab. In deren Auftrag übernahm die Sonderkommission „Frost“ des Landeskriminalamtes (LKA) die Ermittlungen. Was folgte waren drei Wochen intensive Observationsarbeit durch Mobile Einsatzkommandos (MEK) in Berlin und Attendorn.

In den frühen Morgenstunden folgte am Donnerstag schließlich der Zugriff. Rund 450 Polizisten, davon alleine rund 300 Beamte in Berlin, rückten in Attendorn, Hannover und der Hauptstadt an. Sie nahmen Farid A. und seine Frau fest. Und auch Nardine F. in Berlin-Kreuzberg wurde wegen des Verdachts der Urkundenfälschung kurzzeitig festgenommen. Für Fayssal B., der in seiner Wohnung in Berlin-Tempelhof angetroffen wurde, und für den Algerier in Hannover reichte es offenbar nicht für Haftbefehle. Sie wurden lediglich befragt.

„Bei den richterlich angeordneten Durchsuchungen der Wohnungen und Arbeitsstätten stellten die Ermittler Datenträger in großer Menge, Dokumente, Unterlagen sowie Mobiltelefone sicher“, teilte die Berliner Polizei am Freitag mit. „Zur Unterstützung der Maßnahmen wurden Sprengstoffspürhunde eingesetzt. Gefährliche Gegenstände wie Sprengstoff oder Waffen wurden dabei nicht gefunden.“

Falls es Anschlagspläne des algerischen Quartetts gab, dann befanden sie sich noch in der „Frühphase“, ist aus Sicherheitskreisen zu vernehmen. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen erklärte im ZDF-Morgenmagazin, es sei die Aufgabe seiner Behörde derartige Planungen frühzeitig aufzuklären und zu vereiteln.