§ 89a StGB – Der Türöffner-Paragraph

Der Paragraph 89a des Strafgesetzbuches gilt als wichtiges Werkzeug im Anti-Terror-Kampf. Durch das Gesetz wird bereits die Vorbereitung eines Anschlags strafbar – und damit verschiebt sich die Strafbarkeit weit ins Vorfeld. Was hat es mit dem umstrittenen Gesetz auf sich?

Von Florian Flade

Der „falsche Syrer“ kommt vor Gericht. Am heutigen 20. Mai beginnt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Prozess gegen Franco A., den Bundeswehr-Offizier, der sich erfolgreich als syrischer Flüchtling ausgegeben und deutsche Behörden damit genarrt hatte – und dem vorgeworfen wird, ein Rechtsextremist zu sein und einen Terroranschlag geplant zu haben. Vor vier Jahren Jahren, im April 2017, war Franco A. festgenommen worden. Er hatte auf einer Toilette im Flughafen von Wien eine scharfe Pistole, geladen mit mehreren Patronen, versteckt, und war daraufhin ins Visier der Ermittler geraten.

Bis heute ist unklar, was der Soldat mit der Waffe wollte. Die Bundesanwaltschaft ist jedoch überzeugt, dass Franco A. ein Attentat auf eine Person des öffentlichen Lebens, etwa aus der Politik, plante. Sie führt dazu mehrere Indizien auf, darunter verdächtig klingende Notizen, die bei Durchsuchungen gefunden worden waren.

Franco A. muss sich wegen des Betrugs als „falscher Syrer“ und wegen Waffendelikten verantworten. Der gravierendste Vorwurf, den die Bundesanwaltschaft gegen Franco A. erhebt, aber lautet: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, § 89a des Strafgesetzbuches.

Seit einigen Jahren spielt dieses vergleichsweise neue Gesetz immer wieder in Terrorismusverfahren eine Rolle. Durch ihn landen regelmäßig Menschen vor Gericht, die Sprengstoff hergestellt und Bomben gebastelt haben – oder die zumindest dabei waren, dies zu tun.

Der § 89a StGB ist das Werkzeug der Strafverfolger, um angehende Terroristen ins Gefängnis zu bringen. Ein Gesetz, das nicht erst die Tat, sondern schon die Vorbereitungshandlung unter Strafe stellt. Wer Sprengstoff herstellt, wer an einer Bombe bastelt oder wer sich Waffen beschafft, kann mit dem § 89a StGB empfindlich bestraft werden.

„(1) Wer eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Eine schwere staatsgefährdende Gewalttat ist eine Straftat gegen das Leben in den Fällen des § 211 oder des § 212 oder gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder des § 239b, die nach den Umständen bestimmt und geeignet ist, den Bestand oder die Sicherheit eines Staates oder einer internationalen Organisation zu beeinträchtigen oder Verfassungsgrundsätze der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.

(2) Absatz 1 ist nur anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er

1. eine andere Person unterweist oder sich unterweisen lässt in der Herstellung von oder im Umgang mit Schusswaffen, Sprengstoffen, Spreng- oder Brandvorrichtungen, Kernbrenn- oder sonstigen radioaktiven Stoffen, Stoffen, die Gift enthalten oder hervorbringen können, anderen gesundheitsschädlichen Stoffen, zur Ausführung der Tat erforderlichen besonderen Vorrichtungen oder in sonstigen Fertigkeiten, die der Begehung einer der in Absatz 1 genannten Straftaten dienen,

2. Waffen, Stoffe oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verwahrt oder einem anderen überlässt oder

3. Gegenstände oder Stoffe sich verschafft oder verwahrt, die für die Herstellung von Waffen, Stoffen oder Vorrichtungen der in Nummer 1 bezeichneten Art wesentlich sind.“

§ 89a Strafgesetzbuch

Der Paragraph setzt damit schon sehr früh an. Schon die Bestellung von Chemikalien, die für die Herstellung von Sprengstoff geeignet sind, oder die Beschaffung von Material, das für den Bau einer Bombe benötigt wird, wird durch das Gesetz zu einer strafbaren Handlung. Die Straftat wird somit ins Vorfeld verlagert. Zu weit ins Vorfeld, meinen Kritiker und sehen in dem Paragraphen eine Form des Gesinnungsstrafrechts.

Die Gedanken sind frei, so heißt es. Durch den § 89a StGB aber müsste man fast eine Ergänzung hinzufügen: Die Gedanken sind zwar frei, aber manche Absichten können durchaus strafbar sein.

Was hat es mit dem umstrittenen Anti-Terror-Gesetz auf sich? Wo verläuft die Grenze zwischen straffreien Terrorgelüsten und verbotenen Anschlagsplanungen? Und in welchen Verfahren spielte der § 89a StGB bislang eine wichtige Rolle?

Noch vor kurzem stand der Paragraph wesentlich öfter auf Durchsuchungsbeschlüssen als in Anklagen oder gar Urteilen. Mit dem „89er“, wie Ermittler und Staatsanwälte das Gesetz meist nennen, wurden vielfach Wohnungsdurchsuchungen begründet, obwohl die Verdachtslage oft alles andere als erdrückend war. Offenbar aber überzeugt schon der bloße Verdacht eines möglicherweise geplanten Terroranschlags so manchen Ermittlungsrichter. Und so hat das Gesetz auch noch einen anderen Spitznamen: „Türöffner-Paragraph“.

Mittlerweile aber ist der Paragraph längst nicht mehr nur der Türöffner für Terrorfahnder, sondern der § 89a StGB hat tatsächlich auch schon mehrere angehende Attentäter ins Gefängnis gebracht. Zum Beispiel Sief Allah H., der sogenannte „Rizin Bomber“ aus Köln. Der tunesische Islamist hatte sich Samen der Rizinuspflanze beschafft, aus denen das Gift Rizin gewonnen werden kann. Damit habe er letztendlich einen Terroranschlag verüben wollen, so urteilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht und schickte Sief Allah H. zehn Jahre in den Knast.

Auch der Syrer Yamen A., der zuletzt in Schwerin lebte, soll einen Bombenanschlag vorbereitet haben. Mehrfach versuchte er hochexplosiven Sprengstoff aus diversen Chemikalien herzustellen. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg verurteilte ihn deshalb zu sechseinhalb Jahren Gefängnis.

Der § 89a StGB findet indes nicht nur bei Dschihadisten Anwendung, sondern auch bei Verfahren gegen Rechtsextremisten taucht er inzwischen öfter auf. Aktuell muss sich Susanne G. vor dem Münchner Oberlandesgericht verantworten. Die fränkische Heilpraktikerin soll laut Generalbundesanwalt zunächst mehrere Drohschreiben an einen Moschee-Verein, Flüchtlingshelfer und Lokalpolitiker verschickt und dann ein Attentat geplant haben.

In Dortmund wiederum steht derzeit ein gerade einmal 15 Jahre alter Jugendlicher wegen Anstiftung zum Mord und der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass der Junge über WhatsApp-Chat versucht hat, einen Mitschüler zu animieren, Muslime oder Juden in einer Moschee oder Synagoge zu ermorden. Er selbst soll versucht haben, einen Sprengsatz für einen Anschlag herzustellen.

Neues Gesetze gegen Terroristen

Die Geschichte des § 89a StGB beginnt nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA. In den Folgejahren wurden in vielen Ländern neue Gesetze zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus geschaffen. Dazu zählen beispielsweise weitreichende Überwachungsbefugnisse für Geheimdienste und Polizeibehörden, aber auch neue strafrechtliche Werkzeuge für die Justiz.

Im Juni 2002 trat der Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union (EU) zur Terrorismusbekämpfung (2002/475/JI) in Kraft. Mit dem Rahmenbeschluss sollte die Definition von terroristischen Straftaten in den EU-Mitgliedsstaaten harmonisiert werden, gleichzeitig sollten Maßnahmen ergriffen werden, um solche Straftaten – wie etwa die Mitgliedschaft oder die finanzielle oder materielle Unterstützung einer Terrorgruppe – effektiv verfolgen zu können.

„(…) Artikel 2 (2) Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit die nachstehenden vorsätzlichen Handlungen unter Strafe gestellt werden:

a) Anführen einer terroristischen Vereinigung,

b) Beteiligung an den Handlungen einer terroristischen Vereinigung einschließlich Bereitstellung von Informationen oder materiellen Mitteln oder durch jegliche Art der Finanzierung ihrer Tätigkeit mit dem Wissen, dass diese Beteiligung zu den strafbaren Handlungen der terroristischen Vereinigung beiträgt.“

Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union zur Terrorismusbekämpfung, Juni 2002

Der EU-Rahmenbeschluss hatte sodann auch Auswirkungen auf die deutsche Gesetzgebung. So wurden beispielsweise der § 129 StGB um den § 129b StGB erweitert, der die Gründung, Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt, auch wenn es sich um eine „Vereinigung im Ausland“ handelt. Damit soll sichergestellt werden, dass Terroristen und Terrorhelfer auch dann verfolgt werden können, wenn sie sich einer Gruppe angeschlossen haben, die innerhalb der Europäischen Union nicht ansässig ist – wie z.B. die afghanischen Taliban, die somalischen Al-Shabaab oder Islamischer Staat (IS). Notwendig dafür ist allerdings eine Verfolgungsermächtigung für die jeweilige Gruppierung durch das Bundesamt für Justiz und Verbraucherschutz.

Im Mai 2005 folgt dann das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem weitere Anti-Terror-Gesetze auf nationaler Ebene angestoßen wurden. Durch das Übereinkommen vereinbarten die EU-Mitgliedsstaaten u.a. Strafbarkeitslücken zu schließen, die es bis dato bei der Verfolgung von terroristischen Aktivitäten gab. Zum Beispiel:

„(…) Artikel 7 – Ausbildung für terroristische Zwecke

1 Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet „Ausbildung für terroristische Zwecke“ die Unterweisung in der Herstellung oder im Gebrauch von Sprengstoffen, Feuer- oder sonstigen Waffen oder schädlichen oder gefährlichen Stoffen oder die Unterweisung in anderen spezifischen Methoden oder Verfahren mit dem Ziel, eine terroristische Straftat zu begehen oder zu deren Begehung beizutragen, in Kenntnis der Tatsache, dass die vermittelten Fähigkeiten für diesen Zweck eingesetzt werden sollen.

2 Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen Maßnahmen, um die Ausbildung für terroristische Zwecke im Sinne des Absatzes 1, wenn sie rechtswidrig und vorsätzlich begangen wird, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.

Artikel 8 – Unerheblichkeit der tatsächlichen Begehung einer terroristischen Straftat.

Für die Umschreibung einer Handlung als Straftat im Sinne der Artikel 5 bis 7 ist es nicht erforderlich, dass eine terroristische Handlung tatsächlich begangen wird.“

Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus, 2005

Damit ergab sich für die deutsche Justiz ein Problem: Zwar waren zahlreiche Aktivitäten wie beispielsweise Waffen– oder Sprengstoffbeschaffung bereits unter Strafe gestellt, ebenso die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung. Was aber, wenn sich jemand in einem Terrorcamp irgendwo in Afghanistan oder im Irak ausbilden ließ? Wenn jemand dort das Handwerk des Bombenbau lernte, oder wenn sich jemand in Deutschland solche Anleitungen besorgt und dann beginnt Sprengstoff selbst herzustellen? Und was ist, wenn die Person keiner bekannten und durch die Justiz bereits verfolgten Terrororganisation angehört?

Schon Planungen sollen strafbar werden

Die Anschlagsversuche waren nur dann tatsächlich strafbar, wenn es eben bereits Versuche gab. Für das bloße Erlernen des Terrorhandwerks oder die frühen Vorbereitungshandlungen heimischer Bombenbastler gab es in Deutschland keine geeigneten Werkzeuge der Strafverfolgung. Und so kam es schließlich im Januar 2009 zum Vorschlag der damaligen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD zur Schaffung eines neuen Straftatbestandes – des § 89a Strafgesetzbuch.

Das Gesetz stellte eine Ergänzung des § 89 StGB da – „Verfassungsfeindliche Einwirkung auf Bundeswehr und öffentliche Sicherheitsorgane“ –  ein Gesetz, das den Verrat des Militärs und damit die Gefährdung der nationalen Sicherheit unter Strafe stellt und aus dem entsprechenden Paragraphen des Strafgesetzbuches für das Deutsche Reich von 1872 hervorging.

In dem Gesetzesentwurf des Bundesregierung vom Januar 2009 zum neu zu schaffenden § 89a StGB hieß es:

„Die mit der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten verbundenen erheblichen Gefahren erfordern ein möglichst frühzeitiges Eingreifen auch des Strafrechts. Insbesondere bei so genannten Selbstmordattentaten ist die Phase zwischen Vorbereitung, Versuch und Vollendung außerordentlich kurz. Auch und vor allem unter Sicherheitsaspekten ist somit eine Vorverlagerung des Strafrechtsschutzes geboten.“

Gesetzesentwurf § 89a StGB – Drucksache 16/11735, 27. Januar 2009

Die Argumentation war demnach: Die bisherige Strafverfolgung greife erst dann, wenn es bereits einen Versuch eines Attentats gab. Solange aber könne man nicht warten, die Bedrohung sei nunmal inzwischen eine andere. Damals ging es vor allem um den islamistischen Terrorismus, doch auch die Gefahr durch Rechtsextremisten, die sich im Ausland an Waffen und Sprengstoffen ausbilden lassen, wurde bereits angemerkt.

„Ebenfalls von Bedeutung bei der Vorbereitung von Anschlägen ist die Ausbildung in so genannten Terrorcamps oder Einrichtungen der gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene. So gibt es Erkenntnisse, dass sich mutmaßliche Terroristen vor allem im außereuropäischen Ausland im Umgang mit Waffen, Sprengstoffen etc. ausbilden lassen und danach nach Europa zurückkehren.“

Gesetzesentwurf § 89a StGB – Drucksache 16/11735, 27. Januar 2009

Am 04. August 2009 trat das neue Gesetz schließlich in Kraft. In der öffentlichen Wahrnehmung war es vor allem ein „Terrorcamp-Paragraph“, tatsächlich aber ging es im ersten Anwendungsfall, über den ein Gericht zu entscheiden hatte, nicht um einen Terroristen, der sein Handwerk in einem Ausbildungslager irgendwo im Nahen Osten oder am Hindukusch gelernt hatte, sondern um einen Bombenbastler in Deutschland, der quasi ein terroristisches Fernstudium durchlaufen hatte.

Die Bombe aus dem Küchenmixer

Es war ein junger Islamist aus Frankfurt, der sich zunehmend radikalisiert hatte. Zahlreiche dschihadistische Propagandavideos, Audio- und Textdateien hatte er sich aus dem Internet heruntergeladen, darunter etwa 100 Dokumente mit einem Umfang von rund 10.000 Seiten. Dazu zählten auch Ausgaben des englischsprachigen Onlinemagazins „Inspire“ des jemenistischen Al-Qaida-Ablegers. In einer Ausgabe fand sich eine Anleitung zum Bau einer Bombe in der heimischen Küche.

Der Frankfurter Islamist mietete ab Januar 2011 einen Raum in einem Lernzentrum an und ging ans Werk. Die Köpfe von 7.000 und 8.000 Streichhölzern soll er mit einem Messer abgerieben haben, zudem entfernte er die Treibladungen aus Feuerwerksraketen. Das Gemisch, insgesamt 226,3 Gramm, bewahrte er in einem Gurkenglas auf. Laut der Ermittler war es ausreichend Explosivstoff für mehrere Rohrbomben. Der angehende Bombenbauer soll außerdem Rohrbögen aus Metall gekauft, und präparierte zwei Wecker und ein Mobiltelefon als mögliche Zünder für seinen Sprengsatz. Nach Überzeugung der Sachverständigen der Polizei hätte die geplante Bombe potentiell tödliche Wirkung auf bis zu neun Meter erzielen können.

Soweit aber kam es glücklicherweise nicht. Am Nachmittag des 13. Februar 2011 wollte der Student die Leuchtkugeln aus den Feuerwerkskörpern in einem Küchenmixer zerkleinern und mit weiteren Substanzen vermischen. Dabei kam es zu einer Explosion, die Decke des Zimmers hoch sich um sechs Zentimeter. Der Mann erlitt schwere Verbrennungen im Gesicht und an den Unterarmen. Kurze Zeit später wurde der Islamist festgenommen und wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat angeklagt. 

Das Frankfurter Landgericht verurteilte den Bombenbastler im Februar 2013 nach § 89a StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren – obwohl die Bombe für einen etwaigen Anschlag ja nicht fertiggestellt, sondern frühzeitig explodiert war. Es folgte eine Revision, woraufhin der Bundesgerichtshof die Verurteilung aufhob und den Fall zur neuen Verhandlung zurück an das Landgericht verwies. Zur Begründung hieß es:

„Der 3. Strafsenat – Staatsschutzsenat – des Bundesgerichtshofs hat dahin erkannt, dass § 89 a StGB mit Blick auf den weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers trotz der gewichtigen Bedenken gegen die Norm bei verfassungskonformer Auslegung mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist. Ein Anlass, die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, bestand deshalb nicht. Nach der Auffassung des Senats steht die Vorschrift insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang und entspricht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots. Mit Blick auf die Vorverlagerung der Strafbarkeit und die weite Fassung des objektiven Tatbestands, der auch als solche sozialneutrale Handlungen erfasst, ist es zur Wahrung der Grundsätze des Tatstrafrechts sowie des Schuldprinzips und damit elementarer Verfassungsgrundsätze allerdings erforderlich, die Norm einschränkend auszulegen. Notwendig ist deshalb, dass der Täter bereits fest entschlossen ist, später eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen; es reicht nicht aus, dass er dies lediglich für möglich hält und billigend in Kauf nimmt.“

BGH-Entscheidung, Verurteilung wegen Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttat aufgehoben, 08. Mai 2014

Im April 2014 sprach das Landgericht dann zum zweiten Mal ein Urteil gegen den Frankfurter Bombenbastler. Auch diesmal sahen es die Richter als erwiesen an, dass der Maschinenbau-Student einen Terroranschlag vorbereitet hatte. Das Gericht sah es als unerheblich an, dass ein Anschlag durch eine frühzeitige Explosion des Chemikaliengemischs offensichtlich misslungen war. Der Islamist wurde zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt. „Der Angeklagte hatte zumindest damals die feste Absicht, die Bombe bei einem Anschlag auch zu zünden“, sagte der Vorsitzende Richter bei der Urteilsverkündung.

Bombe, aber kein Plan?

In einem anderen Fall, der ebenfalls vor einem Gericht in Hessen verhandelt wurde, kam es jedoch nicht zu einer Verurteilung nach § 89a StGB – obwohl die Staatsanwaltschaft auch hier überzeugt war, dass man es mit einem angehenden Terroristen zutun hatte. 

Halil D. aus Oberursel hatte in einem Baumarkt drei Liter Wasserstoffperoxid gekauft, angeblich um Schimmel zu entfernen. Er hatte dabei allerdings einen falschen Namen angegeben. Die Verkäuferin schöpfte Verdacht und verständigte die Polizei. Es gelang schließlich Halil D., einen ehemaligen Chemie-Studenten, der seit Jahren Kontakte in die islamistische Szene unterhielt, zu identifizieren.

Bei der Observation des Extremisten stellten die Ermittler des hessischen Landeskriminalamtes (LKA) fest, dass Halil D. sich auffällig für die Strecke des in Hessen bekannten Radrennens „Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt“ interessierte. Schließlich entschieden sich die Fahnder der Soko „Velo“ Ende April 2015 zum Zugriff, das für den 01. Mai 2015 geplante Radrennen wurde aus Sicherheitsgründen vorsorglich abgesagt.

In der Wohnung des arbeitslosen Halil D. und seiner Ehefrau entdeckte die Polizei zahlreiche verdächtige Gegenstände. Teile eines Gewehrs, Munition, Chemikalien, Notizzettel mit chemischen Formeln, mehr als 20.000 Euro Bargeld und, in einer Bananenkiste im Keller, eine Rohrbombe. Halil D. musste sich wegen Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewaltat vor dem Landgericht Frankfurt verantworten.

Im Prozess behauptete Halil D., die bei ihm gefundene Rohrbombe habe er nicht für einen Anschlag verwenden wollen, sondern als Jugendlicher vor vielen Jahren gebaut und vergessen. Damals habe er mit sowas häufiger Zigarettenautomaten aus Spaß aufgesprengt. Tatsächlich konnten die Ermittler nicht feststellen, wann der Sprengsatz gebaut worden war. 

Der ursprünglich angeklagte Terrorplan war ebenfalls nicht konkret zu beweisen. Und so verurteilte das Gericht den Islamisten im Juli 2016 nur wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz und wegen Urkundenfälschung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Am Ende gab es zwar allerlei verdächtiges Material, das bei Halil D. gefunden wurde, aber Beweise dafür, dass er fest entschlossen war einen Anschlag zu verüben, konnte die Anklage nicht präsentieren.

Anschlag angekündigt, aber nichts vorbereitet?

Auch im Januar diesen Jahres sah ein Gericht in einem 89a-Fall den Terrorverdacht nicht als erwiesen an. Ein 22-jähriger Mann war vor dem Landgericht Hildesheim angeklagt worden, einen Anschlag auf Muslime geplant zu haben. Im Mai 2020 soll er in einem Onlinechat eine solche Tat angekündigt haben. Er habe nach eigenen Aussagen mehr als 20 Menschen töten wollen und „eine Legende“ werden sollen, so die Staatsanwaltschaft. Sein Vorbild sei offensichtlich der Attentäter von Christchurch gewesen, der in zwei Moscheen in Neuseeland zahlreiche Menschen getötet hatte.

Einem Chat-Partner soll der Hildesheimer zudem geschrieben haben, er stehe bereits mit einer Waffe vor einer Moschee. Daraufhin wurde Polizei verständigt, Spezialeinsatzkommando nahm den Terrorverdächtigen am Folgetag in seiner Wohnung fest. Wie die Ermittler feststellen hatte sich der junge Mann im Juli 2019 und Mai 2020 zwei Armbrüste und mehrere Messer gekauft, außerdem hatte er sich intensiv mit rechtsextremistischem Gedankengut befasst. Ein Gutachter attestierte dem Angeklagten Zwangs- und Angststörungen sowie narzisstische Züge. Er sei sozial isoliert und habe sehr viel Zeit im Internet verbracht, Onlinespiele gespielt. Man habe es mit einem „psychisch gestörten Einzeltäter“ zu tun, so der Gutachter.

Das Gericht sah es letztlich nicht als erwiesen an, dass der Mann ernsthaft einen Anschlag auf eine Moschee geplant hatte und sprach ihm vom Vorwurf des § 89a StGB frei. Es seien keine Vorbereitungshandlungen erkennbar gewesen. In zwei Fällen von Bedrohung und Beleidigung aber wurde er schuldig gesprochen. Er hatte eine Jugendliche in einem Chat beleidigt und gedroht, sie und ihre Mutter zu ermorden.

Kein Sprengstoff gefunden, trotzdem verurteilt

Vor dem Berliner Kammergericht wurde 2019 ein Fall verhandelt, der verdeutlicht, dass die Vorbereitungshandlungen für einen Terroranschlag selbst dann bestraft werden können, wenn keine Bombe und kein Sprengstoff gefunden wurde.

Magomed-Ali C. stammt aus der Republik Dagestan im Kaukasus. Er lebte als Asylbewerber in Deutschland und verkehrte in der Berliner Islamisten-Szene, unter anderem in der inzwischen geschlossenen Moschee „Fussilet 33“. Im Jahr 2016 soll er gemeinsam mit dem Franzosen Clément B. einen Sprengstoffanschlag vorbereitet haben. Ein mögliches Ziel soll das Einkaufszentrum „Gesundbrunnen-Center“ gewesen sein. Auch der spätere Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri gehörte zeitweise wohl der Terrorzelle an. Zum Anschlag kam es jedoch nicht, offenbar weil die Berliner Polizei im Oktober 2016 eine Gefährderansprache bei Magomed-Ali C. durchführte – ohne zu ahnen, dass der Islamist konkret in eine Anschlagsplanung involviert gewesen war.

Durch den Besuch des Staatsschutzes sollen die Islamisten aufgeschreckt worden sein. Clément B. floh wohl durch ein Fenster und reiste anschließend nach Frankreich. Den Sprengstoff, den sie bereits hergestellt und in der Wohnung von C. in Berlin-Pankow gelagert hatten, sollen sie vernichtet und weggeschafft haben. Bei der späteren Festnahme des Kaukasiers im August 2018 aber war kein Sprengstoff gefunden worden. Nicht einmal Spuren davon ließen sich nachweisen. Woher kam dann die Gewissheit der Anklage, dass solches gefährliches Material damals in der Wohnung lagerte?

Der mutmaßliche Komplize Clément B. war wegen Terrorverdachts in Frankreich festgenommen worden. Bei ihm wurde tatsächlich das drei Kilogramm des hochexplosiven Triacetontriperoxid (TATP) sowie mehrere Pistolen gefunden. Die französischen Ermittler ließen B. auch in der Untersuchungshaft überwachen und hörten ein Gespräch zwischen ihm und seinem Vater mit, der ihn im Gefängnis besuchte. „Wir hätten knallen sollen“, soll Clément B. seinem Vater gesagt haben. Wäre die Polizei nicht aufgetaucht, „hätte ich mich sicher mit Anis und seinen Kumpeln in die Luft gesprengt“. Es sei alles schon bereit gewesen. In der Wohnung von Magomed-Ali C. habe man „TATP und alles“ gelagert.

Im Prozess gegen Magomed-Ali C. vor dem Berliner Kammergericht sollte auch Clément B. als Zeuge aussagen, er schwieg jedoch. Ebenso wie der Angeklagte. Das Gericht sah es dennoch als erwiesen an, dass die beiden im Jahr 2016 einen Bombenanschlag in Berlin vorbereitet hatten. Das konkrete Ziel und ein genauer Zeitpunkt sei noch nicht klar gewesen, aber die Männer seien dennoch entschlossen gewesen, eine solche Tat zu verüben. Ohne den Sprengstoff je gefunden zu haben, wurde Magomed-Ali C. im Januar 2020 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt.

Nicht „fest entschlossen“?

Im Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A. hatte der Generalbundesanwalt im Dezember 2017 Anklage wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main erhoben. Das Gericht muss nach § 203 Strafprozessordnung über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden und prüft dazu, ob der Angeschuldigte hinreichend tatverdächtig ist. 

Im Juni 2018 fiel die Entscheidung: Die Anklage gegen Franco A. wegen des Terrorverdachts nach § 89a StGB wurde abgelehnt. Statt vor dem Staatsschutzsenats des OLGs wurde lediglich ein Teil der Anklage vor dem Landgericht Darmstadt zugelassen – und zwar nicht wegen der Vorbereitung eines Anschlags, sondern wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Sprengstoffgesetz, des Diebstahls und des Betrugs.

Das OLG Frankfurt am Main hatte nach der Anklageerhebung eine weitere Beweiserhebung durch das BKA angeordnet. Dabei ging es vor allem um Sprachaufnahmen, die auf dem Handy von Franco A. sichergestellt worden waren sowie um seine Notizen.

„Unter Würdigung dieser seit Mai 2018 vollständig vorliegenden Ergebnisse sowie aller weiteren Beweismittel, insbesondere auch der in Audiodateien festgehaltenen mündlichen Äußerungen des Angeklagten und seiner Aufzeichnungen, ist das OLG mit heute veröffentlichtem Beschluss zu der Überzeugung gelangt, dass kein hinreichender Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) bestehe.“

OLG Frankfurt am Main, 07. Juni 2018

In der Begründung des Gerichts hieß es, Franco A. habe sich zwar wohl bereits Waffen und Sprengstoff beschafft und auch mögliche Tatopfer und Tatorte in den Blick genommen – aber er es sei „nicht überwiegend wahrscheinlich, dass er dabei bereits den festen Entschluss hatte, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen“. Es wurde insbesondere darauf verwiesen, dass er – obwohl er das Material wohl schon seit Juli 2016 besaß – kein Attentat durchgeführt habe. 

„Da keine Umstände gegeben gewesen seien, die den Angeklagten objektiv oder zumindest aus seiner Sicht an der Begehung der Tat gehindert hätten, sei es hoch wahrscheinlich, dass der Angeklagte hinsichtlich der für die Begehung der Tat für ihn maßgeblichen Umstände noch nicht fest entschlossen war.“

OLG Frankfurt am Main, 07. Juni 2018

Die Frankfurter Richter waren also nicht überzeugt, dass der Bundeswehroffizier „fest entschlossen“ war, einen Anschlag zu verüben – trotz unterschiedlicher Aktivitäten und Beschaffungen, die als Vorbereitungshandlungen gewertet wurden. Der Generalbundesanwalt ging in die Beschwerde, woraufhin der Bundesgerichtshof über die Zulassung der ursprünglichen Anklage zu entscheiden hatte und weitere Nachermittlungen anordnete, die rund ein Jahr dauerten. Im August 2019 dann fiel die Entscheidung: Die Anklage wegen des Terrorverdachts wird doch zugelassen. Der zeitliche Ablauf, den das OLG Frankfurt am Main als maßgeblich betrachtet hatte – dass Franco A. trotz der Vorbereitungshandlungen eben lange Zeit nicht zur Tat geschritten war – könne die gegen den Angeschuldigten sprechenden Indizien nicht in einem Maße entkräften, dass der hinreichende Tatverdacht entfiele, so der BGH.

„Soweit das Oberlandesgericht weiter ausgeführt hat, der Angeklagte sei auch dann nicht fest entschlossen zur Begehung der schweren Gewalttat gewesen, wenn er lediglich subjektiv die Zeit dafür noch nicht für gekommen angesehen habe, lässt dies besorgen, dass es von unzutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist: Nach der Rechtsprechung des Senats ist es zur Wahrung der Grundsätze des Tatstrafrechts sowie des Schuldprinzips erforderlich, den subjektiven Tatbestand des § 89a StGB dahin einzuschränken, dass bedingter Vorsatz nicht bezüglich des „Ob“ der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat genügt (BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – 3 StR 243/13, BGHSt 59, 218 Rn. 45). Wenn der Angeklagte aber lediglich den richtigen Zeitpunkt abwarten wollte, betrifft dies nicht die Entscheidung, „ob“ er eine schwere staatsgefährdende Gewalttat begehen wollte, sondern die Entscheidung, „wann“ der aus seiner Sicht geeignete Zeitpunkt dafür gekommen war; insoweit ist eine (weitere) Restriktion des subjektiven Tatbestands nicht geboten.“

BGH-Entscheidung, 22. August 2019

Schließlich wurde das Hauptverfahren gegen Franco A. auch wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor dem OLG Frankfurt am Main zugelassen. Nun muss der Gericht darüber entscheiden, ob der Soldat tatsächlich eine solche Tat plante und durchführen wollte.

Waffenausbildung zur Selbstverteidigung?

Wer in ein Kriegsgebiet ausreist, zu einer Terrororganisation, und dort eine Unterrichtung an Waffen erhält, muss nicht zwingend mit einer Verurteilung auf Grundlage des § 89a StGB rechnen, wie der Bundesgerichtshof im Oktober 2015 entschied. In dem Fall ging es um eine Islamistin aus dem Allgäu, die mit ihren beiden Töchtern Anfang 2014 nach Syrien ausgereist war. Sie hatte über das Internet eine Frau aus Hessen kennengelernt, die bereits in dem Kriegsgebiet lebte und mit einem Dschihadisten verheiratet war. Die Allgäuerin folgte ihr nach und wurde die zweite Ehefrau des Terrorkämpfers, der der Gruppe Jabhat al-Nusra angehörte.

Vor Ort lernte die bayerische Islamistin den Umgang mit Schusswaffen. Das Oberlandesgericht München sah darin keine Vorbereitung für einen Terroranschlag. Die Islam-Konveritin, die zeitweise als „Gefährderin“ eingestuft war, habe den Waffengebrauch nur zur Selbstverteidigung und dem Schutz ihrer Kinder erlernt, nicht um einen Anschlag in Deutschland zu begehen. Auch der Bundesgerichtshof sah dies nach der Beschwerde der Staatsanwaltschaft

„(…) Sie war bereit, die der Familie zur Verfügung stehenden Waffen – eine Maschinenpistole, ein Sturmgewehr und Handgranaten – bei einem Angriff durch die syrische Armee oder Kämpfer gegnerischer Gruppierungen einzusetzen und dabei die Angreifer gegebenenfalls zu töten. Aufgrund der immer größer werdenden Gefahr kehrte sie mit ihren Töchtern im Mai 2014 nach Deutschland zurück. Danach ließ sich die Angeklagte zwar im Umgang mit Schusswaffen unterweisen (§ 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB); dies diente aber nicht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a Abs. 1 Satz 2 StGB).“

Bundesgerichtshof bestätigt Urteil im sogenannten Allgäuer Islamistenprozess, 27. Oktober 2015

Das Urteil des Münchner OLG wurde damit bestätigt: Die radikalislamische Frau erhielt eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung wegen Entziehung Minderjähriger. Sie hatte die beiden kleinen Töchter ohne Wissen und Zustimmung des Vaters mit nach Syrien genommen.

Schon die Vorbereitung einer Vorbereitung kann strafbar sein

Ein Jahr später dann erging – ebenfalls in Bayern – das erste Urteil gegen einen Islamisten, der es noch nicht einmal in ein Terrorcamp geschafft hatte. Der Münchner wollte am 10. Oktober 2015 vom Flughafen München aus zunächst nach Istanbul und dann weiter nach Adana reisen. Bundespolizisten stoppten den polizeibekannten Islamisten. Die Ermittler waren überzeugt, dass der Extremist sich letztendlich zu einer Terrorgruppe nach Syrien begeben wollte. In seinem Gepäck fand sich unter anderem Tarnkleidung. Im Internet soll er vor seiner geplanten Reise ein Foto eines Flugzeuges gepostet haben, dazu schrieb er: „Viele sind jene, die beschlossen haben, zu leben, um zu sterben. Ich aber habe beschlossen, zu sterben, um zu leben!“

Das Landgericht München verurteilte des gescheiterten Dschihad-Reisenden im Mai 2016 wegen „Beabsichtigte Teilnahme an Ausbildung und Kampfhandlungen in Syrien“ zu zwei Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Möglich machte dies eine neu geschaffener Zusatz des § 89a StGB – der Paragraph 89a Absatz 2. Damit kann bereits die Absicht zur Reise ins Ausland, um sich terroristisch ausbilden zu lassen, bestraft werden. 

„(2a) Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Täter eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, zum Zweck der Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder der in Absatz 2 Nummer 1 genannten Handlungen aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, um sich in einen Staat zu begeben, in dem Unterweisungen von Personen im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 erfolgen.“

§ 89a Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat

In Kraft getreten ist das neue Gesetz am 20. Juni 2015, geschaffen wurde es auch um der UN-Resolution 2178 nachzukommen. 

„Die Resolution sieht vor, das Reisen sowie den Versuch des Reisens in einen Staat, der nicht der Staat der Ansässigkeit oder Staatsangehörigkeit der reisenden Person ist, in einer der Schwere der Tat angemessenen Form strafrechtlich zu verfolgen, wenn die Reise erfolgen soll, um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen. (…) Mit der vorgeschlagenen Erweiterung des § 89a StGB werden das Reisen sowie der Versuch des Reisens als weitere Vorbereitungshandlung einer terroristischen Tat unter Strafe gestellt.“ 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten, 04. Februar 2015

Die Ergänzung des § 89a StGB ist nicht unumstritten: Schließlich wird die Strafbarkeit damit noch ein Stück weiter ins Vorfeld gerückt. Bestraft wird nun nicht nur die Reise in ein Terrorcamp und die dortige Ausbildung, sondern schon die Absicht einer solchen Reise, also die Vorbereitung einer Vorbereitung für einen Anschlag.

Den Nachweis einer solchen Absicht zu erbringen, ist meistens alles andere als einfach. Es können Äußerungen sein, die durch abgehörte Telefonate bekannt werden, Bekundungen in Chats oder auch Postings in sozialen Medien. Auch aufgefundene Gegenstände, etwa im Gepäck, können eine Rolle spielen. Ebenso Abschiedsbriefe oder ähnliche Hinterlassenschaften.

In Zukunft mehr Verfahren

Es ist davon auszugehen, prognostizieren Ermittler und Staatsanwälte, dass Verfahren mit Bezug zu § 89a StGB in Zukunft eher noch zunehmen werden. Als ein Grund dafür wird ein erhöhtes Kommunikationsaufkommen gesehen. Durch Messengerdienste und soziale Netzwerke findet auch mehr Austausch unter Extremisten und potentiellen Terroristen statt. Die Aufklärungsarbeit der Sicherheitsbehörden in diesem Bereich nimmt ebenfalls zu. Und so gilt es als wahrscheinlich, dass immer öfter auch mögliche Anschlagabsichten im virtuellen Raum auffallen, entdeckt oder gemeldet werden.

So manche Äußerung im Chat oder in sozialen Medien wird dabei schnell überinterpretiert – oder eben auch unterschätzt. Mit teils verheerenden Folgen. Die Verfassungs- und Staatsschützer sehen sich dabei einem rasant wachsenden Berg von zahllosen Terror- und Gewaltfantasien, und teils unverhohlenen Ankündigungen schwerster Straftaten, gegenüber. Ermittler sprechen daher gerne davon, dass man längst nicht mehr nach der Nadel im Heuhaufen suche, sondern nach der Nadel im Nadelhaufen. Aus den bedrohlichen Äußerungen und anderen Hinweisen, wie sie nahezu täglich bei Behörden eingehen, genau jene Personen zu identifizieren, die es tatsächlich ernst meinen und nicht nur Gedankenspiele äußern, sondern bereits auf dem Weg hin zur Tat sind, bleibt die große Herausforderung.

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