Monatsarchiv: Februar 2015

Der Terror und das Geld

von Florian Flade

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Als die schwarzvermummten Kämpfer des „Islamischen Staates“ im vergangenen Jahr die zweitgrößte irakische Stadt Mossul einnahmen, kamen sie nicht nur, um ihre Flagge zu hissen und die irakische Armee zu vertreiben. Sie kamen auch, um zu plündern. Die Zentralbank von Mossul raubten die selbsternannten Gotteskrieger aus. Bargeld und Goldbarren fielen den Terroristen in die Hände. Geschätzter Wert: Mehrere hundert Millionen Euro.

Jérôme Fritel und Stéphane Villeneuve sind der Spur des Geldes gefolgt. Einen Monat lang haben die beiden Journalisten im Irak die Finanzströme der Terroristen recherchiert. Sie sprachen mit Politikern, Geheimdienstlern, Terrorexperten, Schmugglern und Menschen, die unter der Herrschaft des IS leben.

Entstanden ist die beeindruckende Reportage „Die Wirtschaftsmacht der Gotteskrieger“, die am 10. Februar 2015 bei ARTE zu sehen war. Darin erläutern Fritel und Villeneuve, wie der IS mit Öl-Schmuggel, Schutz- und Lösegeldern Unsummen einnimmt. In der Mediathek können Sie sich den Beitrag noch einmal anschauen. Es lohnt sich!

http://www.arte.tv/guide/de/056621-000/is-die-wirtschaftsmacht-der-gotteskrieger

 

Deutschen IS-Terroristen droht Anklage wegen Kriegsverbrechen

von Florian Flade

pic100215_2Fared S. nach dem Überfall auf das Al-Shaer-Gasfeld

Der Angriff begann am Abend des 16. Juli 2014. Hunderte Kämpfer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) attackierten das von syrischen Regierungstruppen bewachte Al-Shaer-Gasfeld in der Provinz Homs. Das Ergebnis des Überfalls dokumentieren die wackeligen, von Handkamera aufgezeichneten Videos, die IS-Dschihadisten später ins Internet stellten:

Zu sehen sind darin unzählige blutüberströmte Leichen von syrischen Soldaten und Mitarbeitern der Gas-Förderanlagen. Wie viele Menschen bei dem IS-Angriff ermordet wurden, ist bis heute unklar. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von bis zu 270 Toten.

Ein Video, das offenbar kurz nach dem Überfall entstand, zeigt einen deutschen IS-Terroristen, der über einem Berg von Leichen thront. „Wie ihr sehen könnt, haben wir diese Tiere geschlachtet“, prahlt der Dschihadist. „Wir haben gekämpft. Und Allah hat uns den Sieg gewährt!“

Der Mann, der sich mit der Ermordung wohl Hunderter Menschen brüstet, heißt Fared S., ist 25 Jahre alt und kommt aus Bonn. Er ist einer von rund 600 Islamisten aus Deutschland, die sich dem Islamischen Staat nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden angeschlossen haben.

Es sind unter anderem schockierende Aufzeichnungen wie jene, die derzeit für ein Umdenken in der deutschen Justiz sorgen. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ werden deutsche IS-Kämpfer nach ihrer Rückkehr womöglich wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

Bislang ermittelten die Staatsanwaltschaften gegen deutsche Dschihadisten vor allem auf Grundlage der Paragrafen 129 und 89 des Strafgesetzbuchs, denen zufolge die Angeklagten sich der „Mitgliedschaft und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ oder der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ schuldig gemacht haben könnten.

Derlei Vergehen werden mit Freiheitsentzug von bis zu zehn Jahren geahndet. Wer jedoch unter Berufung auf Paragraf 8 des Völkerstrafgesetzbuches beschuldigt wird, „Kriegsverbrechen gegen Personen“ begangen zu haben, muss mit lebenslanger Haftstrafe rechnen.

Wie aus Justizkreisen zu erfahren ist, besteht insbesondere bei dem Berliner Ex-Rapper Denis Cuspert und dem Bonner Fared S. der Verdacht, dass sich beide als Kämpfer des IS an Kriegsverbrechen beteiligt haben könnten. Es soll dabei um die Ermordung von syrischen Soldaten und Zivilisten gehen. Dem Bundeskriminalamt (BKA) liegen nach Informationen der „Welt am Sonntag“ entsprechende Hinweise vor.

Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die 46 Verfahren gegen 83 mutmaßliche Dschihadisten führt, wollte sich zu den konkreten Vorwürfen gegen Denis Cuspert und Fared S. nicht äußern. Eine Sprecherin der Behörde teilte jedoch mit: „Die Bundesanwaltschaft hat den Konflikt in Syrien und im Irak unter allen in ihre Zuständigkeit fallenden rechtlichen Gesichtspunkten im Blick.“

Der Kölner Völkerrechtsexperte Claus Kreß hält Anklagen gegen deutsche IS-Kriegsverbrecher durchaus für möglich. „Es spricht alles dafür, dass die Kämpfer des IS Völkerstraftaten begehen, und zwar Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen in einem nicht internationalen bewaffneten Konflikt und vielleicht sogar Völkermord“, sagte Kreß der „Welt am Sonntag“. Bei ausländischen Tätern werde es allerdings nur dann zu deutschen Strafverfahren kommen, wenn sich Terroristen in Deutschland aufhalten.

Es könnten also schon bald Syrien-Rückkehrer nicht mehr nur als Angehörige der Terrororganisation IS vor deutschen Gerichten stehen, sondern als Kriegsverbrecher. In Sicherheitskreisen heißt es allerdings, es sei unwahrscheinlich, dass Fanatiker wie Denis Cuspert und Fared S. wieder nach Deutschland zurückkehren.

Ein neues Handyvideo, das in der vergangenen Woche im Internet auftauchte, bestätigt diese Einschätzung. „Nimm schnell das Ticket, komm mit dem Flugzeug, komm mit dem Zug, komm mit dem Fahrrad, komm mit dem Auto“, sagt der Berliner Denis Cuspert darin an seine Glaubensbrüder in Deutschland gerichtet. „Allah wird uns bald nehmen, und dann sehen wir uns vielleicht nie wieder.“

Die Kinder des Kalifats

von Florian Flade

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Der Junge ist noch zu klein, er muss die Pistole mit beiden Händen halten. Er tritt hinter die beiden Männer, die gefesselt vor ihm auf dem Boden hocken. Und er schießt beiden in den Kopf. Danach streckt er die Waffen nach oben. Das Kind grinst.

Die Szene stammt aus einem Video, das die Terrorganisation „Islamischer Staat“ (IS) vor kurzem veröffentlicht hat. Ein offenbar aus Kasachstan stammender Junge, nicht älter als 10 Jahre, exekutiert darin zwei angebliche russische Spione.

Kinder im Dschihad – das Phänomen ist nicht neu. Vor Jahren schon reisten Islamisten samt Ehefrauen und Kindern, manchmal auch alleinerziehende Mütter, in Kriegsgebiete, um sich dort in Terrorlagern ausbilden zu lassen. Etwa in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion Waziristan. Oder nach Somalia. Auch Dschihadisten-Familien aus Deutschland waren darunter.

Die Terrorgruppe IS jedoch entfaltet offenbar auf radikale Salafisten in ganz Europa eine gewaltige Sogwirkung. Immer häufiger reisen auch junge Frauen und Mädchen nach Syrien und in den Irak. Einige werden vor Ort schwanger, andere nehmen gleich ihre Kinder mit.

Meine Kollegen Eric Beres und Fritz Schmaldienst von REPORT Mainz haben sich in der vergangenen Sendung diesem Thema angenommen. Den Beitrag können Sie hier ansehen.