Monatsarchiv: Dezember 2023

Wie sich Russlands Spionage verändert

Bald werden vier russische Generalkonsulate in Deutschland geschlossen. Moskau wird dann erst einmal weniger Spione hierzulande haben. Doch Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass die russischen Geheimdienste ihre Methoden anpassen werden.

Von Florian Flade

Botschaft der Russischen Föderation in Berlin (Google Maps)

Bald heißt es: Koffer packen. Noch vor dem Jahreswechsel werden mehrere russische Diplomaten und deren Familienangehörige die Heimreise antreten müssen – oder zumindest umziehen müssen. Im Gepäck werden sie vermutlich zahlreiche Dokumente und Datenträger haben. Vieles aber wird wohl noch vor der Abreise vernichtet, oder wird nach Berlin in das imposante Botschaftsgebäude der Russischen Föderation unter den Linden gebracht.

Bis zum Jahresende müssen vier der fünf russischen Generalkonsulate in der Bundesrepublik geschlossen werden. So hat es das Auswärtige Amt vor wenigen Monaten verkündet. Nur die Botschaft in Berlin sowie ein Konsulat darf Moskau hierzulande künftig weiter betreiben. Man geht davon aus, dass die Wahl der Russen auf die diplomatische Vertretung in Bonn fallen wird. Die Räumung der übrigen Konsulate in München, Frankfurt am Main, Leipzig und Hamburg wird zudem mit einer zahlenmäßigen Begrenzung des diplomatischen Personals Russlands in Deutschland einhergehen. 

Zahlreiche Vertreter des russischen Staates werden daher ab- beziehungsweise umziehen. Die Maßnahme ist eine Reaktion der Bundesregierung auf die Anordnung Moskaus vom Mai, eine Obergrenze von 350 Personen für die Zahl der deutschen Staatsbedienstete und deren Mitarbeitern in Russland einzuführen. Und zwar nicht nur für Diplomaten, sondern auch für Beschäftigte an deutschen Schulen und Goethe-Instituten. Das Auswärtige Amt sprach von einem „Schritt der Eskalation“.

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 haben zahlreiche europäische Staaten in einem teils abgestimmten Vorgehen rund 400 russische Diplomaten ausgewiesen, bei denen es sich größtenteils um getarnte Geheimdienst-Mitarbeiter gehandelt haben soll. Ein empfindlicher Aderlass für Moskaus Dienste, der durch die erzwungene Reduzierung des diplomatischen Personals und die Schließung mehrerer konsularischer Standorte in Deutschland noch weiter verschärft wird.

Die Möglichkeiten zur Spionage sind für die russischen Geheimdienste künftig aufgrund der verringerten Zahl von Spionen, die aufgrund des Diplomatenstatus vor Strafverfolgung geschützt sind, deutlich eingeschränkt. Deutsche Sicherheitsbehörden aber gehen davon aus, dass die russischen Dienste darauf reagieren werden und ihre Strategien entsprechend anpassen. Dabei werde es vermutlich nicht nur zu vermehrten Cyberangriffe kommen, sondern auch altbewährte Methoden aus den Zeiten des Kalten Krieges würden wohl wiederbelebt, so die Prognose des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Erste Anzeichen dafür gibt es bereits.

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Die Infos der anderen

Es sind oft die Hinweise ausländischer Geheimdienste, mit denen Terroranschläge in Deutschland verhindert werden können. Sind die deutschen Sicherheitsbehörden wirklich derart abhängig von den Informationen der Partnerdiensten – und woran liegt das?

Von Florian Flade

Sie gingen in den Wald. Offenbar nicht um Pilze zu sammeln, wie sie behaupten haben sollen, sondern um Waffen für einen Terroranschlag auf jüdische Ziele aus einem Versteck zu holen. Aus einem Erddepot, das irgendwann Anfang des Jahres in Polen angelegt worden sein soll. Doch die Araber fanden die Waffen nicht, obwohl sie seit dem Sommer mehrfach auf die Suche gegangen waren.

In dieser Woche nun wurden die vier Männer festgenommen, drei in Berlin, ein weiterer Beschuldigter in Rotterdam. Sie sollen Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation Hamas sein, davon ist der Generalbundesanwalt überzeugt. Mindestens einer der Verdächtigen soll über enge Kontakte zu einem führenden Kader des militanten Flügels der Hamas, der Al-Qassam-Brigaden, im Libanon verfügen und Befehle von dort entgegen genommen haben.

Der entscheidende Hinweis auf die mutmaßliche Hamas-Zelle erreichte die deutschen Behörden bereits vor einigen Monaten – noch vor dem Massaker der Terroristen in Israel am 07. Oktober – und kam vom israelischen Geheimdienst Mossad.

Wieder einmal, könnte man sagen. Denn oft es sind ausländische Geheimdienste, die entscheidenden Informationen liefern mit denen hierzulande Terroranschläge verhindert werden können. Alleine in diesem Jahr war dies bereits mehrfach der Fall.

Im Januar nahmen Spezialkräfte der Polizei in Castrop-Rauxel zwei iranische Brüder fest. Einer der beiden Männer soll einen islamistischen Anschlag mit den Giftstoffen Cyanid und Rizin geplant haben, mittlerweile steht er deshalb vor Gericht. Der Hinweis auf die Terrorpläne kam von der US-Bundespolizei FBI, die auf verdächtige Chatkommunikation gestoßen war. 

Im Oktober wurde der Syrien-Rückkehrer Tarik S. in Duisburg festgenommen, er soll ein Attentat mit einem Fahrzeug auf eine pro-israelische Demonstration geplant haben. Diesmal war es der marokkanische Geheimdienst, der deutsche Behörden vor dem Islamisten warnte. 

Ein paar Wochen später dann nahmen die Fahnder in Niedersachsen einen 20 Jahre alten Iraker fest, der sich in Chats mit einem hochrangigen Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dazu bereiterklärt haben soll, in der Weihnachtszeit einen Anschlag in Hannover zu verüben. Inzwischen wurde der Gefährder in den Irak abgeschoben. Auch hier kam der Hinweis zuvor aus dem Ausland.

Ende November dann wurden in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zwei 15 und 16 Jahre alte Islamisten verhaftet, die sich in einer Chatgruppe zu einem Attentat mit einem Kleinlaster und Brandsätzen auf einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen verabredet haben sollen. Zuvor diskutierten sie über Anschläge auf einen Stripclub oder eine Synagoge in Köln. Die Chatkommunikation hatte der österreichische Inlandsnachrichtendienst DSN mitbekommen und den deutschen Verfassungsschützern übermittelt.

Die Liste der mit Hilfe ausländischer Dienste vereitelten Anschläge in Deutschland wird noch länger, je weiter man zurück blickt. Auch wenn die Sicherheitsbehörden darüber nur ungern öffentlich sprechen, ist es dennoch Fakt: Ohne die Informationen von NSA, CIA, GCHQ, Mossad oder DSGE hätte es hierzulande vermutlich weitaus mehr terroristische Anschläge mit vielen Toten und Verletzten gegeben. Laut BKA wurden seit 2010 in der Bundesrepublik 18 islamistische Terrorakte verhindert, darunter sieben aufgrund von Hinweisen ausländischer Behörden.

Diese Realität wird teilweise als blanke Abhängigkeit der deutschen Terrorabwehr von ausländischen Behörden gewertet. Ohne die Infos der anderen gehe es offensichtlich nicht, so heißt es in Kommentaren immer wieder. Deutsche Dienste seien nicht in der Lage die entscheidenden Informationen selbst zu beschaffen, es herrsche eine Abhängigkeit, die beängstigend sei. Eben weil deutsche Behörden nicht über solch entscheidenden Befugnisse und Fähigkeiten verfügen wie die ausländischen Kollegen.

Aber stimmt das? Und falls die relevanten Hinweise tatsächlich überwiegend von ausländischen Diensten stammen, wieso ist das so? Sind die anderen Behörden schlichtweg besser – oder dürfen sie vielleicht einfach mehr?

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Merkel und die Spione

Vor zwei Jahren endete die letzte Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel. In ihre Ära fallen zahlreiche Vorfälle und Skandale, die mit Geheimdiensten zutun haben. Welches Verhältnis hatte die Regierungschefin zu den Spionen?

Von Florian Flade

Das Siemens S55 wirkt heute ein wenig aus der Zeit gefallen. Viel kleiner ist das Mobiltelefon als die modernen Smartphones, es hat außerdem Tasten. Und es kann deutlich weniger. Eigentlich kann man damit nur telefonieren und SMS schreiben. Angela Merkel aber brauchte offenbar nicht viel mehr. Sie nutzte das kleine Siemens-Handy Anfang der 2000er Jahre intensiv – und zwar in ihrer Funktion als CDU-Vorsitzende und als Bundeskanzlerin. So mancher politischer Beobachter betonte gar, Merkel regiere per SMS.

Die Kurznachrichten der Alt-Kanzlerin sind heute gelöscht und für die Nachwelt daher nicht mehr einsehbar. Im Bundesarchiv lagern keine SMS von Regierungsvertretern. Merkels Handy allerdings befindet sich schon seit einiger Zeit im Haus der Geschichte in Bonn. Sie hat es dem Museum im Jahr 2006 überlassen.

Damals wusste die Regierungschefin vermutlich noch nicht, dass das kleine Gerät irgendwann einmal symbolisch für ihr Verhältnis zu den Geheimdiensten stehen wird. Denn es war dieses Handy, das wohl jahrelang vom US-Abhördienst NSA überwacht worden war. Die Enthüllung von Edward Snowden haben gezeigt, dass die Amerikaner sich mindestens seit 2002 für das Mobiltelefon von Angela Merkel interessierten, ihre Nummer findet sich auf entsprechenden Ziellisten.

Die NSA-Affäre brachte schließlich auch einen der wohl berühmtesten Sätze der früheren Kanzlerin hervor – vermutlich der bekannteste bis zum „Wir schaffen das“ in der späteren Flüchtlingskrise. Nachdem bekannt wurde, dass die NSA ihr Handy abgehört hatte, sagte die Bundeskanzlerin im Oktober 2013 vor Journalisten: „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht.“

Der Satz, so ernsthaft empört er möglicherweise gemeint war, wirkte dennoch reichlich naiv. So zumindest wurde Merkels Aussage damals im Bundesnachrichtendienst (BND) wahrgenommen. Nicht wenige Nachrichtendienstler fragten sich, ob die Kanzlerin denn nicht wusste, dass Staaten in erster Linie Interessen haben und keine Freunde. Und überhaupt: Wusste Merkel eigentlich, was der BND so treibt – und wie das Spionagegeschäft grundsätzlich abläuft?

Dass auch der BND durchaus Ziele in verbündeten Staaten ausspäht, habe sie nicht gewusst, sagte Angela Merkel später im NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag. In die „Tiefen und Untiefen“ der Spionageprogramme einzutauchen sei nun wirklich nicht ihre Aufgabe. Sie müsse schließlich „den politischen Auftrag“ im Blick behalten.

Welches Verhältnis hatte Angela Merkel zu den Geheimdiensten? Immerhin sechzehn Jahre lang regierte die promovierte Physikerin die Bundesrepublik, in ihre Amtszeit fallen gleich mehrere teils spektakuläre Vorfälle und Skandale, in die Geheimdienste involviert waren – ausländische, oder die eigenen. Dennoch, so könnte man meinen, pflegte Merkel zu den Diensten eher ein Nicht-Verhältnis. Ähnlich wie die Regierungschefs vor ihr auch. Doch stimmt das wirklich?

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