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Das Klima und die Spione

Krieg, Terrorismus oder Kriminalität sind Bedrohungen mit denen sich die meisten Geheimdienste befassen. Was aber ist mit den Gefahren, die ebenfalls Auswirkungen auf die Sicherheit der Menschheit haben, etwa der Klimawandel und seine Folgen?

Von Florian Flade

Der Name des einfachen weißen Holzhauses, erbaut im Jugendstil im Jahr 1909, lautet Höfði. Es ist das Gästehaus der isländischen Regierung und liegt am Stadtrand von Reykjavík. Höfði ist ein historischer Ort. Kurz vor Ende des Kalten Krieges trafen sich hier der damalige US-Präsident Ronald Reagan und der sowjetische Generalsekretär Michail Gorbatschow, um über Abrüstung und den Frieden zwischen den beiden Atommächten zu sprechen.

Im März 2019 ging es in Höfði erneut darum, wie weltpolitische Krisen und Konflikte gelöst werden können – und vor allem darum, welche Herausforderungen der Zukunft die USA und Russland trotz aller Differenzen gemeinsam lösen sollten. In dem Gästehaus in Island fand damals das Treffen der „Elbe Group“ statt, einer kaum bekannten und durchaus ungewöhnlichen Initiative der Harvard Kennedy School.

Die „Elbe Group“ wurde 2010 von einem ehemaligen US-Brigadegeneral ins Leben gerufen, mit dem Ziel auch in krisenhaften Zeiten einen Gesprächskanal zwischen den USA und Russland aufzubauen und eine Plattform für den Dialog zu schaffen. Mehr als zwanzig amerikanische und russische Ex-Militärs und Geheimdienstler gehören dem Gesprächskreis an, darunter einstige Mitarbeiter von KGB, GRU und CIA. Sie treffen sich einmal pro Jahr und sprechen über sicherheitspolitische Themen.

Benannt ist der Gesprächskreis nach dem ersten Aufeinandertreffen der US-Armee und der sowjetischen Truppen nahe Torgau an der Elbe im April 1945, wenige Tage vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Damals beschworen die Soldaten aus Ost und West das gemeinsame Ziel: Die Vernichtung des Dritten Reiches und den Sieg über den Nationalsozialismus.

„Hier wurde der „Geist der Elbe“ geboren, der sich an die Menschen aller Nationen wendet, Differenzen ausschließlich mit friedlichen Mitteln zu lösen“, so steht es auf einer Gedenktafel zu jenem Ereignis. „Er ist ewige Mahnung an alle Nationen, für das gemeinsame Wohl der gesamten Menschheit zusammenzuarbeiten.“

In diesem Geiste sehen sich auch die Mitglieder der „Elbe Group“. Bei ihrem Treffen in Island vor vier Jahren sprachen sie unter anderem über die Zukunft der amerikanisch-russischen Abkommen zur Rüstungskontrolle, über Militärmanöver in der Ostsee und im Schwarzen Meer, darüber wie grenzüberschreitende Cyberkriminalität effektiver bekämpft werden kann – und über die Arktis als geopolitischen Konfliktherd.

Isländische Fachleute referierten insbesondere darüber, zu welchen Veränderungen der Klimawandel in der Arktis führt und welche Auswirkungen dies auf die Stabilität in der Region, auf die Wirtschaft oder auch auf die verteidigungspolitische Situation haben kann.

Die Themenauswahl macht deutlich: Neben all den sicherheitspolitischen Herausforderungen, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten von großer Bedeutung waren – wie etwa der internationale Terrorismus, Kriege, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder die Organisierte Kriminalität, die teilweise die Stabilität ganzer Länder und Regionen gefährdet – gibt es auch globale Bedrohungen, die so umfänglich und von einer solchen Dimension sind, dass sie eine Gefahr für große Teile der Menschheit darstellen. Und bei denen die USA ebenso betroffen sind wie Russland, China, die Europäische Union, Iran, Brasilien, Nigeria oder Saudi-Arabien.

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Die „Schwarze Kasse“ der DGSE 

Französische Geheimdienstler sollen einen Geschäftsmann erpresst haben. Der Vorfall beschäftigt nun die Justiz und wirft ein Schlaglicht auf ein bislang gut gehütetes Geheimnis. Was hat es mit der „Schwarzen Kasse“ des französischen Auslandsnachrichtendienstes auf sich?

Von Florian Flade

Frankreichs Spione sollen eine neue Zentrale bekommen. Das hat Präsident Emmanuel Macron bereits versprochen. Noch befindet sich Hauptquartier der Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE), des französischen Auslandsnachrichtendienstes, am Pariser Boulevard Mortier. Auf Google Maps ist das Gelände verpixelt, geschützt vor neugierigen Blicken. Unter Europas Diensten gilt „das Büro“ oder „die Box“, wie die DGSE oft genannt wird, als besonders verschwiegen. Im Jahr 2028 soll der Dienst umziehen, in das weitläufiges Kasernengelände Fort Neuf de Vincennes am östlichen Rand der französischen Hauptstadt.

Wie teuer der Umzug wird, und ob auch Umbaumaßnahmen notwendig werden, ist noch unklar. Doch es dürfte den französischen Steuerzahler einiges kosten. Der Etat von Frankreichs Auslandsdienst mit seinen rund 7000 Mitarbeitenden ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Auf mittlerweile mehr als 800 Millionen Euro, Tendenz steigend.

Ein skurriler Justizfall sorgt nun dafür, dass die Finanzen der französischen Spionen genauer unter die Lupe genommen werden. Und nun zumindest teilweise an Öffentlichkeit kommt, was fast ein Jahrhundert im Verborgenen lag – die „Schwarze Kasse“ des französischen Auslandsnachrichtendienstes.

Im März 2016 kam es an einem Flughafen Paris zu einer ungewöhnlichen Passagierkontrolle. Der französisch-schweizerische Geschäftsmann Alain Duménil wurde damals von französischen Grenzpolizisten in einem Raum geführt, wo zwei DGSE-Mitarbeiter auf ihn warteten. Die Geheimdienstler sollen den Unternehmen ziemlich forsch behandelt und mit körperlicher Gewalt bedroht haben.

Die Spione sollen Duménil zudem Fotos seiner Familie vorgelegt haben, aufgenommen offenbar in Frankreich, in Schweiz und anderenorts. Sie sollen erklärt haben, er schulde dem französischen Staat viel Geld, insgesamt rund 15 Millionen Euro. Die Summe solle er schnellstmöglich auftreiben, sollen die DGSE-Männer gefordert haben, ansonsten könnten schlimme Dinge passieren. Er könnte beispielsweise im Rollstuhl landen.

Der Vorfall am Pariser Flughafen, inzwischen aber interessiert sich eine französische Staatsanwaltschaft für die harschen Verhörmethoden und mutmaßlichen Erpressungsversuche der DGSE – und für die Geschichte hinter der Geschichte.

Im Oktober vergangenen Jahres hat ein französischer Richter in Bobigny den ehemaligen Direktor des französischen Geheimdienstes und einstigen Top-Diplomaten Bernard Bajolet angeklagt, wie die französische Zeitung Le Monde recherchiert hat. Es geht um den Vorwürfe der Mittäterschaft bei einer Erpressung und Freiheitsberaubung („willkürliche Verletzung der persönlichen Freiheit“).

Tatsächlich könnte das Verfahren zu einem Politikum werden, denn es geht um nichts geringeres als um die „Schwarze Kasse“ der Pariser Spione. Um die Frage, wie viel Geld der Frankreichs Geheimdienst beiseite geschafft oder durch undurchsichtige Finanzgeschäfte erwirtschaftet hat, wer dabei half das Geld zu verstecken, und was mit diesem Millionenvermögen geschehen ist.

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Schätze aus Stahl

Die Beschaffung von gegnerischer Wehrtechnik gehört zu den ältesten Aufgaben des Bundesnachrichtendienstes (BND). Vor allem in Kriegsgebieten, wie aktuell in der Ukraine, versuchen die Spione an Rüstungsmaterial zu gelangen. Die bislang wohl größte Beschaffungsaktion fand Anfang der 1990er Jahre statt, es war ein historisch einmaliger Raubzug – die Operation „Giraffe“.

Von Florian Flade

Der ehemalige Stützpunkt der Operation „Giraffe“ in Berlin-Dahlem

Auf dem steinernen Relief über der Eingangstür ist eine mittelalterliche Jagdszene abgebildet. Zwei Männer richten ihre Speere auf ein Wildschwein, daneben bellt ein Hund. Zeitgemäß wirkt das ziemlich in die Jahre gekommene Bild nicht mehr. In dem unscheinbaren Backsteinhaus im Berliner Ortsteil Dahlem befindet sich heute eine Physiotherapie-Praxis. Das Gelände, auf dem das Haus steht, ist noch immer von dem alten Zaun umgeben, der Stacheldraht darauf ist längst verrostet.

Vor dreißig Jahren waren hier, im idyllischen Südwesten Berlins, direkt neben dem Grunewald, tatsächlich Jäger untergebracht. Allerdings hatten sie es nicht auf Wildschweine abgesehen, sondern auf andere Beute. Auf todbringende Trophäen aus Stahl, auf Panzer, Raketen, auf Kampfhubschrauber, Artilleriegeschütze, Panzerfäuste und Munition. Es waren Waffenexperten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der US-amerikanischen Defense Intelligence Agency (DIA). Sie hatten sich Anfang der 1990er Jahre in Berlin für eine streng geheime Mission zusammengetan – Operation „Giraffe“.

Das Ziel der deutschen und amerikanischen Geheimdienstler war es, die neuesten Rüstungsgüter aus der gerade zusammenbrechenden Sowjetunion zu beschaffen. Kurz zuvor war die Mauer gefallen, der Kalte Krieg schien tatsächlich zu Ende zu gehen, da zogen die Westgruppen der Sowjetunion (WTG) aus der ehemaligen DDR ab. Jahrzehntelang hatte Moskau zigtausende Soldaten und sein modernstes Kriegsgerät im Osten Deutschlands stationiert. An mehr als 270 Orten, allen voran in Brandenburg und Sachsen, war die Rote Armee vertreten. Mehr als 330.000 Soldaten zählten die Westgruppen Anfang der 90er Jahre, sie verfügten über 4200 Kampfpanzer, fast 700 Flugzeuge und Hubschrauber, Tausende Geschütze und 180 Raketensysteme.

Genau darauf zielten nun der BND und der US-Militärgeheimdienst. Sie begaben sich auf einen Raubzug, oder besser gesagt: Auf eine heimliche Shoppingtour durch den Osten der nun wiedervereinigten Bundesrepublik. Innerhalb der sowjetischen Streitkräfte in der Ex-DDR grassierte angesichts des Zusammenbruchs des kommunistischen Riesenreiches die Korruption. Für vergleichsweise wenig Geld konnte dort nun Wehrmaterial gekauft werden. In einigen Fällen floß nicht einmal Geld. Im Tausch gegen gebrauchte Autos, Stereoanlagen, Toaster oder andere Haushaltselektronik, wechselte Kriegsgerät sowie allerlei Geheimdokumente unter der Hand den Besitzer.

Die Beschaffung und Analyse von fremder Wehrtechnik ist eine der ältesten und bis heute wichtigsten Aufgaben des BND. Denn der BND ist nicht nur der Auslandsnachrichtendienst, sondern auch Deutschlands militärischer Nachrichtendienst. Er versorgt die Bundeswehr mit nachrichtendienstlichen Informationen zu fremden Streitkräften. Und zwar seit seiner Gründung. Noch immer interessieren sich die Fachleute des Dienstes für die neuesten Panzer, Fluggeräte, Raketen, Munition oder Elektronik aus anderen Ländern, insbesondere aus jenen Staaten, die als Rivalen oder potenzielle Gegner der NATO betrachtet werden: Russland, China, Iran, Nordkorea. Zu wissen, über welche Waffen und Verteidigungssysteme der Feind verfügt, kann im Kriegsfall nun einmal entscheidend sein.

Innerhalb der Abteilung Technik und Wissenschaft (TW) des BND gibt es Referate, die ausschließlich mit der Untersuchung und Erforschung von fremden Rüstungsgütern beschäftigt sind. In streng gesicherten Räumen des BND lagern teils wahre Schätze aus den Rüstungsschmieden rund um den Globus. Nordkoreanische Sturmgewehre etwa oder schultergestützte Luftabwehrraketen. Material, das teils konspirativ, „nachrichtendienstlich beschafft“ wurde, wie es im Dienste-Jargon heißt.

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