Monatsarchiv: Oktober 2021

US-Geheimdienste legen Bericht zu Klimawandel vor

Amerikas Geheimdienste haben sich mit dem Klimawandel und dessen Auswirkungen befasst. Sie zeichnen ein düsteres Bild einer Zukunft, in der es zu mehr Krisen und Konflikten kommen wird. Und in der Staaten vor teils völlig neuen Herausforderungen stehen werden.

Von Florian Flade

Wirklich überraschend ist es nicht, was Amerikas Geheimdienste in ihrem neuesten öffentlich zugänglichen Bericht verfasst haben. Wenn etwas darin auffällt, dann die Deutlichkeit und Klarheit, mit der die Spione vor dem warnen, was die Menschheit und die Natur als Ganzes in den kommenden Jahrzehnten wohl zu erwarten hat. Dürren, Hitze, Extremwetter etwa, steigende Meeresspiegel, überschwemmte Wohngebiete, ausfallende Ernten, der Rückgang der Fischbestände, Seuchen und Pandemien, Nahrungsmittel- und Trinkwasserknappheit.

Erstmals haben die achtzehn Geheimdienste der USA sich im Auftrag des Präsidenten Joe Biden den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Sicherheitsinteressen untersucht. Am Donnerstag hat der Director of National Intelligence (DNI) den Bericht dazu mit dem Titel „Climate Change and Internationalen Responses Increasing Challenges to US National Security Through 2040“ veröffentlicht.

Auf 24 Seiten beschreiben die amerikanischen Nachrichtendienstler darin, wie sich der Klimawandel vermutlich in den kommenden Jahrzehnten auf unterschiedliche Lebensbereiche und damit auch auf die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation global auswirken wird.

Das Fazit lautet: Der Klimawandel wird zu mehr Krisen, zu eskalierenden Konflikten und auch zu völlig neuen Konflikten zwischen Staaten führen. Ein Streitpunkt, so heißt es in dem Bericht, werde zunehmend die Frage sein, wie man auf den Klimawandel reagieren solle, welche Maßnahmen sinnvoll seien – und wer welche Verantwortung trägt. Dies könne zu diplomatischen Krisen und anderen, schwerwiegenderen Auseinandersetzungen führen.

Gleich zu Beginn machen die Spione klar, dass die Regierungen der Welt trotz einiger Fortschritte im Bereich der Forschung und Technologie wohl nicht in der Lage sein werden, die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Die Treibhausgase würden nicht in ausreichendem Maße reduziert, die globale Erwärmung schreite entsprechend voran.

„Angesichts der aktuellen Regierungspolitik und der Trends in der Technologieentwicklung sind wir der Ansicht, dass die Länder zusammengenommen die Pariser Ziele wahrscheinlich nicht erreichen werden, da die Länder mit hohen Emissionen innerhalb des nächsten Jahrzehnts schnelle Fortschritte bei der Dekarbonisierung ihrer Energiesysteme machen müssten, indem sie sich von fossilen Brennstoffen abwenden, während Entwicklungsländer für ihre wirtschaftliche Entwicklung auf kohlenstoffarme Energiequellen zurückgreifen müssten.“ 

DNI-Bericht „Climate Change and Internationalen Responses Increasing Challenges to US National Security Through 2040“, 21. Oktober 2021

Als direkte Folge der nicht gestoppten Erderwärmung komme es zu einem steigenden Meeresspiegel, der wiederum vor allem durch schmelzende Eiskappen verursacht werde. Dies habe zwei unmittelbare Konsequenzen, so schreiben die US-Geheimdienste: Einige Länder, insbesondere die Insel-Staaten im Pazifik, aber auch Bangladesch oder der Süden von Indien seien durch Überschwemmungen ganz unmittelbar bedroht. Folglich seien dann gewisse Landesteile oder ganze Inseln nicht mehr bewohnbar, die Bevölkerung sei dann gezwungen zu fliehen, was wiederum innenpolitische Konflikte schüren und die Stabilität der Staaten gefährden könnte.

Die zweite Folge des steigenden Meeresspiegels hat eine geopolitische und strategische Ebene: Da das Eis der Arktis immer schneller schmilzt, wird diese Region der Erde zunehmend zugänglicher für die Schifffahrt. Was wiederum einen „strategischen Wettkampf“ zwischen Staaten auslöst, und zwar nicht nur jenen, die direkt an die Arktis angrenzen, wie etwa Russland, Kanada oder die USA. Auch Staaten wie China, Japan, Frankreich oder Südkorea würden die Möglichkeiten erkennen, die offene Seewege durch die Arktis bieten, beispielsweise um Waren schneller transportieren zu können.

Die militärische Aktivität in der Arktis, so der Bericht der amerikanischen Dienste, werde „wahrscheinlich zunehmen“, arktische und nicht-arktische Staaten würden versuchen ihre Investitionen zu beschützen, die neu erschlossenen maritimen Routen ausnutzen und dadurch strategische Vorteile gegenüber den Rivalen zu bekommen.

Der Klimawandel, so die Analyse der Spione, sorge zudem für einen zunehmenden Kampf um Wasser. Dabei gehe es vor allem um die Erschließung von Trinkwasserquellen, aber auch darum, Wasser für Landwirtschaft und Industrie zu sichern. Die Menschen, die in den Gegenden leben, in denen Überflutungen zunehmen könnten, würden wohl in andere Regionen abwandern, in vielen Fällen werde auch die „grenzüberschreitende Migration wahrscheinlich zunehmen“.

Aufgrund der sich verschärfenden Situation komme es vermutlich zu immer heftigeren Auseinandersetzungen zwischen den führenden Industrienationen und den sogenannten Entwicklungsländern, von denen einige am stärkten unter den Folgen des Klimawandels leiden. Diese Staaten würden, so die Prognose, zunehmend Geld und andere Unterstützung von den wirtschaftlich stärkeren Nationen verlangen.

Die amerikanischen Geheimdienste haben 11 Länder und zwei Regionen, die nach ihren Einschätzungen am stärksten durch den Klimawandel bedroht sind: Afghanistan, Burma, Indien, Pakistan, Nordkorea, Guatemala, Haiti, Honduras, Nicaragua, Kolumbien und der Irak. Außerdem wachse die Gefahr der Instabilität für Länder in Zentralafrika und die Inselstaaten des Pazifiks.

„Wir gehen davon aus, dass insbesondere die 11 Länder mit steigenden Temperaturen, extremeren Wetterbedingungen und Störungen der Meeresmuster konfrontiert sein werden, die ihre Energie-, Nahrungs-, Wasser- und Gesundheitssicherheit bedrohen werden (…) Wir gehen davon aus, dass insbesondere den elf Ländern die finanziellen Ressourcen oder die Governance-Kapazität fehlen werden, um sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen, was das Risiko von instabilitätsbedingten Migrations- und Vertreibungsströmen – auch an die Südgrenze der USA – erhöht und ihren bereits erheblichen Bedarf an ausländischer Hilfe und humanitärer Hilfe wachsen lässt“

DNI-Bericht „Climate Change and Internationalen Responses Increasing Challenges to US National Security Through 2040“, 21. Oktober 2021

Aber auch Länder wie Russland seien stark vom Klimawandel betroffen. Dort könne es zu erheblichen Schäden und Auswirkungen auf die Infrastruktur kommen, etwa dadurch, dass in Teilen Sibiriens kein Permafrost mehr herrscht und die Gefahr der Erosion und auch von Waldbränden wächst.

„Die Vereinigten Staaten und andere Länder sind jedoch in einer relativ besseren Position als andere Länder, um die großen Kosten und Verschiebungen der prognostizierten Veränderungen zu bewältigen, teilweise weil sie über größere Anpassungsressourcen verfügen, dennoch werden sie einige schwierige Anpassungen erfordern. Klimaauswirkungen wie übermäßige Hitze, Überschwemmungen und extreme Stürme werden sich als zunehmend kostspielig erweisen, einige militärische Verschiebungen erfordern und die Nachfrage nach humanitärer Hilfe und Katastrophenhilfe erhöhen.“

DNI-Bericht „Climate Change and Internationalen Responses Increasing Challenges to US National Security Through 2040“, 21. Oktober 2021

In dem Bericht aus den USA werden auch einige Punkte aufgelistet, die für eine Veränderung der Annahmen der Dienste sorgen würden. Genannt wird dabei zum Beispiel ein „Durchbruch“ bei der CO2-Reduktion, der allerdings derzeit mit den aktuell getroffenen Maßnahmen nicht zu erwarten sei. Auch ein tiefgreifendes Katastrophenereignis, das de-facto die Menschheit und die Regierungen des Planeten zu einem radikalen Umdenken und schnellerem, kollektiven Handeln bringe, würde sich wohl auf die Vorhersagen der Dienste auswirken.

Keiner der Aspekte und keine der Prognosen, die in dem Bericht genannt werden, ist wirklich neu oder verwunderlich. Dass der Klimawandel sich unmittelbar und wohl schon viel schneller als befürchtet auch auf geopolitische Lagen auswirken wird, gilt auch in Sicherheitsbehörden als unstrittig. Durch eine Vielzahl von Auswirkungen bedroht der Klimawandel damit das Leben und die Existenz von vielen Millionen Menschen weltweit, teilweise den Ärmsten der Armen. Die daraus resultierende Instabilität, die zahlreichen Staaten droht, bedeutet auch für die weniger direkt betroffenen Länder eine gewaltige Herausforderung. 

Wie kaum ein andere Bedrohung ist daher der Klimawandel eine globale Gefahr, deren Komplexität und deren unterschiedliche Facetten viele gerade erst zu begreifen scheinen. 

Knapp daneben

Der BND hat die schnelle Machtübernahme der Taliban in Afghanistan nicht vorhergesehen. Es ist nicht das erste Mal, dass der Geheimdienst mit seiner Prognose daneben lag. Wie kommt es zu solchen Fehleinschätzungen? Und sind die Erwartungen an die Spione möglicherweise zu hoch?

Von Florian Flade

BND-Zentrale in Berlin-Mitte

Plötzlich waren die Amerikaner weg. Die BND-Mitarbeiter in der Deutschen Botschaft in Kabul sollen sich noch verwundert draußen auf dem Gelände umgesehen haben, und stellten dann fest, dass das US-Militär offenbar abgezogen war. Aus der „Green Zone“, einem besonders gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt. Die Amerikaner hatten sich augenscheinlich zum Flughafen zurückgezogen. Und zwar ohne die anderen Nationen vorzuwarnen, wie es heißt.

Nun brach Unruhe aus, denn ohne das US-Militär war das internationale Personal in der „Green Zone“ nahezu schutzlos. Das war am Wochenende rund um den 14. August, als die Taliban in Kabul auftauchten, die afghanische Sicherheitskräfte keinen Widerstand leistete und die afghanische Regierung fluchtartig das Land verließ.

Dann ging alles ganz schnell. Die Deutsche Botschaft wurde geräumt, wichtige Dokumente und Datenträger vernichtet. Der Vize-Botschafter Jan Hendrik van Thiel schrieb noch in einer E-Mail an das Auswärtige Amt in Berlin: „Wir sind dann erst mal nur noch per Telefon zu erreichen. Wir zerstören die IT. Schönen Sonntag noch, Ende.“

Zwei Tage zuvor, am Freitag, dem 13. August, hatte eine dringliche Sitzung des Krisenstabes in Berlin zu Afghanistan stattgefunden. Unterschiedliche Behördenvertreter trugen dabei ihre Einschätzungen vor. Auch die Vize-Präsidentin des BND, Tania Freiin von Uslar-Gleichen, war dabei. Sie erklärte, man gehe davon aus, dass die Taliban „derzeit kein Interesse“ an einer militärischen Eroberung Kabuls hätten. Zumindest nicht vor dem 11. September, dem von US-Präsident Joe Biden genannten Datum des vollständigen Abzugs der US-Truppen aus dem Land.

Militärisch erobern mussten die Islamisten die afghanische Hauptstadt allerdings auch gar nicht. Am Ende nahmen sie Kabul ohne lange Gefechte und ohne großes Blutvergießen ein, so wie schon zahlreiche Provinzhauptstadt zuvor. Schließlich übernahmen sie die Kontrolle über fast alle Landesteile. Sie brauchten dafür keine Wochen oder gar Monate, wie prognostiziert worden war, sondern nur wenige Tage.

Die Prognose des BND zum möglichen Fall Kabuls war falsch – auch wenn die Fachleute des Auslandsdienstes durchaus mehrere Eventualitäten berücksichtigt hatten. Sie hatten sogenannte „Kipp-Punkte“ aufgelistet, und dabei Szenarien beschrieben, die sie für wahrscheinlich hielten, falls bestimmte Entwicklungen eintreten sollten. Dennoch lag man bei der Einschätzung der Dynamik des Taliban-Vormarsches daneben.

„Der BND hat offensichtlich eine falsche Lageeinschätzung vorgenommen, so wie andere Dienste auch“, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas später im Interview mit dem Spiegel. „Die Entscheidungen, die aufgrund dieser fehlerhaften Berichte getroffen wurden, sind nach bestem Wissen und Gewissen gefallen. Aber sie waren im Ergebnis falsch, mit katastrophalen Folgen.“

BND-Präsident Bruno Kahl war um Schadensbegrenzung bemüht. Er trat in geheimer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag auf, ebenso im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr), und berichtete, wie der BND zu seiner Prognose gekommen sei. Dabei betonte Kahl, dass man die besagten „Kipp-Punkte“ aufgelistet habe, was in der öffentlichen Darstellung nur verkürzt wiedergegeben worden sei. Außerdem hätten auch die wichtigen Partnerdienste in dieser Sache, allen voran die Amerikaner, die Lage ähnlich eingeschätzt.

Mittlerweile ist man im BND bereits einen Schritt weiter gegangen. Der Dienst ist nun mit der Fehleranalyse beschäftigt. Es wurde eine interne Prüfung eingeleitet, die klären soll, warum man mit der Prognose daneben lag.

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IS-Terroristen im Sudan?

Im Sudan gab es schwere Gefechte zwischen Sicherheitskräften und angeblichen IS-Dschihadisten. Dass die Terrororganisation auch in dem ostafrikanischen Land aktiv ist, war bislang nicht bekannt. Anfang des Jahres wollte jedoch auch ein Islamist aus Deutschland offenbar dorthin ausreisen. 

Von Florian Flade

Ein heftiges Feuergefecht soll es gegeben haben. Am Montag, im Stadtteil Jabra der sudanesischen Hauptstadt Khartoum. Maschinengewehre, Panzerfäuste und Handgranaten kamen dabei offenbar zum Einsatz. Sudanesische Sicherheitskräfte sollen eine Anti-Terror-Operation gegen Dschihadisten durchgeführt haben. Vier Terrorverdächtige sollen dabei getötet worden sein, ebenso ein sudanesischer Soldat. Weitere vier mutmaßliche Terroristen wurden nach Angaben lokaler Medien festgenommen. Es soll sich um eine Zelle der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) handeln.

Erst in der vergangenen Woche kamen bei einer Operation des sudanesischen Geheimdienstes in derselben Gegend fünf Angehörige der Sicherheitsbehörden ums Leben, sieben weitere wurden verletzt. Auch bei diesen Schusswechseln sollen IS-Anhänger beteiligt gewesen sein. Sudanesische Behörden melden außerdem die Festnahme von mehreren „ausländischen Elementen“, die zu der Terrorzelle gehört haben sollen.

Die Terrorgruppe IS beherrschte einst große Teile Nordsyriens und des Irak. Zudem entstanden Ableger, sogenannte Provinzen oder Verwaltungsgebiete, in anderen Regionen der Welt. Unter anderem in Afghanistan, Somalia, Philippinen, der ägyptischen Sinai-Halbinsel und Westafrika. Auch in Zentralafrika, vor allem im Kongo, und in Mosambique sind die Dschihadisten aktiv. Dass allerdings auch im Sudan ein IS-Struktur existiert, war bislang nicht bekannt.

Die Propagandaplattformen des IS veröffentlichen regelmäßig Bekennerschreiben, Fotos und Videos aus den noch verbliebenen Provinzen des Terrorkalifats. Aus dem Sudan, der in den 1990er Jahren als beliebter Rückzugsort für dschihadistische Gruppierungen galt, gab es solche offizielle Propaganda noch nicht.

Der Fall eines Terrorverdächtigen aus Deutschland aber lieferte vor einigen Monaten bereits Hinweise darauf, dass im Sudan möglicherweise tatsächlich terroristische Zellen existieren, die mit dem Islamischen Staat (IS) verbunden sind.

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