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Der Architekt des modernen Dschihad

von Florian Flade

Abu Musab al-Suri gilt als Architekt des globalen Dschihad und lebende Legende. Zuletzt war er in Syrien inhaftiert. Jetzt soll ihn das Assad-Regime freigelassen haben – warum?

Der Mann mit dem markant roten Bart soll frei sein: Abu Musab al-Suri. In der westlichen Welt ist der syrische Islamist kaum bekannt. In der Welt des Dschihad ist der 53-jährige Syrer hingegen eine lebende Legende. Er gilt als einer der einflussreichsten Ideologen des internationalen Dschihadismus, als geistiger Wegbereiter von al-Qaidas Terrorstrategie.

Al-Suri, der mit einer Spanierin verheiratet war und daher neben der syrischen auch die spanische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde 2005 in Pakistan verhaftet, von der CIA entführt und anschließend – obwohl nie offiziell bestätigt – in einem syrischen Gefängnis eingekerkert.

Jetzt soll ihn das syrische Regime in die Freiheit entlassen haben. Experten werten die Freilassung des islamistischen Ideologen als warnende Geste an den Westen.

Vordenker des modernen Dschihad-Terrorismus

Abu Musab al-Suri, dessen bürgerlicher Name Mustafa as-Sitt Mariam Nassar ist, gilt als einer der einflussreichsten Vordenker des modernen Dschihad-Terrorismus und dessen Medienstrategie.

Der 1958 in Aleppo in Nord-Syrien geborene Islamist war einst Mitglied der syrischen Muslimbruderschaft, verließ in den 80er-Jahren sein Heimatland und lebte zeitweilig in Spanien und Großbritannien.

In den 80er-Jahren lernte al-Suri in Pakistan die wichtigsten Akteure des afghanischen Dschihad kennen, darunter den Palästinenser Dr. Abdallah Azzam und Osama Bin Laden. Abu Musab al-Suri arbeitete zunächst als Propagandist für islamistische Magazine, schloss sich dann Ende der 90er-Jahre der al-Qaida von Bin Laden an und wurde der Medienbeauftragte des Terrornetzwerkes.

Die mediale Verbreitung des Dschihad und die Reform von Organisationen und Gruppen wurden das Arbeitsfeld von Abu Musab al-Suri. Auf tausenden Seiten – etwa im 2004 erschienenen Werk „Aufruf zum weltweiten islamischen Widerstand“ – legte der syrische Islamist umfangreiche Strategien für den erfolgreich Kampf gegen den Westen dar.

Anleitung zur Umsetzung von Terroranschlägen

Bis heute finden islamistische Terrornetzwerke in al-Suris Lehren eine Anleitung zur effektiven Strukturierung von Organisationen und zur Umsetzung von Terroranschlägen. Kernthese von al-Suri ist dabei das Ersetzen von festen Organisationen und Gruppen zugunsten allgemeiner Leitprinzipien. „System statt Organisation“ nennt Abu Musab al-Suri diese Strategie.

Damit lieferte der rotbärtige Islamist das ideologische Rüstzeug für eine Vielzahl von Terroranschlägen der modernen Gotteskrieger, die in losen Terrorzellen ohne feste Hierarchie organisiert sind. Al-Suris Schriften, die oftmals einen weit größer gefassten Fokus beinhalten als die bislang bekannten Ideologen, wurden zum gängigen Leitfaden der al-Qaida-Anhänger.

Im Oktober 2005 wurde Abu Musab al-Suri nach Jahren der erfolgreichen Propaganda-Arbeit für al-Qaida & Co. im pakistanischen Quetta festgenommen. Agenten des pakistanischen Geheimdienstes ISI sollen ihn verschleppt und anschließend an die USA übergeben haben, die ein Kopfgeld von fünf Millionen US-Dollar auf al-Suri ausgesetzt hatten.

Der US-Geheimdienst CIA habe den Syrer dann zunächst in Pakistan intensiv verhört, heißt es, danach sei er mit den berüchtigten Geheimflügen des US-Geheimdienstes in unterschiedliche Länder gebracht worden. Endstation war Heimatland des Islamisten – Syrien.

Gerüchte über geheimes Folter-Gefängnis

Offenbar übergaben die Amerikaner al-Suri an das Assad-Regime, die den hochkarätigen Dschihad-Ideologen als Staatsfeind inhaftierten. Der spanische Richter Baltazar Garzon bemühte sich jahrelang den genauen Aufenthaltsort von Abu Musab al-Suri ausfindig zu machen. Gerüchten zufolge wurde er vom syrischen Geheimdienst im Norden des Landes in einem geheimen Folter-Gefängnis festgehalten.

Im vergangenen Jahr verdichteten sich schließlich die Hinweise, dass al-Suri wohl tatsächlich in einem Gefängnis in der Nähe der nord-syrischen Stadt Aleppo festgehalten wird. Ihm gehe es relativ gut, er werde nicht mehr gefoltert und misshandelt, meldeten islamistische Quellen im Internet, die angeblich um die Haftbedingungen Al-Suris Bescheid wussten.

Vor wenigen Wochen meldeten arabische Medien, Abu Musab al-Suri sei nun offiziell aus der Haft entlassen worden. Das Regime in Damaskus habe den Islamisten, der nie offiziell verurteilt worden war, begnadigt. Al-Suri sei nun ein freier Mann.

Terrorexperten weltweit werteten die arabischen Pressemeldungen zu al-Suris Freilassung zunächst mit zurückhaltender Skepsis. Das Gerücht könnte gezielt gestreut worden sein, um im Westen die Angst zu schüren, das syrische Regime könne scharenweise islamistische Terroristen freilassen, falls es im Zuge der anhaltenden Proteste gestürzt werden sollte.

Die „Frohe Botschaft von der Freilassung“

Inzwischen melden aber auch mehrere islamistische Quellen eine Freilassung des Dschihad-Ideologen. Gut informierte Aktivisten verbreiteten jüngst über einschlägige arabischsprachige Internetforen die „Frohe Botschaft von der Freilassung von Sheikh Abu Musab al-Suri“. Die Online-Gemeinde der Dschihadisten reagierte mit Freude auf die Nachricht.

Westliche Geheimdienste sehen in der Freilassung al-Suris vor allem eines: ein Risiko und ein klares Zeichen des Assad-Regimes. Ein ehemaliger Analyst des israelischen Geheimdienstes erklärte gegenüber „Welt Online“, eine Entlassung al-Suris aus einem syrischen Gefängnis könne nur als Botschaft des syrischen Regimes an den Westen verstanden werden.

„Das Regime von Präsident Assad will zeigen, dass es die Zusammenarbeit mit dem Westen gegen Dschihad-Terroristen nicht mehr fortsetzen wird“, so der Experte für islamistischen Terrorismus, „Wie fast alle Regime in der arabischen Welt will auch Assad den Eindruck erwecken, die Alternative zum herrschenden System sei al-Qaida.“

Fraglich bleibt ob – falls sich die Meldungen bewahrheiten – eine Freilassung von Abu Musab al-Suri direkte Auswirkungen auf die Terrornetzwerke im Nahen Osten haben wird. Terrorexperten gehen davon aus, dass der geistige Dschihad-Brandstifter vermutlich versuchen wird, Syrien zu verlassen und sich ins Ausland abzusetzen.

Es gilt als wahrscheinlich dass sich al-Suri auch nach Jahren Folterhaft erneut einer islamistischen Gruppierung anschließen wird.

Rückkehr des Terror-Ideologen ist fatal

Der deutsche Politologe und Islamismus-Forscher Dirk Baehr hat eine wissenschaftliche Arbeit zum Werk von Abu Musab al-Suri veröffentlicht. Er hält eine mögliche Rückkehr des Terror-Ideologen in die Reihen der al-Qaida für fatal.

„Da Abu Musab al-Suri vier bis fünf Sprachen beherrscht, besteht die Gefahr, dass er seine Strategie des individuellen Dschihads im Internet wieder verbreiten“, so Baehr. Der Experte hält es für wahrscheinlich, dass al-Suri eine ähnliche Rolle einnehmen wird, wie der inzwischen getötete US-jemenitische Prediger Anwar al-Awlaki.

„Durch erneute Propagandatätigkeiten von al-Suri und seinen Anhängern könnte die Idee des individuellen, führerlosen Dschihad weiter in die westlichen Gesellschaften reingetragen werden“, warnt Dirk Baehr.

In Syrien selbst existiere ein nicht zu unterschätzendes Potenzial an Dschihadisten, warnen Experten. Insbesondere im Norden des Landes gebe es traditionell islamistische Gruppierungen und Strukturen, die sich durch die anhaltenden Proteste gegen das Regime beflügelt fühlen.

Erste Propagandavideos, in denen islamistische Kämpfer zum Dschihad gegen das Assad-Regime aufrufen, kursieren bereits seit Wochen im Internet. Mudschahedin aus dem Irak und anderen Ländern seien nach Syrien gekommen, um das Volk von der Herrschaft des Diktators zu befreien und die Scharia zu etablieren, heißt es in den Videos. Einige von ihnen dürften Schüler der Lehren von al-Suri sein.

http://www.welt.de/politik/ausland/article13867763/Assad-droht-dem-Westen-mit-einem-Dschihadisten.html