Monatsarchiv: August 2013

Abu Usama frei – oder doch nicht?

von Florian Flade

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Es sei derzeit sehr einfach, so heißt es aus Sicherheitskreisen, an gefälschte libysche Pässe zu kommen. Die Papiere seien seit dem Sturz Gaddafis mit ein wenig Schmiergeld problemlos zu bekommen. Genau das dachte sich offenbar auch Mohamed Mahmoud, ein mit europäischem Haftbefehl gesuchter österreichische Islamist. Im März wurde er in der türkischen Stadt Hatay von Sicherheitskräften festgenommen. Er soll versucht haben, mit einem gefälschten libyschen Pass von der Türkei aus nach Syrien zu reisen. Vermutlich, um sich dort einer dschihadistischen Rebellengruppe anzuschließen.

Mahmoud alias „Abu Usama al-Gharib“, war im Frühjahr 2012 vom hessischen Städtchen Erbach, wo er mit seiner deutschen (islamisch angetrauten) Ehefrau gelebt hatte, nach Ägypten ausgewandert. Den Anführer der inzwischen verbotenen Islamisten-Gruppierung „Millatu Ibrahim“ hielt es dort allerdings nicht lange. Er reiste in das benachbarte Libyen.

Von dort aus soll Mahmoud per Flugzeug in die Türkei gereist sein. In Sicherheitskreisen wird vermutet, dass sich der Österreicher in Syrien dem Kampf gegen das Assad-Regime anschließen wollte. Die türkischen Behörden aber kamen dem Plan zuvor und nahmen den Extremisten fest. Seitdem sitzt Mohamed Mahmoud in der Türkei in Haft. Oder doch nicht?

Die österreichische Zeitung „Kurier“ hatte diese Woche gemeldet, Mahmoud sei aus der Haft entlassen worden, nachdem die türkische Seite einen Auslieferungsantrag der österreichischen Justiz abgelehnt hatte. „Wo er sich derzeit befindet, ist noch unklar – denkbar ist, dass er sich nach Syrien abgesetzt hat, um gegen das Regime mitzukämpfen“, so der „Kurier“.

Kaum machte die Nachricht von der Freilassung des Wiener Islamisten die Runde, folgte das Dementi aus der radikalislamischen Szene.

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Das österreichische Außenministerium bestätigte inzwischen gegenüber dem „Standard“, dass sich Mahmoud weiterhin in einem Anhaltelager für ausländische Staatsbürger befinde. Korrekt ist jedoch, dass die Türkei den österreichischen Antrag auf Auslieferung abgelehnt hat. Für die Einreise mit einem gefälschten libyschen Passdokument muss sich Mahmoud wohl bald in der Türkei verantworten.

Bis dahin hat der Extremist allerdings noch einige Zeit. Die er offenbar weiter mit Propagandaarbeit verbringt. Trotz Haft hat Mahmoud die Möglichkeit zu telefonieren und auch einen Internetzugang soll er haben.

Er sei bereits in Syrien gewesen, als man ihn in der Türkei festnahm, ließ Mahmoud aus dem Gefängnis verlauten. In Sicherheitskreisen wird diese Behauptung stark angezweifelt. „Er ist von Libyen in die Türkei geflogen. Er wollte nach Syrien. Aber die Türken waren wohl schneller“, sagte mir ein Vertreter der deutschen Sicherheitsbehörden.

Spielplatz der Dschihadisten

von Florian Flade

Über 100 Islamisten aus Deutschland sollen zum Kämpfen nach Syrien gereist sein. Jetzt gibt es erste deutsche Dschihad-Propaganda made in Syria.

pic2013-8-15 12 32 53Deutscher Islamist Reda Seyam (rechts) in Syrien

Al-Qaida hat Syrien ins Visier genommen. Das Terrornetzwerk mischt mit etlichen Splittergruppen und radikalislamischen Milizen beim blutigen Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und sunnitischen Rebellengruppen mit. Jüngster Coup: die Dschihadisten haben nahe der syrischen Hafenstadt Latakia über 100 Frauen und Kinder syrischer Soldaten als Geiseln genommen. Der Fernsehsender Al-Jazeera strahlte Interviews mit Geiselnehmern und ihren Opfern aus.

Das Video zeigt zudem einen Reporter von Al-Jazeera, mit kugelsicherer Weste und Helm, der einen Aufsager vor der Kamera vornimmt. Hinter der Kamera steht ein bulliger Mann mit Rauschebart und Brille. Er trägt keinen Helm, nur ein langes Gewand. Der Mann heißt Reda Seyam und ist deutscher Staatsbürger. Zuletzt lebte der siebenfache Vater in Berlin-Charlottenburg. Da war er eine der bestüberwachten Personen des Landes. Ein radikaler Islamist im Visier der Sicherheitsbehörden.

Der gebürtige Ägypter Seyam blickt auf eine langjährige Karriere im Dunstkreis des islamistischen Terrorismus zurück. In den vergangenen Jahrzehnten reiste Seyam stets in Gebiete, in denen extremistische Muslime den Dschihad ausgerufen hatten. Als islamistische Kämpfer 1990er Jahren gegen die serbische Armee in den „Heiligen Krieg“ zogen, war Seyam mit der Kamera dabei. Ebenso als in Indonesien radikale Islamisten Jagd auf Christen machten. Bis heute ist nicht geklärt, ob der Deutsch-Ägypter in die Al-Qaida-Anschläge von Bali 2002 verwickelt war oder nicht. Damals starben 200 Menschen, darunter viele Touristen, als eine Autobombe vor einem Nachtclub explodierte.

„Mein Mann war ein Kurierfahrer für den Heiligen Krieg“, sagt Seyams deutsche Ex-Frau, die heute in einem Zeugenschutzprogramm lebt. „Nicht er war. Er ist es.“

Im vergangenen Jahr brach Seyam seine Zelte in Berlin ab und wanderte zunächst nach Ägypten aus. Seit einigen Monaten aber soll der Islamist immer wieder nach Syrien reisen, um dort Videos an der Front der Rebellen zu drehen. Kameraarbeit für den radikalen Islam.

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, bestätigte jüngst, das seit Ende 2012 mindestens 120 Islamisten aus Deutschland in Richtung Syrien gereist sind. „Syrien ist weiterhin das zentrale Ausreiseziel für Dschihadisten aus Deutschland“, so Maaßen. Der Aufenthalt im syrischen Kriegsgebiet könnten Radikalisierungsprozesse verstärken, warnt der Verfassungsschutzpräsident. „Daher ist es wichtig, Ausreisen zu verhindern.“

Bislang hatte man beim Verfassungsschutz von rund 60 Ausreisen gesprochen. Diese Zahl wurde nun nach oben korrigiert, weil nun auch jene Islamisten gezählt werden, die zwar nach Syrien reisen wollten, von denen aber nicht klar ist, ob sie dort auch ankamen. Viele Ausreisewillige, so heißt es aus Sicherheitskreisen, seien auf dem Weg, in der Türkei, in Ägypten oder dem Libanon, hängen geblieben oder untergetaucht.

Doch nicht alle ausgereisten Islamisten seien wirklich willens in den Krieg zu ziehen. „Wir beobachten einige Personen, die in Syrien nur Dschihad spielen wollen“, sagte mir ein Verfassungsschützer. Diese jungen Männer stammten oft aus kriminellen Milieus. Sie reisen in das Kriegsgebiet, posieren dort mit Waffen, laden Fotos davon auf ihre Facebook-Profile und kehren wieder nach Deutschland zurück. „Sie erzählen dann daheim, sie hätten gekämpft und getötet. Syrien ist ein idealer Spielplatz für alle, die gerne Gotteskrieger wären“, so der Verfassungsschützer.

Eine steigende Zahl von Islamisten mit und ohne deutschen Pass aber gelingt es, sich in Syrien einer der unzähligen Rebellengruppen anzuschließen. Ihr Ziel ist es, gegen den Diktator Baschar al-Assad in den Kampf zu ziehen. Deutsche Sicherheitsbehörden registrieren aktuell immer mehr deutschsprachige Dschihad-Propaganda aus Syrien. Es begann zunächst mit Youtube-Videos, die Salafisten aus Deutschland bei vermeintlich humanitären Einsätzen im Kriegsgebiet zeigten. Echte und selbsternannte Prediger aus Nordrhein-Westfalen und Berlin posierten vor zerstörten Panzern des Assad-Regimes und filmten sich beim Verteilen von Hilfsgütern und Medikamenten, beim Beseitigen von Müll oder beim Besuch in Krankenhäusern.

Mittlerweile aber scheint klar, dass sich auch unter den kämpfenden Rebelleneinheiten Islamisten aus Deutschland befinden. Die Gruppe „Jabhat al-Nusra“ vermeldete vor kurzem den Tod von „Abu Ahmad al-Almani“, einem gebürtigen Libanesen der wohl seit frühester Kindheit in Deutschland gelebt hat. Zuletzt soll der gebürtige Albaner „Abu Zaid“ aus Deutschland an der Frontlinie von Latakia gefallen sein.

Die deutsche Dschihadisten in Syrien, so scheint es, versuchen derzeit über das Internet eine eigene Propaganda-Werkstatt aufzubauen, um neue Kämpfer zu rekrutieren. Unter dem Label „Sham Center“ bloggen und twittern die radikale Islamisten aus dem syrischen Kriegsgebiet heraus seit einigen Wochen regelmäßig Dschihad-Propaganda in deutscher Sprache.

Bald soll es eine Video-Dokumentation über deutsche Kämpfer in Syrien geben. Im Mittelpunkt stehen soll dabei der Berliner Ex-Rapper Denis Cuspert alias „Abu Talha al-Almani“. Der in Deutschland mit Haftbefehl gesuchte Islamist war im Sommer 2012 untergetaucht und über Ägypten und Libyen schließlich nach Syrien gereist.

Sein Wunsch ist es offenbar, im Kampf gegen das Assad-Regime zu sterben. „Ich warte auf den Tod und kann ihn nicht erwarten, bewaffnet mit Bomben und Granaten“, tönte Cuspert einer Audiobotschaft, die Anfang August im Internet veröffentlicht wurde. „Ich zünde die Bombe inmitten der Menge, drücke auf den Knopf.“

Dschihadistische Verschlüsselung

von Florian Flade

Seitdem bekannt wurde, dass der US-Geheimdienst NSA weltweit millionenfach E-Mail-Verkehr und Chats mitliest, steigt die Nachfrage nach Verschlüsselungsprogrammen. Islamistische Terroristen haben die Vorteile von Krypto-Software längst als nützliches Werkzeug zur geheimen Kommunikation entdeckt.

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Vor zwei Wochen war plötzlich ein Gespenst wieder in aller Munde, das längst totgeglaubt war – Al-Qaida. Das US-Außenministerium ließ schlagartig mehr als 20 Botschaften und Konsulate weltweit für mehrere Tage schließen. Von Algiers über Kairo, Sanaa und Amman bis Kabul und Malé. Deutsche Behörden folgten der Maßnahme. Die deutsche Botschaft im Jemen machte kurzfristig dicht.

Grund für die Panik war eine Warnung der US-Geheimdienste vor einem möglicherweise kurz bevorstehenden Terroranschlag der Al-Qaida. Der Chef des Terrornetzwerkes, Ayman al-Zawahiri, soll – so berichten US-Medien – in einer Art Online-Konferenzschaltung aus seinem Versteck im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet heraus mit mehreren seiner regionalen Kommandeure im Jemen, Nordafrika und Irak über entsprechende Pläne gesprochen haben.

Angeblich schlug der jemenitische Al-Qaida-Führer Nasir al-Wushayshi seinem Chef in Pakistan vor, „etwas Großes“ zum Ende des Fastenmonats Ramadan durchführen zu wollen. Die US-Behörden waren alarmiert. Plante Al-Qaida womöglich ein spektakuläres Attentat auf eine US-Einrichtung irgendwo in Nahost?

Terrorismus-Experten weltweit äußerten zunächst Zweifel an den Berichten über eine Al-Qaida-Telefonkonferenz. Der meistgesuchte Terrorist der Welt soll sich einfach vor einen Laptop gesetzt haben und anschließend mit Gleichgesinnten rund um den Globus zu chatten und live zu sprechen? Kaum glaubwürdig.

Mittlerweile hat sich herauskristallisiert, dass es sich bei der von den Geheimdiensten abgefangenen Kommunikation offenbar keineswegs um ein normales Telefonat gehandelt hat. Vielmehr sollen die Al-Qaida-Vertreter verschlüsselt in einem abgeschotteten Chatroom miteinander diskutiert haben . Offiziell bestätigt ist das zwar nicht, aber die Geheimdienste diesseits und jenseits des Atlantiks dementieren entsprechende Berichte immerhin nicht.

Der Fall zeigt: islamistische Terrornetzwerke haben nicht erst seit Bekanntwerden des PRISM-Überwachungsprogramms des US-Geheimdienstes NSA die Vorzüge von Verschlüsselungssoftware erkannt. Al-Qaida nutzt unterschiedliche Krypto-Programme seit Jahren und empfiehlt seinen Anhängern nur noch verschlüsselt E-Mails zu verschicken, zu Chatten oder Dateien zu transportieren.

Im Juli 2010 veröffentlichte die jemenitische Al-Qaida-Filiale (AQAP) einen Artikel in ihrem englischsprachigen Online-Magazin „Inspire“ mit dem Titel „Wie man Asar al-Mujahideen benutzt: Senden & Empfangen von verschlüsselten Nachrichten“. Es handelt sich um eine Anleitung zur Nutzung einer angeblich eigens für Dschihadisten entwickelten Krypto-Software namens „Asrar al-Mujahideen 2.0“ („Geheimnis der Gotteskrieger“).

„Also wie verschickt man wichtige Nachrichten ohne dass es der Feind mitbekommt?“, fragen die Autoren des Artikels und geben vermeintlich sichere Antworten für eine E-Mail-Kommunikation, die für Geheimdienste unerreichbar sein soll.

Bei der Software, die Al-Qaida seinen Anhängern weltweit empfiehlt, handelt es sich um eine einfache Form der PGP-Verschlüsselung für E-Mails. Lediglich im Design und der Gestaltung der Nutzungsoberfläche haben offenbar radikale Islamisten dem Programm einen dschihadistischen Anstrich verpasst. Zusätzlich bietet die Software die Möglichkeit, Dateien angeblich rückstandslos zu schreddern und von einem USB-Stick aus heraus gestartet zu werden. In der zweiten Version kann „Asrar“ außerdem Chat- und Foreneinträge verschlüsseln.

Dass die Instruktion der Krypto-Software durchaus ernstgemeint ist, daran lässt die jemenitische Al-Qaida keinen Zweifel. In sämtlichen Ausgaben des „Inspire“-Magazins findet sich eine Art Kontaktformular der Terrorgruppe mit mehreren E-Mail-Adressen. Dazu der Hinweis: „Wir raten euch dringend das „Asrar al-Mujahideen“-Programm zu nutzen, um mit uns in Kontakt zu kommen.“ Es folgt der für die PGP-Verschlüsselung notwendige Public-Key des Terrornetzwerkes.

Seit Februar diesen Jahres existiert mit „Asrar al-Dardashah“ eine zweite dschihadistische Verschlüsselungssoftware, die angeblich ein verschlüsseltes Chatten mit etablierten Diensten wie Yahoo, Google Talk, ICQ und MSN ermöglicht. Die Software wurde von der „Global Islamic Mediafront“ (GIMF) entwickelt und funktioniert als Plug-In.

Dschihadistische Terrorgruppen, so bestätigen westliche Geheimdienstler, setzen schon mindestens seit 2008 auf Software zur Verschlüsselungen von Dateien oder Kommunikation. Insbesondere Al-Qaida ist sich des Verfolgungsdrucks durch die Geheimdienste und der Gefahren offener Internetkommunikation bewusst. So verwundert es nicht, dass in den terroristischen Ausbildungslagern im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet neue Terrorrekruten auch in der Nutzung entsprechender Programme geschult werden.

So erzählten beispielsweise die beiden Hamburger Terrorverdächtigen Rami M. und Ahmad S. dem Bundeskriminalamt (BKA) im Verhör, dass sie während ihrer Zeit im pakistanischen Stammesgebiet Waziristan von Al-Qaida Trainingskurse im Umgang mit Verschlüsselungssoftware erhalten hätten.

Der ranghohe Al-Qaida-Kommandeur Sheikh Younis al-Mauretani soll den beiden Terrorrekruten geraten haben, nach ihrer Rückkehr nach Deutschland einen neuen Laptop zu kaufen, der nicht an das Internet angeschlossen werden sollte und nur dazu dienen dürfe, Nachrichten zu ver – und entschlüsseln. Auf diesem Computer sollten zwei Programme installiert werden.

„Das war einerseits das Verschlüsselungsprogramm „Mujahedin-Secret“ (Asrar) , das der Kryptierung von Textnachrichten dient, sowie andererseits das Programm „Camouflage““, heißt es in der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen das mutmaßliche Al-Qaida-Mitglied Ahmad S.. Zum Erlernen des konspirativen Kommunikationssystems seien Ahmad S. und Rami M. durch Scheich Younis Anfang Juni 2010 eine Woche im Umgang mit den Programmen zur Verschlüsselung „intensiv geschult“, so die Ermittler weiter.

Die Software „Camouflage“ dient laut Bundeskriminalamt dazu, Textnachrichten mit oder ohne Passwort in einer Bild-Datei zu verstecken. Wer das Bild öffnet, erkennt auf den ersten Blick nicht, dass damit eine nicht sichtbare Textdatei verbunden ist.

Eine Art „Tarnkappen“-Technik, die Al-Qaida offenbar besonders begeistert, wie ein Fall aus Berlin vor zwei Jahren zeigt. Am 16.Mai 2011 nahmen Fahnder gegen 9 Uhr morgens den damals 22-jährigen Österreicher Maqsood L. am Zentralen Busbahnhof der Hauptstadt fest. Der Sohn afghanischer Einwanderer hatte im pakistanischen Waziristan eine Terrorausbildung erhalten und kehrte gemeinsam mit dem Berliner Islamisten Yusuf O. im Frühjahr 2011 nach Europa zurück. Yusuf O. sollte in Wien alte Bekannte von Maqsood L. für den Dschihad gewinnen. Maqsood L. wiederum versuchte ähnliches in der Berliner Heimat seines Mitstreiters.

In der Unterhose von Maqsood L. fand die Polizei einen USB-Stick und eine SD-Speicherkarte. Darauf waren zunächst harmlos wirkende Ordner – darunter einer mit der Bezeichnung „Sexy_Tanja“ – voller Kinofilme gespeichert. Die eigentlichen Filmdateien waren mit der Software „Camouflage“ bearbeitet worden und hatten einen weitaus brisanteren Inhalt, als zunächst erkenntbar war. Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) analysierten den Fund und fanden in der Datei „Kick_Ass“ insgesamt 142 Dokumente mit Titeln wie „Report_on_operations“, „Future_Work“ oder „Lessons_learned_from_previous_operations“.

Es handelte sich um geheime Strategiepapiere und Schulungsmaterial der Al-Qaida. Die Schriften, viele davon in englischer Sprache, enthielten Anschlagspläne der Al-Qaida-Führung in Pakistan. Etwa sollten die Dschihadisten in Europa Geiseln nehmen und diese noch während der Geiselnahme, am besten vor einer Kamera, enthaupten. Auch die Sprengung von Staudämmen, Angriffe auf Kreuzfahrtschiffe im Mittelmeer oder die Erstürmung von Luxushotels wie in Mumbai 2008 wurden empfohlen.

In der Unterhose des österreichischen Al-Qaida-Lehrlings Maqsood L. befand sich eine verschlüsselte Schatztruhe für Terrorermittler. Seltenes und weltweit exklusives Material, das in Deutschland detailliert analysierten wurde und auch die amerikanischen Kollegen faszinierte.

Westliche Geheimdienste wissen durch die Fälle der vergangenen Jahren – hinzu kommt noch die Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle, die wohl ebenfalls über Verschlüsselungssoftware in Internetcafes mit Terroristen in Pakistan kommunizierte – wie begeistert die Terrornetzwerke von den technischen Möglichkeiten der Kryptologie sind. Terror zu planen, ohne dass Geheimdienste mitlesen können, ist ein Traum der seit der Nutzung des Internets an sich, in der islamistische Szene existiert.

Und so rüsten auch die Terrorfahnder auf. Sie analysieren die von radikalen Islamisten genutzten Online-Werkzeuge und entwickeln eigene Gegenmaßnahmen. „Es ist einfacher, wenn man weiß, dass man solche Verschlüsselungen zu erwarten hat“, sagt ein Ermittler, der an einem Verfahren gegen einen mutmaßlichen Al-Qaida-Terroristen beteiligt war. „Trotzdem kann man solche Dateien nicht immer knacken. Aber immer öfter.“

Längst können sich Al-Qaida & Co. nicht mehr auf die Nutzung der Verschlüsselungsprogramme allein verlassen. Die berechtigte Angst ist groß, dass Geheimdienste die Software schon im Vorfeld manipulieren.

„Bei Asrar al Mujahidin gibt es keinerlei Kontrollmöglichkeit für den Nutzer um herauszufinden, was er sich da gerade auf den Rechner zieht“, warnt ein Nutzer eines deutschen Islamisten-Forum.

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Dieser Artikel erschien am 16.August 2013 bei Heise Telepolis

http://www.heise.de/tp/artikel/39/39712/1.html