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Schlag gegen IS-Spendennetzwerk

Sie sollen Gelder für in Syrien inhaftierte Dschihadistinnen gesammelt haben. Nun wurden bundesweit Wohnungen von mutmaßlichen Unterstützern der Terrororganisation IS durchsucht, mehrere Personen wurden festgenommen. Worum ging es bei der Spendenaktion „Deine Schwester im Camp“?

Von Florian Flade

„Gebt Geld! Und seid eine große Erleichterung für eure Schwestern und deren Kinder“, sagt die schwarz verschleierte Frau in dem Handyvideo, aufgenommen vor ein paar Jahren in einem Zelt in einem kurdischen Lager in Nordsyrien. „Und fürchtet euch vor Allah, wenn ihr diese nicht unterstützt, obwohl ihr dazu in der Lage seid! (…) Ich kenne das Leben in Deutschland, und ich weiß, dass man Geld hat!“ 

Das Video tauchte im Mai 2020 in sozialen Netzwerken auf. Und war Teil einer Spendenkampagne für Anhängerinnen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), die von kurdischen Sicherheitskräften in den Lagern Al-Hol und Roj im Nordwesten Syriens festgehalten werden. „Deine Schwester im Camp“ nannte sich diese Kampagne, die vor allem über Telegram-Kanäle, aber auch Facebook-Gruppen organisiert wurde.

Und tatsächlich kam offenbar einiges an Spendengeldern für die islamistischen Frauen zusammen. In der vergangenen Woche, am 31. Mai, rückten Polizeikräfte bundesweit an zahlreichen Orten an, durchsuchten Wohnungen und nahmen im Auftrag des Generalbundesanwalts sieben Beschuldigte fest. Der Schwerpunkt der Razzia lag in Nordrhein-Westfalen. 

Die Karlsruhe Behörde ermittelt nach eigenen Angaben gegen ein „internationales IS-Finanzierungsnetzwerk“, die Organisatoren von „Deine Schwester im Camp“ sollen durch finanzielle Spenden „die terroristischen Aktivitäten des Islamischen Staates (IS) in Syrien“ gefördert haben. 

Zwei IS-Anhängerinnen sollen demnach seit 2020 die Geldzahlungen aus Syrien heraus über soziale Medien in Deutschland eingeworben haben, in das Netzwerk sollen jedoch auch Finanzmittler eingebunden gewesen sein, „die Gelder sammelten und Konten oder digitale Spendenkassen zur Verfügung stellten“.

Die Gelder sollen an IS-Mitglieder in Syrien oder Mittelspersonen transferiert worden sein und dienten laut Generalbundesanwalt dazu, die Terrorgruppe IS zu stärken. Sie sollen „insbesondere zur Verbesserung der Versorgungslage von in den nordsyrischen Lagern Al-Hol und Roj inhaftierten Angehörigen der Vereinigung genutzt“ worden sein. Allerdings dienten die Spenden angeblich auch dazu Inhaftieren „die Flucht oder Schleusung aus den Lagern“ zu ermöglichen. Mindestens 65.000 Euro nach Syrien transferiert worden sein.

Der Verfahrenskomplex – der beim nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA) durch die Ermittlungsgruppe „Donum“ (Latein für „Geschenk“ oder „Spende“) geführt wird – erstreckt sich derweil über Nordrhein-Westfalen, wo die Hauptinitiatoren wohnhaft sind, hinaus. Insgesamt führte der Generalbundesanwalt 180 Verfahren, von denen 172 inzwischen an die Generalstaatsanwaltschaften Berlin, Celle, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Koblenz, München, Naumburg, Stuttgart und Thüringen abgegeben wurden.

Es handelt sich demnach um eine Vielzahl von Spendern, gegen die mittlerweile wegen mutmaßlicher Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ermittelt wird. Allerdings soll es sich dabei auch um zahlreiche Kleinstspender handeln, die nur geringe Summen an die Kampagne „Deine Schwester im Camp“ gespendet haben sollen. Ob und wie viele dieser Verfahren möglicherweise eingestellt werden, beispielsweise gemäß § 153 Strafprozessordnung, bleibt abzuwarten.

Bereits früher gab es ähnliche Spendenaktionen, bei denen teilweise über PayPal-Konten oder auch Bitcoin-Wallets Gelder für die islamistische Gefangenenhilfe eingesammelt wurden. 

In den kurdischen Lagern in Syrien leben nach wie vor mehrere zehntausend Menschen, darunter viele ausländische IS-Anhängerinnen mit ihren Kindern. Die Lebensbedingungen in den Camps, insbesondere die hygienischen Zustände, die Versorgung mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten, ist alarmierend schlecht. Den Kindern und Jugendlichen fehlt es an Bildungsangeboten, es kommt zu Kriminalität, Gewalt, teilweise sogar zu Morden. Zudem gibt es unter den Lagerbewohnern weiterhin auch stark radikalisierte Dschihadisten, die noch immer der IS-Ideologie anhängen. Die Gefahr einer Radikalisierung insbesondere von Kindern und Jugendlichen, die perspektivlos in den Camps aufwachsen, ist groß.

In den vergangenen Jahren forderten unter anderem die Vereinten Nationen, die US-Regierung, die kurdische Selbstverwaltung in der Region, aber auch Hilfsorganisationen wie das Internationale Rote Kreuz, Amnesty International, Human Rights Watch, Ärzte ohne Grenzen oder Save the Children, die internationale Staatengemeinschaft auf, sich für eine Verbesserung der Situation zu engagieren. Europäische Regierungen etwa wurden mehrfach aufgefordert ihre Staatsangehörigen aus den Lagern zu holen und nach der Rückkehr für etwaige Straftaten juristisch zu verfolgen.

Nur sehr zögerlich reagierte man in Paris, Amsterdam, Brüssel oder Berlin auf diese Forderungen. Nach und nach wurden schließlich Rückholaktionen organisiert, bei denen IS-Anhängerinnen und deren Kinder in die Heimatländer zurückgebracht wurden. Auch die Bundesregierung hatte zuletzt mehrfach solche Rückreisen durchgeführt, teilweise auch von Waisenkindern, deren deutsche Eltern mutmaßlichen bei den Kämpfen um die letzten IS-Hochburgen in Syrien und Irak getötet worden waren.

Insgesamt 27 Frauen, 80 Kinder und ein heranwachsender Junge, der als 11-Jähriger nach Syrien gebracht worden war, wurden bislang nach Deutschland geholt. Zuletzt im November 2022. Mehrere Rückkehrerinnen kamen in Untersuchungshaft und mussten oder müssen sich noch vor Gericht für ihre Zeit bei der Terrororganisation IS verantworten.

Weitere Rückholaktionen sind derzeit nicht geplant. Was auch daran liegt, dass die verbleibenden deutschen Staatsangehörigen in den Lagern Al-Hol und Roj bislang kein Interesse daran gezeigt haben sollen, nach Deutschland zurückzukehren. Darunter sollen sich Personen befinden, die den hiesigen Sicherheitsbehörden als stark radikalisiert gelten. Noch sollen sich 10 Frauen und 28 Kinder mit vermuteter deutscher Staatsangehörigkeit vor Ort befinden.

Darüber hinaus sollen noch mehr als ein Dutzend männliche IS-Mitglieder aus Deutschland in den kurdischen Gefängnissen in Syrien festgehalten werden. Von ihnen wurde bislang niemand in die Bundesrepublik zurückgeholt, obwohl gegen alle mittlerweile Haftbefehle vorliegen – teilweise wegen des Verdachts der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Wie viel Terror steckt in den Taliban?

Seit einem Jahr reagieren die Taliban in Afghanistan. Die deutsche Justiz konnte die Islamisten und ihre Helfer bislang als Terroristen verfolgen. Doch das könnte sich bald ändern.

Von Florian Flade

Die Gefahr des islamistischen Terrorismus ist angesichts der Kriegssituation in der Ukraine in den Hintergrund gerückt. Beim Generalbundesanwalt in Karlsruhe werden jedoch noch immer Woche für Woche neue Ermittlungsverfahren gegen Dschihadisten und deren Unterstützer eingeleitet. 258 Verfahren waren es im Jahr 2021, dieses Jahr sind es bereits mehr als 130.

Es sind vor allem die Anhänger der Terrororganisation Islamischer Staat (IS), die Deutschlands obersten Chefankläger beschäftigen. Aber auch eine andere Gruppierung findet sich häufig in den Terrorismus-Akten in Karlsruhe: Die afghanischen Taliban. Und genau das stellt die deutsche Justiz mittlerweile vor ein Dilemma.

Die Taliban haben im August 2021 erneut die Macht in Afghanistan übernommen. Die internationalen Truppen sind nach 20 Jahren abgezogen, die Islamisten haben ein „Emirat“ ausgerufen und regieren das Land nun gemäß ihrer fundamentalistischen Religionsauslegung. Die Taliban sind jetzt Staatsmacht am Hindukusch.

Was bedeutet das für die Strafverfolgung von Taliban-Kämpfern und Unterstützern in Deutschland? Handelt es sich bei den Taliban aus Sicht der deutschen Justiz weiterhin um eine terroristische Organisation?

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Die Jagd nach Putins Schergen

Der Krieg in der Ukraine beschäftigt den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Aber auch das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) ermittelt im Auftrag des Generalbundesanwalts zu den Kriegsverbrechen. Wie läuft so etwas ab und wie erfolgversprechend ist das?

Von Florian Flade

Drohnenaufnahme einer zerstörten Stadt in der Ost-Ukraine (Quelle: BBC)

Apfelstadt, so wird Meckenheim, eine Kleinstadt südwestlich von Bonn, oft genannt. Grün ist es dort im Rhein-Sieg-Kreis. Die Landschaft ist geprägt von Wäldern, Feldern, Wiesen und viele Obstplantagen. Und dann gibt es da einen recht schmucklosen, hellgrauen Gebäudekomplex, umringt von einem Zaun, daneben ein Sportplatz. Die Anlage gehört zum Bundeskriminalamt (BKA). Früher wurde hier gegen die RAF-Terroristen und auch die Neonazi-Zelle NSU ermittelt, heute geht es in Meckenheim um die ganz großen Verbrechen der Menschheit.

Zwischen Apfelbäumen und Schnellstraße residiert das BKA-Referat Staatsschutz (ST) 25, zuständig für die Ermittlungen zu den schlimmsten Verbrechen überhaupt: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und Völkermord.

In den vergangenen Jahren haben sich die Ermittler der Zentralstelle für die Bekämpfung von Kriegsverbrechen (ZBKV) mit Gräueltaten aus unterschiedlichen Kriegs- und Krisengebieten weltweit befasst. Es ging um Folterknechte des syrischen Assad-Regimes, um IS-Dschihadisten, die an Massenhinrichtungen und der Versklavung jesidischer Frauen und Mädchen beteiligt waren, und um afrikanische Milizionäre, die Journalisten und Oppositionelle verschleppt und ermordet haben sollen.

Seit rund drei Monaten beschäftigt nun auch ein Krieg in Europa die BKA-Ermittler in Meckenheim – der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Putins Armee hat das westliche Nachbarland überfallen, zahlreiche Städte und Dörfer wie Mariupol wurden durch Gefechte und Bombardements nahezu vollständig zerstört, Millionen Menschen sind aus dem Land geflohen, viele wurden getötet, vergewaltigt und verwundet. Auch wenn die ersten Offensiven des russischen Militärs zurückgeschlagen werden konnten, gehen die Kämpfe im Osten und Süden des Landes weiter.

Im Auftrag des Generalbundesanwalts in Karlsruhe sammelt das BKA nun Hinweise zu Kriegsverbrechen, die in der Ukraine begangen wurden. Eine eigene Ermittlungsgruppe wurde dazu eingerichtet, rund zwei Dutzend BKA-Mitarbeitende sind daran beteiligt. Am 8. März hat der Generalbundesanwalt ein Strukturermittlungsverfahren zum aktuellen Krieg in der Ukraine eingeleitet.

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