Spielplatz der Dschihadisten

von Florian Flade

Über 100 Islamisten aus Deutschland sollen zum Kämpfen nach Syrien gereist sein. Jetzt gibt es erste deutsche Dschihad-Propaganda made in Syria.

pic2013-8-15 12 32 53Deutscher Islamist Reda Seyam (rechts) in Syrien

Al-Qaida hat Syrien ins Visier genommen. Das Terrornetzwerk mischt mit etlichen Splittergruppen und radikalislamischen Milizen beim blutigen Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und sunnitischen Rebellengruppen mit. Jüngster Coup: die Dschihadisten haben nahe der syrischen Hafenstadt Latakia über 100 Frauen und Kinder syrischer Soldaten als Geiseln genommen. Der Fernsehsender Al-Jazeera strahlte Interviews mit Geiselnehmern und ihren Opfern aus.

Das Video zeigt zudem einen Reporter von Al-Jazeera, mit kugelsicherer Weste und Helm, der einen Aufsager vor der Kamera vornimmt. Hinter der Kamera steht ein bulliger Mann mit Rauschebart und Brille. Er trägt keinen Helm, nur ein langes Gewand. Der Mann heißt Reda Seyam und ist deutscher Staatsbürger. Zuletzt lebte der siebenfache Vater in Berlin-Charlottenburg. Da war er eine der bestüberwachten Personen des Landes. Ein radikaler Islamist im Visier der Sicherheitsbehörden.

Der gebürtige Ägypter Seyam blickt auf eine langjährige Karriere im Dunstkreis des islamistischen Terrorismus zurück. In den vergangenen Jahrzehnten reiste Seyam stets in Gebiete, in denen extremistische Muslime den Dschihad ausgerufen hatten. Als islamistische Kämpfer 1990er Jahren gegen die serbische Armee in den „Heiligen Krieg“ zogen, war Seyam mit der Kamera dabei. Ebenso als in Indonesien radikale Islamisten Jagd auf Christen machten. Bis heute ist nicht geklärt, ob der Deutsch-Ägypter in die Al-Qaida-Anschläge von Bali 2002 verwickelt war oder nicht. Damals starben 200 Menschen, darunter viele Touristen, als eine Autobombe vor einem Nachtclub explodierte.

„Mein Mann war ein Kurierfahrer für den Heiligen Krieg“, sagt Seyams deutsche Ex-Frau, die heute in einem Zeugenschutzprogramm lebt. „Nicht er war. Er ist es.“

Im vergangenen Jahr brach Seyam seine Zelte in Berlin ab und wanderte zunächst nach Ägypten aus. Seit einigen Monaten aber soll der Islamist immer wieder nach Syrien reisen, um dort Videos an der Front der Rebellen zu drehen. Kameraarbeit für den radikalen Islam.

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, bestätigte jüngst, das seit Ende 2012 mindestens 120 Islamisten aus Deutschland in Richtung Syrien gereist sind. „Syrien ist weiterhin das zentrale Ausreiseziel für Dschihadisten aus Deutschland“, so Maaßen. Der Aufenthalt im syrischen Kriegsgebiet könnten Radikalisierungsprozesse verstärken, warnt der Verfassungsschutzpräsident. „Daher ist es wichtig, Ausreisen zu verhindern.“

Bislang hatte man beim Verfassungsschutz von rund 60 Ausreisen gesprochen. Diese Zahl wurde nun nach oben korrigiert, weil nun auch jene Islamisten gezählt werden, die zwar nach Syrien reisen wollten, von denen aber nicht klar ist, ob sie dort auch ankamen. Viele Ausreisewillige, so heißt es aus Sicherheitskreisen, seien auf dem Weg, in der Türkei, in Ägypten oder dem Libanon, hängen geblieben oder untergetaucht.

Doch nicht alle ausgereisten Islamisten seien wirklich willens in den Krieg zu ziehen. „Wir beobachten einige Personen, die in Syrien nur Dschihad spielen wollen“, sagte mir ein Verfassungsschützer. Diese jungen Männer stammten oft aus kriminellen Milieus. Sie reisen in das Kriegsgebiet, posieren dort mit Waffen, laden Fotos davon auf ihre Facebook-Profile und kehren wieder nach Deutschland zurück. „Sie erzählen dann daheim, sie hätten gekämpft und getötet. Syrien ist ein idealer Spielplatz für alle, die gerne Gotteskrieger wären“, so der Verfassungsschützer.

Eine steigende Zahl von Islamisten mit und ohne deutschen Pass aber gelingt es, sich in Syrien einer der unzähligen Rebellengruppen anzuschließen. Ihr Ziel ist es, gegen den Diktator Baschar al-Assad in den Kampf zu ziehen. Deutsche Sicherheitsbehörden registrieren aktuell immer mehr deutschsprachige Dschihad-Propaganda aus Syrien. Es begann zunächst mit Youtube-Videos, die Salafisten aus Deutschland bei vermeintlich humanitären Einsätzen im Kriegsgebiet zeigten. Echte und selbsternannte Prediger aus Nordrhein-Westfalen und Berlin posierten vor zerstörten Panzern des Assad-Regimes und filmten sich beim Verteilen von Hilfsgütern und Medikamenten, beim Beseitigen von Müll oder beim Besuch in Krankenhäusern.

Mittlerweile aber scheint klar, dass sich auch unter den kämpfenden Rebelleneinheiten Islamisten aus Deutschland befinden. Die Gruppe „Jabhat al-Nusra“ vermeldete vor kurzem den Tod von „Abu Ahmad al-Almani“, einem gebürtigen Libanesen der wohl seit frühester Kindheit in Deutschland gelebt hat. Zuletzt soll der gebürtige Albaner „Abu Zaid“ aus Deutschland an der Frontlinie von Latakia gefallen sein.

Die deutsche Dschihadisten in Syrien, so scheint es, versuchen derzeit über das Internet eine eigene Propaganda-Werkstatt aufzubauen, um neue Kämpfer zu rekrutieren. Unter dem Label „Sham Center“ bloggen und twittern die radikale Islamisten aus dem syrischen Kriegsgebiet heraus seit einigen Wochen regelmäßig Dschihad-Propaganda in deutscher Sprache.

Bald soll es eine Video-Dokumentation über deutsche Kämpfer in Syrien geben. Im Mittelpunkt stehen soll dabei der Berliner Ex-Rapper Denis Cuspert alias „Abu Talha al-Almani“. Der in Deutschland mit Haftbefehl gesuchte Islamist war im Sommer 2012 untergetaucht und über Ägypten und Libyen schließlich nach Syrien gereist.

Sein Wunsch ist es offenbar, im Kampf gegen das Assad-Regime zu sterben. „Ich warte auf den Tod und kann ihn nicht erwarten, bewaffnet mit Bomben und Granaten“, tönte Cuspert einer Audiobotschaft, die Anfang August im Internet veröffentlicht wurde. „Ich zünde die Bombe inmitten der Menge, drücke auf den Knopf.“

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