Monatsarchiv: November 2022

„We can neither confirm nor deny“

Es ist ein Satz, der Journalisten zur Verzweiflung treiben kann. „Wir können weder bestätigen noch dementieren…“, so antworten Geheimdienste oft auf Anfragen. Die Redewendung stammt aus dem Kalten Krieg und hat mit einer der wohl spektakulärsten Spionage-Operationen der Geschichte zutun – dem „Project Azorian“.

Von Florian Flade

Der Justiziar der CIA steckte in einer Zwickmühle. Im Frühjahr 1975 hatte eine Journalistin von einer streng geheimen Operation erfahren. Nun wollte sie mehr darüber wissen und fragte nach. Die CIA aber wollte unter keinen Umständen verraten, was sich im Jahr zuvor weit draußen im Nord-Pazifik abgespielt hatte. Die Sowjets sollten nichts von der gefährlichen Mission erfahren. Eine Zeitung hatte die CIA bereits überzeugen können, keinen entsprechenden Artikel zu veröffentlichen. Andererseits aber konnte der Geheimdienst auch nicht einfach lügen. Es war die Zeit der „Watergate-Affäre“, die Stimmung in der Bevölkerung war angespannt. In den USA besteht zudem für Regierungsstellen grundsätzlich ein Auskunftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit. Und die Journalistin beantragte daher nun Einsicht in Unterlagen. Was also tun?

Schließlich präsentierte der CIA-Justiziar eine Formulierung, die wie ein raffinierter Ausweg aus dem Dilemma daher kam: „We can neither confirm nor deny the existence of the information requested. But hypothetically, if such data were to exist, the subject matter would be classified and could not be disclosed.“„Wir können die Existenz der angefragten Information weder bestätigen noch dementieren. Aber falls hypothetisch solche Daten existieren würden, dann wäre der Sachverhalt eingestuft und könnte nicht preisgegeben werden.“

Der Satz „Wir können weder bestätigten noch dementieren…“ ist seitdem die wohl bekannteste Reaktion von Geheimdiensten auf Medienanfragen. Die Nicht-Antwort hat es in zahlreiche Filme und Bücher geschafft, sie erzürnt noch immer Journalisten und wird in der Politik in allerlei Variationen eingesetzt. Von den Diensten selbst wird sie mittlerweile als witzige Floskel verwendet. So schrieb die CIA im Juni 2014 als ersten Beitrag auf Twitter: „We can neither confirm nor deny that this is our first tweet“.

Ihren Ursprung hat die Redewendung im Kalten Krieg. Und zwar im Zusammenhang mit einer der wohl spektakulärsten Geheimdienst-Operationen, die es je gab – dem „Project Azorian“, der heimlichen Bergung eines gesunkenen sowjetischen Atom-U-Bootes durch die CIA.

Im März 1968 verschwand das sowjetische U-Boot K-129 im nördlichen Pazifik, rund 2500 Kilometer nordwestlich von Hawaii. Bis heute ist unklar, wie die US-Geheimdienste davon erfuhren. Es gibt Spekulationen, wonach es möglicherweise zu einer Kollision mit einem US-amerikanischen U-Boot gekommen sein könnte. Die CIA jedenfalls wusste, dass am Meeresgrund, in etwa fünf Kilometern Tiefe, offenbar ein sowjetisches U-Boot lag, ausgerüstet mit zwei Nuklearsprengköpfen.

Die Sowjetmarine war augenscheinlich nicht in der Lage das verschollene U-Boot samt der todgeweihten Besatzung ausfindig zu machen. Bei der CIA hingegen wagte man ein riskantes Unterfangen. Der US-Geheimdienste begann mit Planungen das gesunkene U-Boot zu bergen. Die Sowjets sollten davon nichts mitbekommen, alles lief unter strengster Geheimhaltung, nur wenige Personen waren eingeweiht.

Am 01. Juli 1969 wurde im Directorate of Science and Technology der CIA eine Arbeitsgruppe gegründet. Sie war verantwortlich für das „Project Azorian“, wie das Vorhaben genannt wurde. US-Präsident Richard Nixon war eingeweiht und genehmigte die äußerst heikle Operation. Die amerikanische Regierung erhoffte sich wertvolle nachrichtendienstliche und militärische Erkenntnisse. Es war eine wohl einmalige Gelegenheit in den Besitz sowjetischer Atom-Torpedos zu gelangen.

„Project Azorian“ wurde von John Parangosky geleitet, einem erfahrenen CIA-Mann, der zuvor an geheimen Überwachungsflügen des Geheimdienstes mitgewirkt hatte. Und von Ernest Zellmer, einem U-Boot-Offizier, der die U.S. Naval Academy abgeschlossen und im Zweiten Weltkrieg gedient hatte.

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Der Berner Club

Europas Inlandsnachrichtendienste haben vor mehr als 50 Jahren eine Allianz gegründet, über die bis heute kaum etwas öffentlich bekannt ist. Der Berner Club gilt als sehr verschwiegene Runde, um die sich Mythen und Legenden ranken. Was hat es mit dem Club der Spione auf sich?

Von Florian Flade

Ein Hauch von Nostalgie lag bei dem Treffen in Paris wohl in der Luft. Anfang April kamen in der französischen Hauptstadt die Leiterinnen und Leiter der europäischen Inlandsnachrichtendienste zusammen. Kurz zuvor hatte Wladimir Putin den Krieg gegen die Ukraine begonnen. Russlands Spionageaktivitäten standen daher weit oben auf der Agenda der Tagung. Die Dienste-Chefs diskutierten darüber, wie sich der Krieg nun wohl auf die Spitzeleien von Moskaus Spionen auswirken wird und wie man nun reagieren sollte. Ein Ergebnis der Gespräche war die Ausweisung von zahlreichen russischen Geheimdienstlern aus Europa.

Die Runde, die sich im Frühjahr in Frankreich traf, gibt es seit mehr als 50 Jahren. Sie ist ein Kind des Kalten Krieges, gegründet einst, um gegen die Sowjetunion und die Aktivitäten ihrer Geheimdienste effektiver vorgehen zu können. Bis heute ist kaum etwas über diesen Zusammenschluss der europäischen Nachrichtendienste bekannt. Und noch immer ranken sich zahlreiche Mythen und Legenden um das Format – den Berner Club oder Club de Berne (CdB).

Durch frei zugängliche Quellen ist tatsächlich wenig über die verschwiegene Runde in Erfahrung zu bringen. Es gibt kaum Erwähnungen in der Fachliteratur oder wissenschaftliche Arbeiten. Der Club unterliegt keiner parlamentarischen Kontrollen oder einer anderen Kontrollinstanz, Anfragen von deutschen Abgeordneten hat die Bundesregierung in der Vergangenheit mit Verweis auf den Schutz von Geheimnissen entweder nicht oder nur sehr knapp beantwortet. Nur wenige Historiker haben sich außerdem bislang wirklich tiefgreifend mit dem Berner Club beschäftigt.

Und so stammt vieles, was über das nachrichtendienstliche Austauschformat bekannt ist, hauptsächlich aus den Erzählungen jener Personen, die bei den Club-Treffen dabei waren oder in anderer beruflicher Funktion mit ihm zutun hatten. Oder aus wenigen internen Unterlagen, die ihren Weg aus dem geheimnisvollen Kreis heraus gefunden haben.

Die Anfänge des Berner Clubs gehen zurück in die 1960 Jahre. Damals sollen innerhalb der europäischen Geheimdienst-Community erste Überlegungen gereift sein, einen informellen Zusammenschluss, sozusagen eine Geheimdienst-Allianz in West- und Zentraleuropa, zu schaffen. Mit dem klaren Ziel die Aktivitäten des sowjetischen Gegners einzudämmen. Die Dienste wollten KGB, GRU, Stasi & Co. schlagkräftiger entgegentreten. Und zudem die kommunistische Umtriebe grundsätzlich effektiver bekämpfen.

Ein Hauptziel der Gründung des Berner Clubs soll es deshalb gewesen sein, nachrichtendienstliche Informationen und Hinweise auszutauschen, um die Spione des Ost-Blocks besser im Blick behalten zu können. Einen solchen Erkenntnisaustausch zwischen den Diensten erscheint aus heutiger Sicht trivial und naheliegend. Zum damaligen Zeitpunkt aber war eine derartige Zusammenarbeit kaum bekannt. Und wenn, dann gab es sie meist nur bilateral.

Der Berner Club sollte dies ändern. Zu den ersten Treffen soll es im Jahr 1965 gekommen sein, im Januar zuerst in Rom, dann im Dezember in Paris. Gründungsmitglieder sollen neun westeuropäische Dienste gewesen sein, darunter Vertreter aus Frankreich, Italien, den Niederlanden, Schweiz und Deutschland. Genaue historische Aufzeichnungen dazu sind bis heute nicht bekannt.

Im Laufe der Jahrzehnte ist der Club der Spione gewachsen, fast 30 Mitglieder hat die Runde heute. Und sie ist längst weitaus mehr als nur ein halbjähriges Treffen zum Plausch und Gedankenaustausch. Der Berner Club ist ein nachrichtendienstliches Bündnis, das über eigene Kommunikationssysteme und Austauschplattformen verfügt und sich mit allerlei unterschiedlichen Bedrohungen und Themen beschäftigt.

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