von Florian Flade
Den Sicherheitsbehörden ist ein Schlag gegen ein Dschihadisten-Netzwerk in Berlin, Hessen und Nordrhein-Westfalen gelungen. Die Extremisten sollen eine Terrorgruppe in Syrien unterstützt haben.
In Berlin-Treptow, auf dem Gelände einer ehemaligen Preußischen Kaserne, befindet sich das Herz der deutschen Terrorbekämpfung. Das “Gemeinsame Terrorabwehrzentrum” (GTAZ). In täglichen Lagebesprechungen kommen hier Experten von Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst (BND), Bundeskriminalamt (BKA) und Vertreter der Bundesanwaltschaft (GBA) zusammen, um die Gefahr einzuschätzen, die von radikalen Islamisten ausgeht. Dazu tauschen die Terrorermittler Erkenntnisse aus, werten abgehörte Telefonate, abgefangene E-Mails und Berichte von Informanten aus, analysieren Propagandavideos.
Seit Monaten dominiert ein Thema die Runden im GTAZ: Syrien. Mindestens 300 Islamisten aus der Bundesrepublik sollen in das Bürgerkriegsland gereist sein, um sich am Kampf gegen das Assad-Regime zu beteiligen. Der Sicherheitsapparat arbeitet fieberhaft daran, den Extremisten auf die Schliche zu kommen. Wer will nach Syrien reisen? Wer ist bereits ausgereist? Wer zurückgekehrt? Was treiben die deutschen Islamisten vor Ort? Wer hat eine Terror-Ausbildung erhalten? Was haben die Syrien-Rückkehrer vor? All diese Fragen versuchen die verschiedenen Sicherheitsbehörden in Kooperation zu klären. Eine Sisyphos-Aufgabe.
Das Ziel ist dabei klar: Wer in Syrien als Kämpfer oder Helfer von Kämpfern aktiv war, und wieder in die Bundesrepublik einreist, den soll die volle Härte des Rechtsstaats treffen. Wie jetzt im Fall von Fatih K., Fatih I. und Karolina R.
Am Montagmorgen rückten mehr 100 Beamte der GSG-9, des BKA und verschiedener Landeskriminalämter aus und durchsuchten insgesamt zehn Wohnungen mutmaßlicher Islamisten in Berlin, Bonn und Frankfurt am Main. Insgesamt ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen ein Netzwerk von acht Personen, die der Terrorunterstützung verdächtigt werden.
Im Fokus stehen der 35-jährige Deutsch-Türke Fatih K. aus Berlin, der 26-jährige Türke Fatih I. aus Frankfurt am Main und die 27-jährige polnisch-deutsche Staatsbürgerin Karolina R. aus Bonn. Sie wurden am Montag wegen des Verdachts der “Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung” verhaftet. Die beiden Männer sollen sich in Syrien der Terrorgruppe “Islamischer Staat im Irak und Großsyrien” (ISIG) angeschlossen haben. Der Bonnerin Karolina R. wird vorgeworfen, Geld an ISIS gespendet zu haben.
“Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass gewaltsame Konflikte wie der in Syrien sich unmittelbar auf uns in Deutschland auswirken”, warnte Bundesanwalt Harald Range am Montag in Karlsruhe. “Wir müssen dieser Entwicklung auch mit den Mitteln des Strafrechts entschieden entgegentreten auch mit Blick auf mögliche Gefahren, die von radikalisierten Rückkehrern aus Syrien für die Bevölkerung in Deutschland ausgehen können.“
Dem Polizeieinsatz voraus ging eine monatelange Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Sicherheitsbehörden. Schon seit dem vergangenen Jahr standen die nun Beschuldigen Fatih K. und Fatih I. auf einer Liste von mutmaßlichen Syrien-Reisenden aus der deutschen Islamisten-Szene. Im Sommer 2013 hatten sich die Männer über die Türkei nach Syrien abgesetzt. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden schloss sich Fatih K. wohl zunächst der islamistischen Rebellengruppe “Junud ash-Sham” an, wechselte später zum “Islamischen Staat im Irak und Großsyrien” (ISIG). Der Berliner soll sich sowohl an Kämpfen als auch an der Propagandaarbeit beteiligt haben.
Es wirkt wie ein dschihadistisches Dejavu, denn Fatih K. wurde bereits vor drei Jahren wegen Terror-Unterstützung verurteilt. Mehr als 2.000 Euro hatte der sechsfache Vater im November und Dezember 2009 an die “Deutschen Taliban Mujahideen” (DTM), eine nicht mehr existente Terrortruppe im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, überwiesen. Zudem soll K. als eine Art Schleuser für kampfeswillige Islamisten fungiert haben.
Im April 2011 verurteilte das Berliner Kammergericht den Deutsch-Türken zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Der Haftbefehl wurde jedoch ausgesetzt. Es bestehe keine Fluchtgefahr, befand der damalige Vorsitzende Richter. Das Geständnis von Fatih K. habe gezeigt, dass der Terrorhelfer seine Taten bereue.
Wohl eine fatale Fehleinschätzung, wie die erneute Festnahme von Fatih K. am Montag zeigt. Wieder wird dem Berliner Unterstützung einer Dschihad-Gruppierung vorgeworfen. Dieses Mal geht es um Syrien.
Der zweite Beschuldigte, Fatih I. aus Frankfurt am Main, war den Sicherheitsbehörden vor seiner Ausreise in den syrischen Bürgerkrieg als aktives Mitglied der hessischen Salafisten-Szene bekannt. Er beteiligte sich an der Koran-Verteilkampagne “Lies!”, meldete eine solche Aktion in Offenbach selbst an. I. soll sich im Spätsommer 2013 in Syrien der Terrorgruppe ISG angeschlossen haben.
Die Ermittler in Deutschland stießen nach meinen Informationen im Internet auf Fotos des Frankfurter Islamisten aus dem türkisch-syrischen Grenzgebiet. Die Aufnahmen sind datiert und zeigen Fatih I., wie er mit einem schwarzen Banner der ISIG posiert. Für die Bundesanwaltschaft ein wichtiger Hinweis auf die Unterstützung der Terrororganisation.
Am 23.September 2013 reiste Fatih I. gemeinsam mit Fatih K. wieder nach Deutschland ein. Per Flugzeug von Istanbul nach Berlin. Ab diesem Moment galten die beiden Syrien-Veteranen als islamistische Gefährder und standen unter ständiger Beobachtung der Behörden. Dennoch gelang es Fatih I., sich Ende vergangenen Jahres erneut nach Syrien abzusetzen. Auf “hochkonspirative Art”, wie es aus Sicherheitskreisen heißt.
Im Januar kehrte der 26-jährige Türke aus Syrien zurück. Offenbar radikalisiert und motiviert, weiter im Dienste der Terroristen der ISIG zu arbeiten. Nach Darstellung der Bundesanwaltschaft befasste sich Fatih I. damit, “Geld- und Sachmittel für die terroristische Vereinigung zu beschaffen”. Zuletzt soll I. sogar geplant haben, ein drittes Mal nach Syrien zu reisen.
Geld für ISIG beschaffte auch eine Islamistin aus Bonn. Karolina R. soll, so fanden die Ermittler heraus, in vier Geldzahlungen insgesamt rund 4.800 Euro an die syrische Terrorgruppe gespendet haben.
Fünf weitere mutmaßliche Terrorhelfer, die wohl mit Fatih K., Fatih I. und Karolina R. in Verbindung standen, sind ebenfalls Teil des Ermittlungskomplexes, wurden jedoch am Montag nicht verhaftet.
Der Fall zeigt, dass die dschihadistischen Ausreisen auf das syrische Schlachtfeld inzwischen eine Rückwirkung nach Deutschland haben. Sicherheitsbehörden warnen seit Monaten vor der Gefahr, die von den kampferprobten Rückkehrern aus dem Bürgerkrieg ausgeht. Wer in Syrien Kampferfahrung gesammelt habe, radikalisiere sich oftmals weiter, so die Einschätzung des Verfassungsschutzes. Nicht wenige Islamisten agieren offensichtlich weiter im Auftrag einer Terrorgruppe, werben neue Kämpfer an oder sammeln Spendengelder.
Etwa ein Dutzend Verfahren mit Syrien-Bezug sollen aktuell bei der Bundesanwaltschaft in Kalrsruhe anhängig sein. Hinzu kommen noch zahlreiche weitere Verfahren bei den jeweiligen Staatsanwaltschaften der Länder.
Der Dschihad-Tourismus nach Syrien wird die deutsche Justiz und auch die Sicherheitsbehörden wohl noch eine ganze Weile beschäftigen.
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