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Ein zweiter US-Spion?

von Florian Flade

Im Verteidigungsministerium gibt es einen zweiten Verdachtsfall der US-Spionage. Hat ein Referent brisante Informationen an einen amerikanischen Agenten übergeben?

pic120714Bundesministerium der Verteidigung in Berlin  – Ein zweite US-Spion?

Der Mann mit den silbergrauen Haaren, Brille und Schnauzbart, der am vergangenen Donnertag mit einer Aktentasche in der Hand den abhörsicheren Raum des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) betrat, ist dort ein seltener Gast. Ulrich Birkenheier ist Chef des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), des Geheimdienstes der Bundeswehr. Jenes Nachrichtendienstes, der in der Bundesrepublik wohl den wenigsten bekannt sein dürfte.

Birkenheier hatte Brisantes zu berichten. Nachdem im Bundesnachrichtendienst (BND) in der Woche zuvor ein Mitarbeiter aufgeflogen war, der wohl zwei Jahre lang sensible Dokumente an den US-Geheimdienst CIA verkauft hatte, gebe es nun einen zweiten Verdachtsfall, so Birkenheier. Diesmal im Verteidigungsministerium. Seine Agenten hätten seit längerem einen Regierungsbeamten im Visier, der womöglich einem amerikanischen Geheimdienst zugearbeitet habe.

Am Mittwoch hatten Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) im Beisein eines Staatsanwalts der Bundesanwaltschaft eine Privatwohnung nahe Potsdam und ein Büro im Verteidigungsministerium im Berliner Bendlerblock an der Stauffenbergstraße durchsucht. Computer, Datenträger, Handy und Dokumente wurden beschlagnahmt. Es gebe den Anfangsverdacht der geheimdienstlichen Agententätigkeit. Man ermittle gegen einen weiteren mutmaßlichen Spion im Dienste Amerikas, bestätigte die Bundesanwaltschaft. Eine Festnahme erfolgte jedoch nicht.

Tags darauf lieferten MAD-Chef Ulrich Birkenheier und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in einer Sondersitzung des PKGr die Details zum Fall. Demnach gab es bereits im August 2010 einen anonymen Hinweis an die Sicherheitsbehörden, ein damaliger Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes betreibe womöglich Spionage für einen ausländischen Geheimdienst, vielleicht für die Russen. Der Mann halte sich häufig im Ausland auf, treffe dort eventuell seine Kontaktperson.

Die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes nahm die Spur auf. Der Verdächtige, ein Osteuropa-Experte des Außenministeriums, war eine zeitlang als politischer Berater auf dem Balkan eingesetzt. Später wechselte er als Länderreferent in die Abteilung „Pol II – Verteidigungs- und Rüstungspolitik“ des Verteidigungsministeriums.

Während eines Kosovo-Einsatzes kam der Mann in Kontakt mit einem Amerikaner, der für die Hilfsorganisation USAID tätig gewesen sein soll. Eine beliebte Tarnung auch für Spione. Im Laufe der Jahre trafen sich der Deutsche und der Amerikaner noch mehrfach privat, unter anderem bei Kurzurlauben, auch in der Türkei.

Aufgrund seiner Tätigkeit für das Verteidigungsministerium war der Militärische Abschirmdienst (MAD) mit dem Fall betraut, der für die Spionageabwehr in der Bundeswehr zuständig ist. Die MAD-Agenten vermuteten, dass der deutsche Osteuropa-Experte von seinem Kontaktmann abgeschöpft wird. Auffällig großzügig sei der Amerikaner, zu eng der Kontakt, so die Einschätzung der MAD-Ermittler. Und womöglich stecke hinter dem Abschöpfen sogar der russische Nachrichtendienst.

Im Frühjahr diesen Jahres erfolgte eine Abfrage zu dem Regierungsbeamten beim Bundesnachrichtendienst (BND). Der MAD wollte von den Kollegen wissen, ob dort Hinweise vorlägen, die auf eine Anbindung an den russischen Geheimdienst hindeuten.

Im April nahm die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen gegen den 37-jährigen Bundeswehr-Mitarbeiter auf. Es handele sich bislang nur um einen „Anfangsverdacht“ heißt es aus Sicherheitskreisen. Jahrelange Beobachtung des Verdächtigen hätten keinerlei konkrete Belege für eine Agententätigkeit ergeben. Ausgeschlossen sei diese allerdings bislang nicht. „Vielleicht finden wir ja noch etwas“, so ein Ermittler.

Der Verdächtige hingegen bestreitet jede Form von Spionage. Das Verhältnis zu dem amerikanischen Kollegen, so sagte er den Ermittlern, sei eine reine „Männerfreunschaft“.