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Eine „Honigfalle“ aus Hannover?

Der Leiter der Geheimdienstabteilung der kanadischen Polizei muss viele Jahre ins Gefängnis. Er hatte geheime Informationen an Kriminelle verraten – und vor Gericht behauptet, ein Anbieter von verschlüsselten E-Mails aus Deutschland sei eine Honigfalle der Geheimdienste.

Von Florian Flade

Cameron Ortis habe „etwas von einem Rätsel“, sagte der Richter am Ontario Superior Court bei seiner Urteilsverkündigung in der vergangenen Woche. Noch nie habe er einen Angeklagten vor sich gehabt, der in solch hohen Tönen von den Zeugen im Prozess gelobt worden sei. Seine Kollegen hatten Ortis als ehrlichen, intelligenten und integren Beamten und loyalen Staatsdiener beschrieben. Umso geschockter seien sie von den Vorwürfen gegen ihn gewesen.

Am 07. Februar wurde Cameron Ortis zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt – wegen des Verrats von Staatsgeheimnissen. Die Staatsanwaltschaft hatte gar 28 Jahre Haft gefordert. Der 51-jährige Ortis war lange Zeit für Kanadas Sicherheit verantwortlich, er leitete die Geheimdienst-Abteilung der Royal Canadian Mountain Police (RCMP), das National Intelligence Coordination Centre. Und war damit der Chef des kanadischen polizeilichen Staatsschutzes.

In dieser Funktion hatte Ortis umfangreichen Zugang zu geheimen Informationen, unter anderem zu Material ausländischer Partnerdienste, insbesondere der Geheimdienst-Allianz „Five Eyes“, der neben Kanada die USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland angehören.

Im September 2019 dann machte in der angelsächsische Nachrichtendienstcommunity schnell die Meldung von der Verhaftung des kanadischen Geheimdienst-Mannes die Runde. Der Verdacht: Ortis soll Informationen über geheime Ermittlungen an Vertreter der organisierten Kriminalität verraten haben. Die Ermittler durchsuchten die Wohnung von Ortis in Ottawa, beschlagnahmten fünf Laptops, fünf externe Festplatten, zehn Speichersticks und drei Mobiltelefone.

Mehr als vier Jahre später nun wurde Ortis schuldig gesprochen. Er selbst bestreitet die Vorwürfe bis heute – und hatte im Prozess mehrfach behauptet, die Weitergabe von Informationen sei in Wahrheit Teil einer Geheimoperation gewesen, um eben jene kriminellen Netzwerke zu infiltrieren. Laut Ortis spielte dabei ein E-Mail-Anbieter aus Deutschland eine entscheidende Rolle, der eine „Honigfalle“ sein soll. Die angeblich sicher verschlüsselten E-Mails würden von Geheimdiensten heimlich mitgelesen.

Was ist dran an dieser Behauptung? Und warum ging es plötzlich im kanadischen Gericht um einen E-Mail-Dienstleister aus Hannover?

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Die Bücher der Spione

Wenn ehemalige Geheimdienstler Bücher schreiben, dann gelangen oft Informationen an die Öffentlichkeit, die eigentlich geheim bleiben sollten. In Frankreich geht der Auslandsgeheimdienst deshalb nun juristisch gegen zwei frühere Spione vor. Wie ist das in Deutschland?

Von Florian Flade

Die Tage von Muammar al-Gaddafi waren gezählt. Im Frühjahr 2011 herrschte Krieg in Libyen, im einstigen Reich des Diktators. Die Kampfverbände der Opposition rückten auf die libysche Hauptstadt Tripoli vor. Große Teile des Landes befanden sich schon nicht mehr unter Gaddafis Kontrolle. In der französischen Botschaft herrschte Aufbruchsstimmung, Paris ordnete die Evakuierung der Diplomaten an. Einer der letzten Verbliebenen war Oberstleutnant Jean-Francois Lhuillier, damals Resident des französischen Auslandsgeheimdienstes DGSE in Libyen.

Lhuillier und sein Kollege vernichteten in jener Nacht im Februar 2011 anweisungsgemäß zahlreiche geheime Akten und Datenträger, bevor auch sie aus der Botschaft abzogen und sich in ein Versteck begaben. Über seine aufregende Zeit in Libyen (2009-2012) hat der ehemalige französische Spion ein Buch geschrieben. Es im Juni erschienen und trägt den Titel „Der Mann von Tripoli – Memoiren eines Geheimagenten“, und enthält zahlreichen Anekdoten, die eigentlich nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollten. Das Buch des ehemaligen Geheimdienstlers beschäftigt deshalb nun die französische Justiz.

Am frühen Morgen des 03. Oktober wurde Jean-Francois Lhuillier von der französischen Polizei festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ex-DGSE-Mann vor, Dienstgeheimnisse verraten zu haben, die Frankreichs nationale Sicherheit gefährden könnten. Es ist der bisherige Höhepunkt in einem andauernden Streit zwischen dem Auslandsgeheimdienst DGSE und ehemaligen Mitarbeitern, die Bücher über ihre Zeit als Spione geschrieben haben. Neben Lhuillier steht auch ein weiterer früherer DGSE-Mitarbeiter inzwischen im Fokus der Strafverfolger.

Unter dem Pseudonym „Richard Volange“ hat ein langjähriger Nachrichtendienstoffizier des DGSE im Mai ein Buch mit dem Titel „Spion – 44 Jahre im DGSE“ veröffentlicht. Darin beschreibt der Autor mehrere Erlebnisse in seiner Dienstzeit, unter anderem in Afrika. Es geht beispielsweise um die Jagd nach islamistischen Terroristen, die wegen Anschlägen in Frankreich gesucht waren. Auch die Veröffentlichung dieser Schilderungen stellt nach Ansicht des französischen Geheimdienstes eine Straftat dar, DGSE geht daher rechtlich gegen den Autor vor.

Dass Ex-Spione Bücher schreiben, kommt immer wieder vor. In Frankreich galt es jedoch lange Zeit als eher verpönt, in Großbritannien gab es solche Publikationen ebenfalls eher selten. In den USA hingegen ist es fast schon die Regel, zumindest bei hochrangigen Geheimdienstlern, insbesondere bei ehemaligen Behördenleitern wie den Direktoren von CIA und FBI. Und auch in Deutschland haben Verfassungsschützer und BND-Mitarbeiter bereits Memoiren verfasst.

Ganz ohne Reibereien mit dem früheren Arbeitgeber aber geht es nur selten. Denn die Dienste sehen grundsätzlich es nur ungern, wenn ehemalige Mitarbeiter zu Autoren werden und aus dem Innenleben der sonst so verschwiegenen Behörden berichten. Wer etwa hierzulande Zugang zu Dienstgeheimnissen hatte, muss diese auch dann wahren, wenn er oder sie aus dem Dienst ausscheidet. Anderenfalls droht sogar eine Gefängnisstrafe. Und was als Dienstgeheimnis gilt und was geheimhaltungswürdig ist, das entscheidet für gewöhnlich der Geheimdienst.

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Chinas Jagd auf die CIA

Neue Gesetze, Festnahmen und Aufrufe an die Bevölkerung. China verschärft seine Spionageabwehr. Dies richtet sich vor allem gegen die CIA. Schon vor zehn Jahren wurden in der Volksrepublik zahlreiche Quellen des US-Geheimdienstes enttarnt und sogar hingerichtet. Wie kam es dazu?

Von Florian Flade

Egal ob mit Freunden chatten, Fotos und Videos verschicken, Nachrichten posten, Essen bestellen oder im Café bezahlen – die Handy-App WeChat ist in China fester Bestandteil des Alltags. Mehr als eine Milliarde Nutzer hat das Programm, für die meisten Chinesen ist ein Leben ohne WeChat inzwischen kaum vorstellbar.

Seit Anfang August hat WeChat einen eher ungewöhnlichen Nutzer: Das chinesische Ministerium für Staatssicherheit (MSS), der zivile Geheimdienst der Volksrepublik China. Und warum das sonst so verschlossene und schweigsame Ministerium nun einen Auftritt im sozialen Netzwerk hat, wurde gleich im ersten Posting der Geheimdienstler deutlich. Alle Mitglieder der chinesischen Gesellschaft, so schrieb das MSS in seiner ersten Mitteilung bei WeChat, seien dazu aufgerufen, sich am Kampf gegen Spionage aus dem Ausland zu beteiligen.

Wer Informationen über ausländische Agenten und deren Aktivitäten in China habe, könne sich diskret melden, bekomme sogar Belohnung und Schutz zugesichert. Die Beteiligung des Volkes am Mechanismus der Spionageabwehr solle „normalisiert“ werden, hieß es in Statement des MSS auf WeChat. Bald würden entsprechende Hotlines und andere Kontaktmöglichkeiten bereit gestellt.

Nur rund eine Woche nach dem ersten Statement des chinesischen Geheimdienst über WeChat, verkündete die Spionageabwehr Pekings einen angeblichen Erfolg bei der Jagd nach gegnerischen Agenten. Ein chinesischer Mitarbeiter eines Militärkonzerns sei unter Spionageverdacht festgenommen worden, teilte das MSS am 11. August mit. Der angebliche Spitzel, der mit Nachnamen „Zeng“ heißen soll, wird beschuldigt, militärische Geheimnisse gegen „große Summen Geld“ an den US-Geheimdienst CIA verkauft zu haben. Der 52-jährige Chinese sei von seinem Arbeitgeber für ein Studium nach Italien geschickt worden, wo er mit „einem Vertreter der US-Botschaft“ in Kontakt gekommen sei, bei dem es sich um einen CIA-Mitarbeiter gehandelt habe.

„Zeng entwickelte nach und nach eine psychologische Abhängigkeit von (dem US-Beamten), der die Gelegenheit nutzte, ihn mit westlichen Werten zu indoktrinieren“, teilte das chinesische Ministerium für Staatssicherheit mit. Die CIA habe dem Chinesen zudem im Gegenzug für geheime Informationen aus der chinesischen Militärindustrie angeboten, seiner Familie bei der Auswanderung in die USA zu helfen. „Nach Abschluss seines Auslandsstudiums kehrte Zeng nach China zurück und führte weiterhin mehrere geheime Treffen mit den CIA-Agenten durch, lieferte eine große Menge wichtiger Informationen und kassierte Gelder für die Spitzeleien.“

Am 21. August dann folgte eine zweite, ähnliche Meldung der chinesischen Spionageabwehr. Ein 39-jähriger Mitarbeiter eines nicht näher genannten Ministeriums sei festgenommen worden. Der Chinese namens „Hao“ sei von der CIA angeworben worden, als er in Japan studiert habe und dort ein Visum für die USA beantragt habe. Daraufhin habe ein Amerikaner aus der US-Botschaft „Hao“ angesprochen und eine Bekanntschaft mit ihm aufgebaut, ihn zum Essen eingeladen, Geschenke gemacht und ihm angeboten, beim Verfassen von wissenschaftlichen Arbeiten zu helfen.

Später dann sei der nun festgenommene Chinese einem CIA-Mann vorgestellt worden, der ihn aufgefordert habe, nach China zurückzukehren und dort für die USA zu spionieren. „Hao“ habe sogar eine Verpflichtungserklärung für seine Spitzeleien unterzeichnet und sei als Agent ausgebildet worden, so der chinesische Inlandsgeheimdienst. Nach seiner Rückkehr nach China habe „Hao“ schließlich eine Stelle in einem Ministerium angenommen, er habe sich noch mehrfach mit seinen CIA-Kontakten getroffen und dabei Geheimnisse verraten.

Die Festnahmen der beiden angeblichen CIA-Quellen in den vergangenen Wochen, die öffentlichen Aufforderung des MSS, Spionen und Agenten zu melden und auch die lebenslange Gefängnisstrafe gegen eines 78-jährigen US-Amerikaners wegen Spionage im Mai dieses Jahres machen deutlich: Peking fährt derzeit eine härtere Gangart gegenüber ausländischen Geheimdienstaktivitäten. Die CIA wird in der Propaganda als Feindbild und Gegner deutlich hervorgehoben, und die chinesische Führung schwört die Bevölkerung auf den Kampf gegen Spitzeleien und Einflussnahmen von außen ein. Gleichzeitig werden die Werkzeuge der chinesischen Behörden für die Suche nach Verrätern und Informanten der westlichen Dienste ausgebaut.

So wurde das ohnehin bereits sehr umfassenden chinesischen Anti-Spionage-Gesetz von 2014 kürzlich noch einmal verschärft. Im April wurde das Gesetz ausgeweitet, seit Juli ist es in Kraft. Die Definition von Spionage wird nun sehr weit gefasst: Nicht nur die Weitergabe von Staatsgeheimnisse und Informationen der Sicherheitsbehörden gilt in China künftig als Straftat, sondern jeglicher „Dokumente, Daten, Material oder Gegenstände in Verbindung mit der nationalen Sicherheit und nationalen Interessen“.

Was genau damit gemeint ist, bleibt allerdings – offenbar bewusst – unklar. Der Begriff „nationale Interessen“ kann weit ausgelegt werden. Chinas Strafverfolgungsbehörden haben damit jedenfalls weitreichende Handhabe, was wiederum insbesondere ausländische Unternehmen zunehmend verunsichert. Wer in China bestimmte Datenbanken abfragt, Statistiken auswertet oder Wirtschaftsdaten von Geschäftspartnern überprüfen will, kann jetzt schnell unter Spionageverdacht geraten.

Die Führung in Peking geht im Schattenkrieg der Geheimdienste in die Offensive, so scheint es. Nach mehreren Festnahmen und Verurteilungen von chinesischen Agenten in den USA, bläst nun auch Chinas Spionageabwehr immer lauter zur Jagd auf Verräter und Spitzel. Was sicherlich auch als Reaktion auf die jüngsten Äußerungen westlicher Geheimdienstler zu werten ist. Immerhin hatte CIA-Direktor William Burns angekündigt, die Spionage gegen China ausbauen zu wollen.

Falls es sich bei den jüngsten Festnahmen tatsächlich um enttarnte Quellen der CIA handelt, dürfte dies als deutlicher Rückschlag für die US-Dienste gewertet werden. Und als mögliches Déjà-vu. Denn bereits vor zehn Jahren flogen zahlreiche Informanten der CIA in China auf. Mehr als zwei Dutzend Spitzel wurden verhaftet, teilweise sollen sie sogar hingerichtet worden sein. Was war passiert?

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