Monatsarchiv: November 2012

Dschihad-Rapper Cuspert in Libyen

von Florian Flade

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Wo ist Denis Cuspert alias „Deso Dogg“? Diese Frage beschäftigt deutsche Sicherheitsbehörden seit es dem Berliner Ex-Rapper im Frühsommer gelang, sich ins Ausland abzusetzen. Der bekennende Islamist war einer Verhaftung zuvor gekommen und konnte trotz Überwachung durch deutsche Sicherheitsbehörden untertauchen.

Doch nicht völlig spurlos. Schnell war klar: Cuspert hatte sich nach Ägypten abgesetzt. Das überraschte nicht. Immerhin war dorthin bereits Mohammed Mahmoud, österreichischer Dschihad-Prediger und Glaubensbruder von Cuspert, ausgewandert nachdem ihm das hessische Innenministerium mit Abschiebung gedroht hatte.

Nach dem Verbot der von Cuspert und Mahmoud ins Leben gerufenen „Millatu Ibrahim“-Gruppe im Juni setzte zudem ein wahrer Exodus radikaler Salafisten nach Ägypten ein. Dutzende Islamisten, allen voran Mitglieder der „Millatu Ibrahim“-Gemeinde im nordrhein-westfälischen Solingen, folgten Mahmoud und Cuspert an den Nil. Mit Sorge beobachten die Sicherheitsbehörden seither die Entstehung deutscher Salafisten-Kolonien in Nordafrika.

Wo aber sind die ehemaligen Führungskader von „Millatu Ibrahim“? Mohammed Mahmoud, dessen Familie Immobilien in Ägypten besitzen soll, hatte sich zunächst in Kairo angesiedelt. Über das Internet predigte der Österreicher weiter Dschihad und Hass auf Ungläubige. Aus seiner Sicht konnte das Verbot von „Millatu Ibrahim“ in Deutschland, der Bewegung an sich nichts wirklich schaden. Sie existiert nach Mahmouds Auffassung weiter – nur liegt der Schwerpunkt nun im ägyptischen Exil.

Auf eigenen Blogs und durch Einträge in radikalislamischen Internetforen meldete sich Mahmoud in den vergangenen Wochen mehrfach zu Wort. Mal drohte einer seiner ebenfalls ausgewanderten Mitstreiter in einem PDF-Schreiben mit Terroranschlägen in Deutschland, mal verkündete Mahmoud selbst den Tod zweier Salafistinnen aus Deutschland und ernannte sie zu den ersten „Märtyrerinnen“ von „Millatu-Ibrahim“.

Denis Cuspert hingegen meldete sich monatelang nicht zu Wort. In Sicherheitskreisen kursierten Gerüchte und schwammige Informationen über den Verbleib des Berliner Dschihad-Rappers. Einmal hieß es, Cuspert sei möglicherweise nicht mehr am Leben. Im Sudan habe er „unglücklich mit Sprengstoff hantiert haben“, so die Information. Andere Hinweise legten den Schluss nahe, Cuspert sei womöglich auf dem Weg nach Mali.

Nichts davon erwies sich als korrekt. Vor einigen Wochen dann tauchte im Internet ein erstes Lebenszeichen des Berliners auf. In Form eines „Nashid“, eines islamistischen Kampfliedes. „Wir sind ausgewandert in die Welt auf dem Weg Allahs“, singt Cuspert darin. Doch wieder gab es keinerlei Hinweise auf einen Aufenthaltsort des Islamisten.

„Herr Cuspert ist in Bewegung“, so war aus Sicherheitskreisen zu vernehmen. Gemeint war offenbar, dass er sich nicht an einem Ort angesiedelt hatte. Spätestens seit Anfang Oktober war bekannt: Denis Cuspert ist in Libyen.

Und auch sein Weggefährte Mohammed Mahmoud hat sich nach Erkenntnissen der Nachrichtendienste vor kurzem nach Libyen begeben. Bei den Terrorjägern weiß man, dass Mahmoud plante im libyschen Benghazi eine Art deutschsprachiges Medienzentrum für den Dschihad aufzubauen. Eine Propagandamaschinerie, die Salafisten aus Deutschland nach Nordafrika rufen soll. Dieser Plan scheiterte bislang.

Zuletzt gab es Hinweise, Cuspert und Mahmoud hätten versucht, sich in der ostlibyschen Ortschaft Derna islamistischen Milizen anzuschließen. Die Stadt gilt als Hochburg der Dschihadisten. Derna war bis vor kurzem die Basis von „Ansar al-Sharia“, einer Islamisten-Miliz, die für den Angriff auf das US-Konsulat von Benghazi verantwortlich gemacht wird.

Die Stadt ist ein beliebter Rekrutierungsort für internationale Terrornetzwerke wie Al-Qaida. In den salafistischen Gemeinden der Küstenstadt finden sie idealen Nährboden. Schon in den 1980er Jahren sollen Islamisten aus Derna in Afghanistan gegen die Sowjet-Besatzer gekämpft haben. Dutzende Bewohner der Stadt zog es vor Jahren zwecks Dschihad gegen die US-Truppen in den Irak . Aktuell sollen bis zu 200 Männer aus Derna in Syrien an Kämpfen gegen das Assad-Regime beteiligt sein.

Westliche Nachrichtendienste wissen um die brisante Lage in der Region. Al-Qaida-Anwerber als den Maghreb-Staaten, aus Somalia, Jemen und Syrien fischen in Nordafrika nach todeswilligen Rekruten. Der Bundesnachrichtendienst (BND) warnte jüngst in einer Mitteilung an die Bundesregierung vor den Reisebewegungen von Dschihadisten aus Europa. Es gäbe Erkenntnisse, so BND-Chef Schindler, dass auch Islamisten aus Deutschland auf dem Weg nach Mali und in andere Konfliktgebiete seien.

Ausgewandert – Neues Nashid von „Deso Dogg“

von Florian Flade

Seit Monaten gab es kein Lebenszeichen mehr von Denis Cuspert. Der Berliner Ex-Rapper, ehemals bekannt als „Deso Dogg“, war im Juni aus Deutschland ausgereist – trotz Beobachtung durch deutsche Sicherheitsbehörden und Ermittlungen von Seiten der Justiz. Es gelang dem bekennenden Islamisten sich nach Ägypten abzusetzen.

In Sicherheitskreisen kursierten seitdem Gerüchte über den Verbleib des aus Berlin-Kreuzberg stammenden Extremisten. Womöglich sei Cuspert bei einem Unfall in Nordafrika ums Leben gekommen, hieß es. Dann gab es Hinweise, der Ex-Rapper könnte versuchen sich nach Syrien durchzuschlagen, um sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen. Nichts davon bestätigte sich.

Jetzt bricht Denis Cuspert sein Schweigen. Unter seinem islamischen Namen „Abu Talha al-Almani“ wurde in der vergangenen Nacht ein neues Kampflied mit dem Titel „Wir sind ausgewandert“ veröffentlicht. Darin besingt der Islamist die Migration im Namen Allahs, Dschihad und Märtyrertod.

„Wir sind ausgewandert in die Welt auf dem Weg Allahs, Allahs Wort das Höchste und die Scharia!“. Weiter heißt es: „Die schwarzen Flaggen heben wir und reiten in die Schlacht, nach Jerusalem zur Befreiung unserer Heiligen Stadt!“

Veröffentlicht wurde das neue Lied, sowohl in Video- als auch in MP3-Format, unter den Labels gleich zweier islamistischer Medienorganisationen. Die „Globale Islamische Medienfront“ (GIMF) stellte die Aufnahme ins Netz. Auf den Werbebannern aber prangt das Logo von „Millatu-Ibrahim“, jener islamistischen Gruppierung die Cuspert einst zusammen mit dem Österreicher Mohammed Mahmoud („Abu Usama al-Gharib“) ins Leben gerufen hatte, und die im Juni durch das Bundesinnenministerium verboten wurde.

Mohammed Mahmoud, so heißt es in Sicherheitskreisen, arbeite seit seiner Auswanderung im Mai fieberhaft an einer Neuorganisation von „Millatu-Ibrahim“ in Nordafrika. Er plante offenbar die Errichtung eines deutschsprachigen Medienzentrums für den Dschihad in Libyen. Unterstützung erhält der Islamist dabei von mehreren Salafisten die nach dem „Millatu-Ibrahim“-Verbot aus Deutschland ausgereist sind.

Bis zu 50 Salafisten wanderten seit Jahresanfang nach Ägypten aus. Einige von ihnen meldeten sich bei arabischen Sprachschulen an, andere wiederum folgten offenbar gezielt den Aufrufen von Mohammed Mahmoud. Die Befürchtung der Sicherheitsbehörden: Ägypten muss nicht Endstation für jene Islamisten aus Deutschland sein. Womöglich reisen einige Personen weiter in Konfliktgebiete wie Syrien, Jemen oder Mali.

„Wir können noch besser werden“ – Interview mit dem Verfassungsschutzpräsidenten

Quelle: BMI

 Er wurde schon kritisiert, da war er noch gar nicht im Amt – der neue Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Als „harten Hund“ bezeichnen ihn Kritiker. Jemand, der als Chef von seinen Mitarbeitern viel fordere, stets im Bilde sein will über Vorgänge, selbst im Detail. Keine schlechten Eigenschaften für jemanden, der eine Mammut-Behörde reformieren und modernisieren soll.

Als uns der gebürtige Mönchengladbacher am vergangenen Freitag zum Gespräch besuchte, war nichts erkennbar vom „harten Hund“. Deutschlands oberster Verfassungsschützer, den Vertraute als „brillanten Juristen“ und „scharfen Denker“ beschreiben, wirkte fröhlich und höchst interessiert. Es sei die Neugierde, sagte uns der 49-jährige, die ihn in seinem Amt antreibe.

Das nachfolgende Interview mit Hans-Georg Maaßen führte ich zusammen mit Uwe Müller und Martin Lutz.

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DIE WELT: Herr Maaßen, sitzen Sie auf einem Schleudersitz?

Hans-Georg Maaßen: Nein, sondern ich fühle mich auf meinem Stuhl sehr wohl.

WELT: Vier Verfassungsschutz-Präsidenten in Bund und Ländern mussten bereits wegen der Pannen im Zusammenhang mit der Neonazi-Zelle NSU zurücktreten. Und auch an Ihrer Amtsführung gibt es bereits Kritik.

Maaßen: Kritik spornt mich an, meinen zugegebenermaßen schwierigen Job noch besser zu machen.

WELT: Wie erklären Sie sich, dass die Neonazigruppe NSU so lange unerkannt blieb und neun Migranten sowie eine Polizistin ermorden konnte?

Maaßen: Ich selbst sehe die Ursache in strukturellem Versagen. Sowohl die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern war mangelhaft als auch die zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Daneben gab es Fehler einzelner Personen, besonders in den Ermittlungsbehörden. Darüber hinaus beschäftigen sich ja auch mehrere Untersuchungsausschüsse und eine Bund-Länder-Kommission mit den möglichen Gründen. Auch von der kommenden Hauptverhandlung gegen Frau Zschäpe und andere Beschuldigte erwarte ich eine Antwort auf die Frage, wie diese Terroristen unerkannt bleiben konnten.

WELT: Was regt Sie dabei im Rückblick besonders auf?

Maaßen: Mich regt besonders auf, wenn Dilettantismus nicht klar als solcher benannt wird, sondern als Normalität hingenommen wird. Wenn man nicht in der Lage ist, die Fehler der Vergangenheit zu erkennen, kann man sie auch nicht abstellen.

WELT: Trägt der Verfassungsschutz die Hauptschuld am kollektiven Versagen der Sicherheitsbehörden?

Maaßen: Wir alle müssen uns doch fragen, was ist falsch gelaufen? Da würde ich nicht nur Versäumnisse im Verfassungsschutzverbund sehen, sondern auch Fehler bei den Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaften.

WELT: Nach dem 4. November 2011, als der NSU enttarnt wurde, sollte die „Besondere Aufbauorganisation BAO Trio“ des Bundeskriminalamtes mit bis 360 Beamten die Verbrechen aufklären. Warum sind Sie von den Ergebnissen enttäuscht?

Maaßen: Es ist zumindest so, dass trotz der guten Arbeit der Beamten in der „BAO Trio“ die ganzen Hintergründe leider nicht restlos aufgeklärt werden konnten.

WELT: Von wem soll denn noch Aufklärung kommen?

Maaßen: Ich hoffe, dass die Hauptangeschuldigte Beate Zschäpe in dem bevorstehenden Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht endlich ihr Schweigen bricht. Erst dann werden wir in vielen Punkten Klarheit erhalten.

WELT: Vor einem Jahr wurden in Ihrer Behörde wichtige Akten vernichtet, ausgerechnet zum Auftakt der Karnevalszeit. Hat diese „Aktion Konfetti“ das Vertrauen in den Verfassungsschutz nachhaltig erschüttert?

Maaßen: Damit wurde die Reputation des Verfassungsschutzes in der Tat schwer beschädigt. Der Bericht des Sonderbeauftragten belegt, dass es sich nicht um eine Vertuschungsaktion handelte, sondern um das dumme Fehlverhalten eines einzelnen Mitarbeiters.

WELT: Ist nicht der Verfassungsschutz insgesamt ein Sanierungsfall?

Maaßen: Nein. Der Verfassungsschutz ist eine wichtige Einrichtung. Wir müssen uns aber reformieren und modernisieren. Wir können sicherlich noch besser werden.

WELT: Vor allem die türkischstämmige Bevölkerung hat wegen der Mordserie kein Vertrauen mehr. Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, wirft dem Verfassungsschutz sogar vor, den Rechtsstaat zu gefährden. Trifft Sie das?

Maaßen: Das ist Polemik, die ich für falsch halte. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat der Verfassungsschutz entscheidend mitgewirkt, zehn Anschläge aus dem islamistischen Bereich zu verhindern, z.B. den der Sauerlandgruppe. Der Verfassungsschutz hat dabei auch eine schützende Hand über ausländische Mitbürger gehalten.

WELT: Irritiert ist die Öffentlichkeit auch über das V-Leute-Wesen. Offenbar bezahlt der Verfassungsschutz höchst dubiose Informanten, und schützt diese angeblich sogar vor Verfolgung durch die Polizei. Heiligt der Zweck die Mittel?

Maaßen: Nein. Es muss nur immer wieder klar gemacht werden: V-Leute sind Extremisten und keine Beamten, die einen Eid auf die Verfassung geschworen haben. Zugleich sind V-Leute jedoch unverzichtbar, um an Informationen aus extremistischen Gruppierungen zu gelangen. Aus offen zugänglichen Quellen allein ist das nicht möglich. Allerdings müssen wir V-Leute so auswählen, dass sie ihre Bezahlung nicht benutzen, um Extremismus zu finanzieren.

WELT: Was wollen Sie bei den V-Mann-Führern ändern?

Maaßen: Das Bundesamt hat bereits eine klare hausinterne Dienstanweisung mit hohen – auch ethischen – Standards für das Führen von V-Leuten. In den Ländern brauchen wir ebenfalls ähnliche Vorschriften. Ich plädiere auch für eine Rotation von V-Mann-Führern. Sie sollten nicht über lange Zeiträume die gleichen Personen betreuen.

 WELT: Es gibt das Bundesamt für Verfassungsschutz, parallel arbeiten 16 Landesämter. Oft weiß die eine Stelle nicht, was die andere tut. Ist das föderale Klein-Klein der Treibsatz für Ineffizienz?

Maaßen: Bei den Sicherheitsbehörden ist Effizienz das Entscheidende. Diese hängt aber nicht von der Zahl der Ämter ab.

WELT: Wovon dann?

Maaßen: Wichtig ist, die Zentralstellenfunktion des BfV zu stärken. Das heißt: Die Landesämter müssen künftig dazu verpflichtet werden, dem Bundesamt sämtliche Informationen zur Verfügung zu stellen. Und wir müssen den Einsatz von V-Leuten zentral koordinieren dürfen. Für all das muss das Bundesverfassungsschutzgesetz geändert werden.

WELT: Dafür brauchen sie die Länder. Und die sperren sich.

Maaßen: Ich bin zuversichtlich, dass wir mit den Ländern zu guten Lösungen kommen. Die meisten Länder haben verstanden, dass von einer Stärkung des Bundesamtes alle profitieren.

 WELT: Als mögliche Konsequenz aus dem NSU-Debakel wird über ein Verbot der NPD diskutiert. Würde es Ihre Arbeit erleichtern?

Maaßen: Die Verfassungsschützer haben mit der kürzlich vorgelegten umfangreichen Materialsammlung gegen die NPD gute Arbeit geleistet. Die Frage, ob ein Verbot beantragt wird, ist nun eine politische Entscheidung. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass ein Verbot zwar Strukturen und Logistik der NPD zerschlägt, auf der anderen Seite aber ein Verbot gewaltbereiten Rechtsextremisten Zulauf bescheren könnte, denn das rechtsextremistische Gedankengut kann ja nicht verboten werden.

WELT: Warum sind Sie so skeptisch?

Maaßen: Das Risiko ist hoch, dass ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht scheitert. Oder, dass die NPD vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einen Sieg erringt und als zulässige Partei eingestuft wird. Diese Risiken muss die Politik sehr genau abwägen.

WELT: Was würde ein Scheitern bedeuten?

Maaßen: Das wäre ein Ritterschlag für die NPD. Sie hätte dann als einzige Partei in Deutschland das höchst-richterliche Siegel, nicht verfassungsfeindlich zu sein.

WELT: Der Verfassungsschutz ist aktuell vor allem wegen dem Rechtsextremismus und dem Versagen der Behörde in der Öffentlichkeit präsent. Tun Sie sonst nichts?

Maaßen: Wir leisten vielfach hervorragende Arbeit, zum Beispiel in der Spionageabwehr. Diese konnte im vorigen Jahr ein russisches Agentenpaar enttarnen, das unter falscher Identität in Deutschland lebte. Ein großer Erfolg: Es handelt sich um den gravierendsten Spionagefall seit der Wiedervereinigung.

WELT: Die Eheleute müssen sich ab Anfang nächsten Jahres vor Gericht verantworten. Laut Anklageschrift waren die russische Botschaft und die Konsulate voll in die Spionage einbezogen. Muss sich die Bundesrepublik das dauerhaft gefallen lassen?

Maaßen: Wie wehren uns gegen die Spionageaktivitäten ausländischer Dienste. Deswegen ist es wichtig, dass unsere Spionageabwehr so gut aufgestellt ist.

WELT: Die Bundesregierung wollte die beiden Agenten austauschen. Bedauern Sie, dass es nicht dazu kam?

Maaßen: Dazu möchte ich mich nicht äußern.

WELT: Leben weitere solcher Spione wie die Eheleute Anschlag unter uns?

Maaßen: Das ist realistisch. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in Westeuropa. Genaue Zahlen will ich nicht nennen.

WELT: Jahrelang wurde hauptsächlich vor den Gefahren gewarnt, die vom islamischen Terrorismus ausgehen. Ist die Bedrohung geringer geworden?

Maaßen: Ich sehe im islamistischen Terrorismus weiterhin die größte Bedrohung für die Innere Sicherheit in unserem Land. Dies wird aber derzeit, auch überschattet durch die Diskussion um den Rechtsextremismus, in der öffentlichen Whrnehmung verdrängt. Attentate von radikalen Islamisten können jederzeit passieren.

WELT: Denken Sie an die Terroranschläge von Madrid 2004 oder London 2005?

Maaßen: Solche Ereignisse sind auch in Deutschland möglich. Wir beobachten außerdem, dass sich immer mehr potenzielle Einzeltäter radikalisieren, oft über das Internet.

WELT: Viele Islamisten sind Salafisten. Sie wollen den Staat abschaffen, nehmen gleichzeitig aber Sozialhilfe in Anspruch. Ist das nicht dreist?

Maaßen: Es ist nicht hinnehmbar, dass Terroranschläge womöglich mit deutscher Sozialhilfe finanziert werden. Man sollte alle gesetzlichen Maßnahmen ausschöpfen, um das zu verhindern.

WELT: Auch die Islamhasser machen mobil. Sind Aktionen nach dem Vorbild des norwegischen Massenmörders Anders Breivik bei uns undenkbar?

Maaßen: Leider nein. Ich halte Aktionen nach diesem Muster durchaus für möglich.

WELT: Zum Schluss eine Frage zu Ihrem Image. Sie gelten als „harter Hund“. Gefällt Ihnen das?

Maaßen: Nein. Und es stimmt auch nicht, oder haben Sie jetzt diesen Eindruck?

WELT: Angeblich lautet ihr Lebensmotto doch: „Stress ist etwas für Leistungsschwache“. Überfordern Sie damit nicht Ihre Umwelt?

Maaßen: (lacht) Das Motto ist nicht wirklich ernst gemeint. Ich bin aber durchaus ein Anhänger des Leistungsprinzips.