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Als der KGB einen BND-Mann vergiftete

Beim Besuch eines Klosters in Russland wurde ein Giftanschlag auf Horst Schwirkmann verübt. Als Elektronikfachmann des BND war er damit beauftragt, Abhöraktionen der Sowjets zu verhindern.

Von Florian Flade

„Ein langes und erfülltes Leben ging zu Ende“, so beginnt die Traueranzeige, die im Februar in einer Zeitung in Nordrhein-Westfalen erschien. Horst Schwirkmann wurde 93 Jahre alt. Und er hatte wohl nicht nur ein langes und erfülltes Leben, sondern ein ziemlich bewegtes noch dazu. Und das lag an seinem früheren Beruf.

Schwirkmann hat für den Bundesnachrichtendienst (BND) gearbeitet, er war ein Fachmann für Elektrotechnik, vor allem für Abhörgerätschaften. Dass seine Tätigkeit für den deutschen Auslandsnachrichtendienst bekannt ist, hat mit einem bis heute einmaligen Vorfall zu tun: Horst Schwirkmann wurde in den 1960er Jahren das Ziel eines Giftanschlags des sowjetischen KGB. Es ist der bislang einzige dokumentierte Fall eines BND-Mannes, der von einem gegnerischen Geheimdienst gezielt vergiftet wurde.

Im Herbst 1964 war Schwirkmann, damals 35 Jahre alt, an der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau akkreditiert. Seine offizielle Position war die eines Dritten Sekretärs, einer der unteren diplomatischen Dienstgrade. Diplomatie aber war nicht Schwirkmanns eigentliche Aufgabe. In Wahrheit war er für den BND unterwegs. Man hatte ihn nach Moskau geschickt, um sicherzustellen, dass die Sowjets die diplomatische Vertretung der Bundesrepublik nicht verwanzen und abhören.

Das Bespitzeln der westlichen Botschaften war in der Sowjetunion eine allgegenwärtige Herausforderung. In zahlreichen Vertretungen europäischer Staaten, aber auch der USA, waren insbesondere in der Anfangszeit des Kalten Krieges immer wieder Abhörgerätschaften entdeckt worden. Darunter auch die wohl berühmteste sowjetische Wanze: „The Thing“.

Im August 1945, wenige Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges, bekam der US-amerikanische Botschafter In Moskau, Averell Harriman, von einer Gruppe sowjetischer Kinder als Geste der Freundschaft zwischen der Sowjetunion und den USA ein Geschenk überreicht: Eine Holzplatte, in die das Große Siegel, das nationale Symbol der USA eingraviert war. Botschafter Harriman zeigte sich dankbar und platzierte die Holzplatte in seinem Büro in der US-Botschaft in Moskau.

Sieben Jahre hing das vermeintliche Geschenk der Sowjets, das später nur „The Thing“ genannt wurde, dort. Bis Anfang der 1950er Jahre eher zufällig ein Techniker der britischen Botschaft beim Abhören sowjetischer Radiofrequenzen plötzlich Gespräche aus der amerikanischen Botschaft mithören konnte. Die weiteren Ermittlungen ergaben schließlich: In der Holztafel war eine Wanze versteckt, ein Gerät mit einer hochsensiblen Membran, das ohne eigene Stromquelle funktionierte, von außen angefunkt werden konnte und dann Geräusche übertrug.

Solche Spitzeleien der Sowjets zu unterbinden war die Aufgabe von Horst Schwirkmann. Am 01. April 1957 begann er seine Karriere beim BND, und zwar als Fachmann für Elektrotechnik und sichere Kommunikationssysteme. Er wurde schließlich als Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes getarnt nach Moskau versetzt, um die Technik der westdeutschen Botschaft im Auge zu behalten, nach möglicherweise unentdeckten Abhörgeräten zu suchen und Schutzvorrichtungen einbauen. Und das machte der BND-Mann offenbar ziemlich gut. Denn immerhin geriet er wohl schnell in den Fokus des KGB.

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Was ist die „Gang of Eight“?

Eine kleine Gruppe von US-Abgeordneten hat Zugang zu den sensibelsten Geheimdienstinformationen, wie jüngst etwa zu den Erkenntnissen des iranischen Angriffs auf Israel. Was hat es mit dieser „Gang of Eight“ auf sich?

Von Florian Flade

Sie wussten, dass der Angriff kommen wird. Dass das Mullah-Regime im Iran einen Vergeltungsschlag gegen Israel plant. Als Rache für den israelischen Luftangriff, bei dem kürzlich in Damaskus mehrere hochrangige iranische Militärs, darunter zwei Generäle, getötet worden waren. Die US-amerikanischen Geheimdienste warnten in der vergangenen Woche explizit davor, dass Teheran eine Welle von Angriffen mit Raketen und Drohnen vorbereite.

In den frühen Morgenstunden am vergangenen Sonntag war es dann so weit. Hunderte Kamikaze-Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen wurden auf Israel abgefeuert, nahezu alle Geschosse konnten von der israelischen Flugabwehr und den Streitkräften der verbündeten Nationen abgefangen werden. Ein kleines Kind allerdings wurde schwer verletzt.

Einer der ersten, der öffentlich vor einer neuen Gewalteskalation in Nahost und einem konkreten iranischen Angriffsplan warnte, war der US-amerikanische Senator Marco Rubio (Republikaner) aus Florida. Am vergangenen Donnerstag schrieb er auf der Plattform X, dass Iran einen großangelegten Angriff auf Israel von seinem Staatsgebiet aus durchführen wolle.

Rubio verfügte offensichtlich über detaillierte Informationen zu dem bevorstehenden Luftangriff des Teheraner Regimes. Und das hat mit seiner besonderen Rolle zu tun: Der Republikaner gehört zur sogenannten „Gang of Eight“, einer Gruppe von acht US-Politikern, die von der US-Regierung über die Erkenntnisse der Geheimdienste unterrichtet werden.

Innerhalb der US-amerikanischen Geheimdienstkontrolle übernimmt diese Gruppe, die Zugang zu hoch eingestuften Informationen erhält, eine besondere Funktion. Sowohl der US-Senat auch als auch das Repräsentantenhaus verfügen mit dem United States Senate Select Committee on Intelligence und dem United States House Permanent Select Committee on Intelligence über Gremien, in denen die Arbeit der Geheimdienste parlamentarisch kontrolliert werden soll.

Dies geschieht einerseits durch Anhörungen der Director of National Intelligence (DNI) und Vertretern der Dienste, andererseits durch nicht-öffentliche Briefings, die Angehörige dieser Ausschüsse bekommen.

Daneben existiert die besagte „Gang of Eight“. Sie setzt sich zusammen aus jeweils zwei Mitgliedern der eben genannten Kontrollinstanzen in Senat und Repräsentantenhaus. Hinzu kommen vier weitere Vertreter aus dem Repräsentantenhaus und dem Senat: Und zwar jeweils die Führer der Mehrheit und Minderheit von Demokraten und Republikanern, die ranghöchsten Abgeordneten beider Parteien.

Die „Gang of Eight“ wird durch die US-Regierung über relevante nachrichtendienstliche Erkenntnisse, aber auch über heikle Operationen der US-Geheimdienste informiert. Sie bekommt oftmals auch zeitnah Zugang zu Informationen, die für die Analyse einer aktuellen Entwicklung von großer Bedeutung sind – wie etwa jüngst beim bevorstehenden Angriff des Iran auf Israel.

In Kenntnis gesetzt wurde die „Gang of Eight“ zuletzt auch über Russlands Pläne zur Stationierung von nuklearen Waffen im Weltraum, ebenso über das chinesische Spionageballon-Programm und über die geheimen Papiere, die im privaten Anwesen des früheren Präsidenten Donald Trump gefunden worden waren.

Eingeführt wurde die kleine exklusive Runde in den 1970er Jahren. Damals stand im Vordergrund die Frage, ob und wie die US-Regierung eine parlamentarische Kontrolle der Geheimdienstarbeit gewährleisten kann, wenn es sich um besonders sensible Operationen handelt. Dabei ging es vornehmlich um verdeckte Maßnahmen, die sogenannte „covert action“.

Dazu zählte etwa der CIA-Einsatz in Laos während des Vietnamkrieges, die verdeckte Einflussnahme der USA in Chile, die zum Militärputsch gegen den sozialistischen Präsidenten Salvador Allende führte, der Aufbau der „Contras“ in Nicaragua oder die CIA-Hilfe für die Mudschaheddin in Afghanistan in den 1980er Jahren.

Nachdem klar wurde, dass der Kongress oftmals über solche Aktivitäten der US-Dienste im Unklaren gelassen, oder viel zu spät erst informiert worden war, forderten die Abgeordneten eine neue Regelung zur frühzeitigen Information über selbst die geheimsten Operationen.

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Operation „Skirp“

In Großbritannien stehen mehrere Bulgaren vor Gericht. Sie sollen in Europa für Russland spioniert haben. Hat der gesuchte Wirecard-Manager Jan Marsalek die Agentenzelle gesteuert?

Von Florian Flade

Es gebe „sehr gute Nachrichten“, schrieb der Mann, der sich im Chat „.CN“ nannte, am 06. Juni 2022, um 18:53 Uhr Londoner Zeit. Das „Seal Team“ sei erfolgreich in „das Grozev Apartment eingedrungen“. Man habe einen Tresor geöffnet und darin einen IBM Laptop gefunden. Und weiter: „Das Team hat Wien vor zwei Stunden verlassen.“ Der Chatpartner „Rupert Ticz“ reagierte freudig auf die Nachricht.

Es ist die Beschreibung eines Einbruchs in Wien. In die Wohnung des Investigativjournalisten Christo Grozev, der damals mit seiner Frau in der österreichischen Hauptstadt lebte. Grozev, der früher bei Bellingcat und heute für The Insider und Der Spiegel arbeitet, ist bekannt für seine Enthüllungen zu den Machenschaften russischer Geheimdienste, und steht deshalb im Visier des Kreml. Er gilt als gefährdet und lebt inzwischen nicht mehr in Europa.

Die beiden Männer, die sich vor zwei Jahren freudig über den Wohnungseinbruch bei Grozev austauschten, waren nicht die Einbrecher. Aber sie haben Aktion offenbar organisiert. Der eine, „.CN“, hielt sich zu diesem Zeitpunkt wohl in Großbritannien auf. Es soll sich dabei um den Bulgaren Orlin Roussev handeln. Sein Chatpartner befand sich damals wohl in Moskau: Hinter dem Nutzernamen „Rupert Ticz“ soll Jan Marsalek stecken, der flüchtige Wirecard-Manager, verwickelt in einen Finanzskandal mit einer Milliardendimension.

Der 46-jährige Bulgare Orlin Roussev steht mittlerweile in London vor Gericht. Er soll der Kopf einer Agentenzelle sein, die für Russland spioniert haben soll. Neben Roussev gehören dazu weitere bulgarische Staatsangehörige – Biser Dzhambazov, Katrin Ivanova, Ivan Stoyanov und Vanya Gaberova – die ebenfalls im September 2023 angeklagt wurden. Mittlerweile wurde auch eine sechste Person festgenommen, die zu diesem Netzwerk gehören soll.

Die britischen Ermittler sind überzeugt davon, dass diese Zelle für Moskaus spioniert hat. Sie soll Zielpersonen und Örtlichkeiten ausgespäht haben, darunter russische Dissidenten, Regime-Kritiker und Journalisten. Und zwar nicht nur in Großbritannien, sondern auch anderenorts in Europa. Ihre Aufträge sollen Roussev und die anderen von Jan Marsalek bekommen haben. Der mit Haftbefehl gesuchte Österreicher soll die Agenten über Handychat aus Russland gesteuert haben.

Aufgedeckt wurde die bulgarische Zelle um Roussev durch den britischen Inlandsnachrichtendienst MI5 und die Counter-Terrorism-Abteilung der Metropolitan Police. Das Ermittlungsverfahren in Großbritannien heißt „Operation Skirp“ – und hat mittlerweile erstaunliche Erkenntnisse über ein multinationales Netzwerk zutage gefördert, das offensichtlich für Informations- und Technologiebeschaffung und für die Ausspähung von Menschen genutzt wurde. Unter anderem zehntausende Chatnachrichten, die Marsalek zugeschrieben werden.

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