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Ist Al-Qaida zurück?

Zwei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan soll das Al-Qaida-Netzwerk neue Ausbildungslager in dem Land errichtet haben. Geheimdienste hatten eine solche Entwicklung prognostiziert, sehen aber noch keine erhöhte Terrorgefahr für den Westen.

Von Florian Flade

Das kleine Modellhaus befindet sich in einer rund 30 Zentimeter langen Holzkiste mit praktischem Tragegriff. CIA-Direktor William Burns hatte sie dabei, als er US-Präsident Joe Biden im Sommer 2022 im Situation Room des Weißen Hauses darüber informierte, dass seine Leute sehr wahrscheinlich den Chef der Terrororganisation Al-Qaida, Ayman al-Zawahiri, ausfindig gemacht hatten. 

Burns präsentierte eine detailgetreue Nachbildung eines dreistöckigen, weißen Hauses samt Dachterrasse, Garten mit Bäumen, und Stacheldraht besetzter Mauer rund um das Grundstück. Die CIA war sich sicher: In diesem Gebäude in der afghanischen Hauptstadt Kabul wohnt der seit mehr als zwei Jahrzehnten gesuchte Top-Terrorist Al-Zawahiri, treuer Weggefährte und Nachfolger von Osama Bin Laden. Der US-Geheimdienst sollte Recht behalten.

Präsident Biden erteilte schließlich die Erlaubnis für eine präzise Tötungsaktion. Am 31. Juli 2022, um 06:18 Uhr Ortszeit, als Ayman al-Zawahiri wieder einmal auf einen Balkon jenes Hauses im Kabuler Nobelviertel Sherpur trat, feuerte eine amerikanische Kampfdrohne zwei Raketen ab. Der Ägypter wurde sofort getötet, er war das einzige Opfer des Luftangriffs.

Das Modell des Zawahiri-Hauses wird mittlerweile im CIA-Museum ausgestellt. Der Tod des Al-Qaida-Anführers wurde von der US-Regierung als großer Erfolg im Kampf gegen den internationalen Terrorismus bezeichnet. Immerhin galt Al-Zawahiri als einer der Drahtzieher hinter den 9/11-Anschlägen und zahlreicher weiterer Terrorakte weltweit. Viele Jahre hatten die US-Geheimdienste den Islamisten gejagt, auf ihn war ein Millionen-Kopfgeld ausgesetzt.

Die Tötung des Bin Laden-Nachfolgers aber macht auch deutlich: Al-Zawahiri war nicht in einem entlegenen Bergdorf in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion aufgespürt worden, er lebte nicht in irgendeiner Höhle in den Bergen oder in einer Lehmhütte auf dem kargen Land, sondern mitten in Kabul. Nur rund ein Jahr nachdem die Taliban wieder die Macht in Afghanistan übernommen hatten, fühlte sich einer der meistgesuchten Terroristen der Welt in dem Land offenbar so sicher, dass es ihn in die Hauptstadt zog.

Die USA hatten mit den Taliban vor dem schlussendlich chaotischen Abzug der NATO-Truppen im August 2021 ein Friedensabkommen verhandelt. Das militärische Engagement der Amerikaner und der Verbündeten sollte nach 20 Jahren endlich beendet werden. Viele Bedingungen waren es nicht, die Washington den Taliban dafür zuletzt stellte. Eine aber war, dass die Islamisten künftig keine internationalen Terroristen der Al-Qaida mehr Unterschlupf gewähren sollten. Afghanistan sollte nicht erneut Rückzugsort für Dschihadisten sein, die von dort aus ihren weltweiten Terror planen können.

Wie aber ist es heute darum bestellt? Gibt es Al-Qaida in Afghanistan immer noch, oder ist die Präsenz des Terrornetzwerk unter der erneuten Herrschaft der Taliban heute womöglich sogar größer als in den Jahren zuvor?

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Die Infos der anderen

Es sind oft die Hinweise ausländischer Geheimdienste, mit denen Terroranschläge in Deutschland verhindert werden können. Sind die deutschen Sicherheitsbehörden wirklich derart abhängig von den Informationen der Partnerdiensten – und woran liegt das?

Von Florian Flade

Sie gingen in den Wald. Offenbar nicht um Pilze zu sammeln, wie sie behaupten haben sollen, sondern um Waffen für einen Terroranschlag auf jüdische Ziele aus einem Versteck zu holen. Aus einem Erddepot, das irgendwann Anfang des Jahres in Polen angelegt worden sein soll. Doch die Araber fanden die Waffen nicht, obwohl sie seit dem Sommer mehrfach auf die Suche gegangen waren.

In dieser Woche nun wurden die vier Männer festgenommen, drei in Berlin, ein weiterer Beschuldigter in Rotterdam. Sie sollen Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation Hamas sein, davon ist der Generalbundesanwalt überzeugt. Mindestens einer der Verdächtigen soll über enge Kontakte zu einem führenden Kader des militanten Flügels der Hamas, der Al-Qassam-Brigaden, im Libanon verfügen und Befehle von dort entgegen genommen haben.

Der entscheidende Hinweis auf die mutmaßliche Hamas-Zelle erreichte die deutschen Behörden bereits vor einigen Monaten – noch vor dem Massaker der Terroristen in Israel am 07. Oktober – und kam vom israelischen Geheimdienst Mossad.

Wieder einmal, könnte man sagen. Denn oft es sind ausländische Geheimdienste, die entscheidenden Informationen liefern mit denen hierzulande Terroranschläge verhindert werden können. Alleine in diesem Jahr war dies bereits mehrfach der Fall.

Im Januar nahmen Spezialkräfte der Polizei in Castrop-Rauxel zwei iranische Brüder fest. Einer der beiden Männer soll einen islamistischen Anschlag mit den Giftstoffen Cyanid und Rizin geplant haben, mittlerweile steht er deshalb vor Gericht. Der Hinweis auf die Terrorpläne kam von der US-Bundespolizei FBI, die auf verdächtige Chatkommunikation gestoßen war. 

Im Oktober wurde der Syrien-Rückkehrer Tarik S. in Duisburg festgenommen, er soll ein Attentat mit einem Fahrzeug auf eine pro-israelische Demonstration geplant haben. Diesmal war es der marokkanische Geheimdienst, der deutsche Behörden vor dem Islamisten warnte. 

Ein paar Wochen später dann nahmen die Fahnder in Niedersachsen einen 20 Jahre alten Iraker fest, der sich in Chats mit einem hochrangigen Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) dazu bereiterklärt haben soll, in der Weihnachtszeit einen Anschlag in Hannover zu verüben. Inzwischen wurde der Gefährder in den Irak abgeschoben. Auch hier kam der Hinweis zuvor aus dem Ausland.

Ende November dann wurden in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zwei 15 und 16 Jahre alte Islamisten verhaftet, die sich in einer Chatgruppe zu einem Attentat mit einem Kleinlaster und Brandsätzen auf einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen verabredet haben sollen. Zuvor diskutierten sie über Anschläge auf einen Stripclub oder eine Synagoge in Köln. Die Chatkommunikation hatte der österreichische Inlandsnachrichtendienst DSN mitbekommen und den deutschen Verfassungsschützern übermittelt.

Die Liste der mit Hilfe ausländischer Dienste vereitelten Anschläge in Deutschland wird noch länger, je weiter man zurück blickt. Auch wenn die Sicherheitsbehörden darüber nur ungern öffentlich sprechen, ist es dennoch Fakt: Ohne die Informationen von NSA, CIA, GCHQ, Mossad oder DSGE hätte es hierzulande vermutlich weitaus mehr terroristische Anschläge mit vielen Toten und Verletzten gegeben. Laut BKA wurden seit 2010 in der Bundesrepublik 18 islamistische Terrorakte verhindert, darunter sieben aufgrund von Hinweisen ausländischer Behörden.

Diese Realität wird teilweise als blanke Abhängigkeit der deutschen Terrorabwehr von ausländischen Behörden gewertet. Ohne die Infos der anderen gehe es offensichtlich nicht, so heißt es in Kommentaren immer wieder. Deutsche Dienste seien nicht in der Lage die entscheidenden Informationen selbst zu beschaffen, es herrsche eine Abhängigkeit, die beängstigend sei. Eben weil deutsche Behörden nicht über solch entscheidenden Befugnisse und Fähigkeiten verfügen wie die ausländischen Kollegen.

Aber stimmt das? Und falls die relevanten Hinweise tatsächlich überwiegend von ausländischen Diensten stammen, wieso ist das so? Sind die anderen Behörden schlichtweg besser – oder dürfen sie vielleicht einfach mehr?

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Rätsel um deutsche Geisel in Westafrika

Im April 2018 wurde ein deutscher Entwicklungshelfer in Niger entführt. Nun soll er freigelassen worden sein. Deutsche Behörden können dies allerdings nicht bestätigen. Das Schicksal der Geisel ist damit weiterhin unklar.

Von Florian Flade

Das Krisenreaktionszentrum des Auswärtigen Amtes befindet sich im Keller des Gebäudes der ehemaligen Reichsbank in Berlin-Mitte. Hinter dicken Türen, in einem Raum, in dem einst Wertpapiere aufbewahrt wurden. Hier laufen die Informationen zusammen, wenn es irgendwo auf der Welt eine Krise, einen Terroranschlag oder ein Katastrophenereignis gibt, bei dem deutsche Staatsangehörige betroffen sind. Dann kommt der Krisenstab des Außenministeriums zusammen, um die Lage zu bewerten und gegebenenfalls Maßnahmen vorzuschlagen.

Zuletzt war es vor allem der russische Krieg gegen die Ukraine, der den Krisenstab beschäftigt hat. Aber auch die Situation in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban spielt immer wieder eine Rolle. In der vergangenen Woche war es schließlich eine Meldung aus Westafrika, die für Aufregung im Keller des Auswärtigen Amtes sorgte.

Der Journalist und Terrorismus-Experte Wassim Nasr des französischen TV-Senders France24 hatte getwittert, dass ein deutscher Entwicklungshelfer, der im April 2018 in Niger entführt worden war, gegen eine hohe Lösegeldsumme in Mali freigelassen worden sei. Die Übergabe habe in der Nähe von Gao stattgefunden, hieß es.

Beim Auswärtigen Amt war über eine Freilassung des Deutschen bislang nichts bekannt gewesen. Umgehend wurde abgefragt, ob bei deutschen Stellen, insbesondere beim Bundesnachrichtendienst (BND) oder beim Bundeskriminalamt (BKA), entsprechende Informationen vorlagen. Bislang ist dies nicht der Fall. Es handele sich, so heißt es, offenbar um Gerüchte aus der Region. Man habe keinen neuen Stand zum Fall der deutschen Geisel und könne keine Freilassung bestätigen.

Der Entwicklungshelfer Jörg L. aus Nordrhein-Westfalen, der für die Nicht-Regierungsorganisation Help gearbeitet hat, war am 11. April 2018 in der Region Tillabéri im westafrikanischen Niger verschleppt worden. Anfangs war unklar, welche Gruppierung für seine Entführung verantwortlich waren. Dann aber verdichteten sich die Hinweise, dass sich der Deutsche vermutlich in der Gewalt der islamistischen Terrorgruppe „Islamischer Staat in Großsahara“ (ISGS) befindet.

Seit nun mehr vier Jahren bemühen sich deutsche Behörden um eine Freilassung des entführten Entwicklungshelfers. Da es lange Zeit keinen Kontakt zu den Entführern gab, wurde zwischenzeitlich das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr damit beauftragt, den Aufenthaltsort von Jörg L. ausfindig zu machen und ihn dann möglicherweise sogar zu befreien. 

Dazu wurden die deutschen Elitesoldaten wenige Monate nach der Verschleppung des Deutschen in die Sahel-Region verlegt. Sie starteten die geheime Operation Entführungslage (EL) „Grenze“. Allerdings ohne Erfolg, die Geisel blieb verschwunden.

Die unterschiedlichen Terrorgruppen, die in der Sahel-Region aktiv sind, haben in den vergangenen Jahren mehrfach westliche Geiseln genommen, von denen einige inzwischen freigelassen oder in militärischen Operationen befreit wurden. Andere wiederum kamen bei missglückten Befreiungsversuchen ums Leben.

So gelang es im Mai 2019 französischen Spezialkräften mehrere Geiseln, darunter zwei Franzosen, die auf einer Safari-Tour in Benin entführt worden waren, sowie eine Südkoreanerin, aus den Händen von Entführern in Burkina Faso zu befreien. Zwei französische Soldaten wurden bei Gefechten mit den Geiselnehmern getötet.

Im Januar 2011 wurden zwei Franzosen bei einem Befreiungsversuch in Niger getötet. Die Männer waren zuvor aus einem Restaurant in der Stadt Niamey von Terroristen des Al-Qaida-Ablegers „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“ (AQIM) entführt worden. Nigrische und französische Truppen starteten daraufhin eine Militäroperation, bei der es zu schweren Schusswechseln kam. 

Eine deutsche Geisel, ein Lehrer, war 2014 in Nigeria von Terroristen der Boko Haram verschleppt worden. Er konnte schließlich nach rund einem halben Jahr Geiselhaft bei einem militärischen Einsatz in Kamerun befreit werden.

Aktuell sollen sich noch mindestens sechs westliche Geiseln in der Sahel-Region befinden, darunter ein Arzt aus Australien, ein französischer Journalist, eine kolumbianische Nonne und ein Minenarbeiter aus Rumänien.

Das Schicksal von Jörg L. bleibt weiterhin unklar. Ebenso der Verbleib einer weiteren deutschen Geisel in Afrika: Im Mai 2018 war eine Krankenschwester aus Deutschland aus einem Gebäude des Internationalen Roten Kreuzes in der somalischen Hauptstadt Mogadischu von Bewaffneten entführt worden. Anfangs war unklar, wer die Entführer waren, und ob sie zur islamistischen Al-Shabaab-Miliz gehören.