Monatsarchiv: Juni 2016

IS veröffentlicht weitere App für Kinder

von Florian Flade

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Die islamistische Indoktrinierung von Kindern beschäftigt die Politik. Noch in dieser Woche will die Große Koalition eine Gesetzesänderung beschlossen werden, wonach den Verfassungsschutzbehörden bundesweit zukünftig gestattet sein, auch die Daten von minderjährigen Extremisten ab dem 14. Lebensjahren zu speichern. Bislang gilt als einheitlicher Standart die Speicherung von Personen ab 16 Jahren. Nur in Ausnahmefällen – etwa terroristischen Bezügen – war dem Bundesamt für Verfassungsschutz erlaubt auch jüngere Extremisten zu erfassen.

Anlass für die geplante Gesetzesänderung sind insbesondere zwei Vorfälle aus diesem Jahr mit islamistischem Bezug. Im Februar attackierte die 15-jährige Schülerin Safia S. im Hauptbahnhof von Hannover einen Bundespolizisten mit einem Küchenmesser und verletzte ihn schwer. Die Ermittlungen dauern an, doch es gibt Hinweise, wonach das Mädchen möglicherweise im Auftrag des „Islamischen Staates“ (IS) gehandelt hat.

Der zweite Vorfall ereignete sich im April in Essen. Zwei jugendliche Salafisten im Alter von 16 Jahren griffen dort einen Tempel der örtlichen Sikh-Gemeinde mit einer selbstgebastelten Bombe an. Drei Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Vor und nach der Tat sollen sich die Teenager mit etwa gleichaltrigen Komplizen in einer islamistischen Whatsapp-Gruppe aktiv gewesen sein.

Radikalisierte Kinder und Jugendliche stellen gleich auf mehreren Ebene eine Herausforderung dar – für die Sicherheitsbehörden aufgrund der hohen Hürden bei Speicherung, Beobachtung und auch Festnahme. Jedoch auch für Präventivstellen, für das familiäre und schulische Umfeld. Dass die salafistische Indoktrinierung von Minderjährigen in den kommenden Jahren weiter gehen wird, davon ist auszugehen.

Doch nicht nur die islamistischen Missionierungsnetzwerke sondern auch Terrororganisation wie der IS haben längst begonnen, gezielt Minderjährige und Heranwachsende anzusprechen. Gerade der ISS verbreitet Ideologie derzeit mit kindergerechter Propaganda. 

Mitte Mai habe ich über die Handy-App „Huruf“ des IS berichtet. Mit ihr sollen Kinder arabische Begriffe lernen. Das Vokabel hat dabei nahezu durchweg dschihadistische Bezüge zu Krieg, Märtyrertum und Hass.

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Jetzt hat die Terrorgruppe eine neue App für Smartphones und Computer veröffentlicht. Sie trägt den Namen „Dua“. Diesmal geht es um das Erlernen von islamischen Bittgebeten. Der Prophet Mohammed soll diese Form der Gottesanrufung als essentiellen Teil des Gottesdienstes bezeichnet haben. „Dua“ zu machen kann dabei bedeuten, Koranverse oder andere religiöse Texte zu zitieren. 

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Die Kinder-App des IS vermittelt dieses spirituelle Weisung auf perfide Weise. Die Bittgebete, die elektronisch abgerufen und nachgesprochen werden können, haben fast ausschließlich Sprüche auf das Wohl der Dschihadisten und die Vernichtung der „Ungläubigen“ zum Inhalt.

Weiter kein Lebenszeichen von Denis Cuspert

von Florian Flade

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Sieben Monate ist es her, da teilte das US-Verteidigungsministerium mit, dass einer der wohl bekanntesten Dschihadisten aus Deutschland bei einem Luftangriff im Norden Syriens ums Leben gekommen sei: Denis Cuspert, 40 Jahre alt, Ex-Rapper „Deso Dogg“ aus Berlin. Cuspert soll am 16. Oktober 2015 in einem Konvoi unweit der IS-Hochburg Raqqa unterwegs gewesen sein, als eine Rakete das Auto traf, in dem er saß.

Soweit die Darstellung des US-Militärs. Auch in sozialen Netzwerken tauchten erste Berichte von mutmaßlichen IS-Terroristen und Aktivisten aus der Region auf, in denen vom „Märtyrertod“ des deutschen Islamisten die Rede war. Bis heute aber fehlen Beweise für den Tod von Denis Cuspert. Ebenso wenig gibt es Belege dafür, dass er noch am Leben ist.

Der Berliner Verfassungsschutz stellte am gestrigen Dienstag seinen Jahresbericht 2015 vor. Darin thematisiert werden auch die Ausreisen von Islamisten aus der Bundesrepublik in die Kriegsregionen Syrien und Irak. Auch Denis Cuspert, gegen den die Bundesanwaltschaft wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen ermittelt, findet in einem Absatz recht prominent Erwähnung.

„Führender deutschsprachiger Propagandist des IS ist der Deutsch-Ghanaer Denis Cuspert (…) Mehrfach kursierende Informationen über den Tod Cusperts, zuletzt im Oktober, konnten bislang nicht bestätigt werden“  – Verfassungsschutzbericht Berlin 2015, S. 15

Berlins Verfassungsschutzpräsident Bernd Palenda äußerte gestern zudem die Vermutung, Cuspert sei bei dem Luftangriff im Oktober 2015 nur verletzt, nicht aber getötet worden. Es war die erste offizielle Verlautbarung eines Behördenleiters zu dieser Frage bislang.

Bereits im Dezember hatte die Bundesregierung auf eine Anfrage der Links-Partei zum Tod von Cuspert zögerlich, aber ähnlich geantwortet wie jetzt der Berliner Verfassungsschutz.

“Laut öffentlich zugänglichen Informationen soll am 16. Oktober 2015 in der Nähe der syrischen Stadt Raqqa ein amerikanischer Luftangriff auf ein Fahrzeug stattgefunden haben. Das Fahrzeug befand sich auf dem Weg von Raqqa nach Tabqa. Bei dem Luftangriff sollen mindestens fünf Personen ums Leben gekommen sein. Weitere Kenntnisse liegen nicht vor. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wurden durch den BND die zuständigen US-amerikanischen Behörden angefragt; eine Antwort ist bislang nicht erfolgt.“ – Antwort der Bundesregierung auf Kleine Anfrage, Drucksache 18/6947

Wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren ist, wurden bislang in der islamistischen Szene keine Lebenszeichen von Denis Cuspert vernommen. Es kursieren offenbar – soweit den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden bekannt – keine neuen Foto- oder Videoaufnahmen des Islamisten. Und Propagandaaufnahmen, die der IS in den vergangenen Monaten von Cuspert veröffentlicht hat, darunter ein Video, in dem er über einen befreundeten Selbstmordattentäter aus Nordrhein-Westfalen spricht, gelten als alt.

Zuletzt tauchte Anfang März ein Nasheed auf, das die Sicherheitsbehörden dem Berliner Extremisten zurechnen. In dem Lied spricht Cuspert darüber, weshalb er Deutschland verlassen hat und in den Dschihad gezogen ist. Er wendet sich in der Aufnahme gezielt an seine Familie. Aber auch diese Audiobotschaft werten die Ermittler keinesfalls als Lebenszeichen. Sie wurde vermutlich schon vor längerer Zeit aufgenommen.

„Weil sie das Gesetz Allahs nicht akzeptieren“

von Florian Flade

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Asif N.  aus Hamburg – Selbstmordattentäter in Syrien

Die Nachricht kam zuerst über Twitter. „Märtyrer-Operation gegen die abtrünnigen Kurden in Süd-Ost-Shaddadi“ – hieß es in der Mitteilung der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), die im März verbreitet wurde. „Der Ritter Abu Umar al-Almani hat sein mit Sprengstoff beladenes Gefährt in einer Ansammlung abtrünniger Kurden (…) gesprengt. Dies führte zur Tötung und Verletzung mehrerer.“

Ein Foto, dass der IS wenig später verbreitete, zeigt einen jungen Mann mit strengem Blick, kariertem Tuch um den Kopf und Sturmgewehr in der Hand. Das Bundeskriminalamt (BKA) identifizierte den deutschen Selbstmordattentäter „Abu Umar al-Almani“ kurze Zeit später: Es handelte sich um Asif N., 20 Jahre alt, Islam-Konvertit aus einer deutsch-polnischen Familie in Hamburg.

In der vergangenen Woche veröffentlichte die Propagandaabteilung des IS nun auch ein Video zum Tod des deutschen Selbstmordattentäters. „Du gehst auf den Feind zu, in einem Auto, oder ohne Auto. Hast nur ihn vor dir, hinter dir ist niemand. Und tötest so viele wie möglich“, beschreibt Asif N. in dem Clip seinen bevorstehende Anschlag. Und liefert zugleich eine menschenverachtende Begründung für seine Tat: „Nicht weil sie Kurden sind. Nein, weil sie das Gesetz Allahs nicht akzeptieren. Wir gaben ihnen die Chance.“

Der IS lässt in dem Video keine Gelegenheit aus, syrische Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa zu diffamieren. Im Gegensatz zu ihnen habe sich „Abu Umar“ aus Deutschland aufgemacht, das „Land der Ungläubigen“ verlassen, um den Dschihad zu führen.

Asif N. war im September 2014 nach Syrien ausgereist – als einer von bislang 38 Islamisten aus Hamburg. Zuvor sollen Angehörige des jungen Mannes dessen Radikalisierung dem Hamburger Staatsschutz gemeldet haben. Eine Ausreise allerdings konnte nicht verhindert werden. Die Staatsanwaltschaft Hamburg aber leitete umgehend ein Ermittlungsverfahren gegen Asif N. ein, das dann sogar an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe abgegeben wurde. Der Verdacht: Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung einer schweren, staatsgefährdenden Gewalttat.

In abgehörten Telefonaten nach Deutschland soll der Dschihadist im vergangenen Jahr nicht nur vom Leben in „Dawla“, dem „Islamischen Staat“, geschwärmt haben. Er sprach auch davon, sich „für Allah“ opfern zu wollen. Nach Erkenntnissen deutscher Behörden erlitt der Hamburger Dschihadist im Gefecht mehrere Schussverletzungen an Rücken und Beinen. Anschließend soll er sich für ein Selbstmordattentat gemeldet haben.

Das BKA warnte daher im Dezember 2015 mit Plakaten in Bundeswehr-Lagern im Nordirak vor einem möglichen Anschlag durch Asif N.. „Die abgebildete Person ist verdächtig, terroristische Anschläge zu planen“, stand darauf. Nur drei Monate später, am 16. März, verübte Asif N. offenbar tatsächlich ein Selbstmordattentat. Jedoch nicht gegen Bundeswehr-Soldaten, sondern gegen die Milizionäre der kurdischen YPG-Einheiten.

Vom Anschlag selbst veröffentlichte der IS allerdings kein Video sondern lediglich eine Animation. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Eventuell filmten die Terroristen das Attentat des Hamburger Dschihadisten nicht. Oder aber das Material eignet sich schlichtweg nicht für Propagandazwecke: Die kurdischen YPG-Kämpfer filmten Anfang März einen misslungenen IS-Anschlag nahe der Ortschaft Shaddadi. Mit einem Panzer zerstörten sie offenbar die Autobombe des Attentäters, bevor dieser die YPG-Stellungen erreichen konnte.