Monatsarchiv: März 2015

Salafisten-Gruppe „Tauhid Germany“ verboten

von Florian Flade

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Hasan K. alias „Abu Ibrahim“ – führendes Mitglied von „Tauhid Germany“

Eine Tankstelle, ein Supermarkt, dazwischen ein unscheinbares Mietshaus. Nader H. lebte unauffällig im Frankfurter Stadtteil Höchst. Von seinem Computer aus aber verbreitete der gebürtige Marokkaner seit Jahren islamistische Propaganda. Er soll ein führender Kopf der salafistischen Gruppierung „Islamische Audios“ gewesen sein. Zahlreiche Video- und Audioaufnahmen produzierten die Hinterleute dieses Netzwerkes und warben so im Internet für den radikalen Islam. Und auch an Koran-Verteilaktionen in Hessen soll Nader H. beteiligt gewesen sein.

Inzwischen ist Nader H. alias „Abu Bilal al-Maghribi“ wohl tot. Der Frankfurter Islamist soll am Dienstag bei einem Luftangriff in der umkämpften Stadt Kobani in Nord-Syrien ums Leben gekommen sein. Das meldete Dschihadisten über soziale Netzwerke und feiern den Online-Propagandisten als Märtyrer.

Noch vor einer Woche hatte Nader H. in einem selbstgeschriebenen Gedicht über seinen eigenen Tod siniert. „Und vielleicht schon morgen werde ich meinem Herren begegnen“, heißt es in dem Text, den Nader H. über seinen Twitter-Kanal „Stimme der Wahrheit“ verbreitete. „Meine zerfetzen Körperteile tragend zu meinem Herrn, und ihn fragend ob er mit mir zufrieden war.“

In Deutschland bekamen heute morgen radikale Salafisten unerwarteten Polizeibesuch, die wie Nader H. im Internet Propaganda betrieben hatten. Das Bundesinnenministerium erließ ein Vereinsverbot gegen die Gruppe „Tauhid Germany“.

„Die heutige Verbotsmaßnahme ist ein klares Signal an die militant-dschihadistische Szene“, teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizìere mit. Man werde weiter entschlossen gegen radikalislamische Gruppierungen vorgehen.

„Tauhid Germany“ wird von Sicherheitsbehörden als Nachfolgeorganisation des im Juni 2012 verbotenen Salafisten-Netzwerkes „Millatu Ibrahim“ gewertet. Im Internet war die Gruppierung auf eigenen Webseiten, bei Youtube, Tumblr, Twitter und Facebook aktiv. Einige dieser Seiten wurden heute von den Providern gelöscht.

Nach eigenen Angaben verfügt „Tauhid Germany“ über etwa 30 Mitglieder. Insgesamt wurden heute 26 Wohnungen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Schleswig-Holstein und Bayern von rund 500 Polizeibeamten durchsucht. Darunter auch die Wohnung des führenden Kopfes der Gruppierung, Hassan K. alias „Abu Ibrahim“. Es wurden Computer, Festplatten, Handys, USB-Sticks, Flyer, DVDs und auch Kleidungsstücke beschlagnahmt.

Das Verbot von „Tauhid Germany“ ist bereits das fünfte dieser Art gegen eine dschihadistische Organisation in Deutschland in den vergangenen drei Jahren. Zuvor waren neben „Millatu Ibrahim“ auch das missionarische Salafisten-Netzwerk „DawaFFM“, der Spenden-Verein „An-Nussrah“ und die Propaganda-Truppe „Islamische Audios“ verboten worden.

 

Reda Seyam: Totgeglaubte leben länger

von Florian Flade

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Normalerweise geizen Dschihadisten nicht mit Todesmeldungen. Das Ableben von islamistischen Kämpfern wird in der Regel nicht verheimlicht. Im Gegenteil. Die Terrorgruppen feiern ihre getöteten Mitglieder als „Märtyrer“, verkünden ihren Tod per Twitter-Meldung, Facebook-Eintrag oder Propagandavideo.

Beim Deutsch-Ägypter Reda Seyam gab es keine Todesnachricht. Irakische Medien vermeldeten jedoch Anfang Dezember 2014, der deutsche Islamist sei bei einem Luftangriff der Anti-IS-Koalition nahe der nordirakischen Stadt Mossul getötet worden.

Seyam, zuletzt wohnhaft in Berlin-Charlottenburg, soll als Bildungsbeauftragter der Terrorganisation „Islamischer Staat“ (IS) an der Universität von Mossul tätig gewesen sein. Zuständig für die Ausbildung von Lehrern. Er nannte sich angeblich Dhul al-Qarnain.

In deutschen Geheimdienstkreisen wurde die Todesnachricht schon kurze Zeit später angezweifelt. Und schließlich bestätigte auch die Familie des Berliner Islamisten, dass er noch am Leben sei.

Gestern nun veröffentlichte der IS ein neues Propagandavideo mit dem Titel „Bildung im Schatten des Kalifats“. Darin präsentiert die Terrororganisation das vermeintliche Bildungswesen in der syrischen Stadt Raqqa. Die Islamisten filmen Schulklassen, interviewen Lehrer und Schüler.

In einer Szene ist auch Reda Seyam zu sehen, an einem Tisch sitzend, im Hintergrund hängt die schwarze Flagge des IS. Der deutsche Dschihadist spricht über Lehrpläne und die Ausbildung der Lehrer.

Die Aufnahme ist wohl ein weiteres Indiz dafür, dass Seyam offenbar noch am Leben ist und erste Berichte über seinen Tod Falschmeldungen waren. Und das Video belegt noch etwas: Offenbar ist der Berliner Islamist mit einer langen Karriere im militanten Islamismus zu einem ranghohen Vertreter des IS aufgestiegen. Im Gegensatz zu Denis Cuspert und anderen Dschihadisten hat Seyam wohl tatsächlich eine gewisse Führungsposition inne.