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Deutsche Dschihadisten in Somalia

von Florian Flade

Mehr als ein Dutzend deutsche Islamisten zog in den Dschihad nach Somalia. Was geschah mit den Terror-Touristen am Horn von Afrika?

pic060815Screenshot aus einem Propagandavideo der Al-Shabaab

Als sich Abdirazak B. und sein Freund Omar D. auf dem Weg zum Flughafen Köln-Bonn machten, ging gerade die Sonne auf. Sie mussten sich beeilen, ihr Flug ging bereits um 07:15 Uhr. Die beiden Freunde waren fest entschlossen, Deutschland zu verlassen. Sie wollten in den Krieg ziehen. Das zumindest glaubten ihre Verfolger an jenem Morgen des 26. September 2008.

Die Ermittler des LKA Nordrhein-Westfalen kannten die beiden Männer aus der Bonner Islamisten-Szene. Nach ihren Erkenntnissen handelte es sich um bei ihnen gefährliche Extremisten, die sich jetzt wohl auf dem Weg in ein terroristisches Ausbildungslager befanden –  irgendwo in Ostafrika vielleicht, in Afghanistan oder Pakistan.

Gegen 05:35 Uhr passierten Abdirazak B. und sein Begleiter die Passkontrolle am Köln-Bonner Flughafen. Sie gaben ihr Gepäck auf und warteten auf ihren Flug KLM 1804 nach Amsterdam. Ein Anschlussflug sollte sie von dort ins ugandische Entebbe bringen.

Im Hintergrund filzten derzeit Fahnder des LKA die Koffer der beiden mutmaßlichen Islamisten. In der Tasche von Omar D. fanden sie einen sechsseitigen Brief, geschrieben von dessen Verlobter. Sie freue sich auf die baldige Hochzeit und die gemeinsamen Kinder stand darin. Verabschiedete sich hier nur eine liebende Ehefrau oder die zukünftige Witwe eines islamistischen Selbstmordattentäters?

Der Abschiedbrief bestärkte die Ermittler in ihrem Verdacht zwei radikalen Islamisten auf der Spur zu sein, die sich in ein Terrorlager absetzen wollen. Sie entschieden zuzugreifen.

Die Propellermaschine vom Typ Fokker mit 48 Passagieren an Bord rollte in Richtung Startbahn. Nur wenige Minuten vor dem Start kam die überraschende Nachricht. Der Start wurde abgebrochen. Zwei Beamte der Bundespolizei betraten die Maschine. Sie gingen durch die Sitzreihen und verhaften Abdirazak B. und Omar D.. Die restlichen Passagiere mussten das Flugzeug ebenfalls verlassen. KLM 1804 konnte erst mit einer Stunde Verspätung starten.

Aus Sicht der nordrhein-westfälischen Polizei war die spektakuläre Festnahme am Flughafen ein voller Erfolg. Was die Ermittler nicht ahnten war, dass Abdirazak B. und Omar D. schon seit Wochen observiert worden waren. Sie standen im Visier gleich mehrerer Geheimdienste.

„Operation Pandora“ lautete der Arbeitstitel für die Überwachungsmaßnahme. Federführend war dabei das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), beteiligt waren zudem der Bundesnachrichtendienst (BND) sowie mehrere ausländische Partnerdienste. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll ebenfalls eingeweiht gewesen sein.

Das Ziel von „Operation Pandora“ war es, die Reiserouten islamistischer Terroristen auszukundschaften. Auf welchen Wegen reisen die Dschihadisten aus Europa in die Al-Qaida-Ausbildungslager? Wer sind die Schleuser an den Zwischenstationen in Ostafrika, dem Iran oder der Türkei?

Die Überwachung endete schließlich in einem Fiasko für die Terrorfahnder. Monatelange Arbeit war umsonst. In Köln und Berlin wusste man wohl, dass die Beweise gegen Omar D. und Abdirazak B. niemals ausreichen würden für eine Anklage in Deutschland. Als unfreiwillige Informanten waren sie nützlich, als Terrorverdächtige juristisch kaum zu belangen.

Und so kam es schließlich auch. Das Innenministerium in Düsseldorf erklärte durch die Festnahme am Flughafen seien zwei Terrorverdächtige daran gehindert worden im Ausland oder Inland Anschläge zu verüben. Aus polizeilicher Sicht ein Volltreffer. Aus nachrichtendienstlicher Sicht eine völlige Fehleinschätzung. Einzig der vermeintliche Abschiedsbrief von Omar D.s Lebensgefährtin und einige kryptische SMS legten den Verdacht nahe dass sich die beiden Männer auf dem Weg in den Dschihad befanden. Sie selbst erklären, sie hätten in Uganda nur Spenden sammeln wollen. In zwei Wochen habe man zurückkehren wollen, die Rückflugtickets konnten beide vorlegen.

Omar D. hatte zudem gerade erst die Studiengebühren für ein weiteres Semester bezahlt. Abdirazak B. sollte am 01. November 2008 mit einem Praktikum bei einer Computerfirma in Bonn beginnen.

Sieben Jahre ist das Debakel um „Operation Pandora“ nun her. Zwischenzeitlich haben Abdirazak B. und Omar D. tatsächlich ihren Weg in ein Terror-Camp gefunden – beziehungsweise es versucht. Und zwar bei der islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Somalia.

Omar D., der ehemalige Physikstudent aus dem nordrhein-westfälischen Rheine, muss sich dafür derzeit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main gemeinsam mit fünf weiteren Beschuldigten verantworten. Der 30-jährige Deutsch-Somalier soll im April 2013 nach Ostafrika gereist sein und geplant haben, sich der Al-Shabaab anzuschließen. Laut Anklage soll Omar D. allerdings in den Verdacht geraten sein, ein möglicher Spion zu sein. Die Terroristen in Somalia inhaftierten ihn daraufhin und ließen ihn erst im Juli vergangenen Jahres.

Bei seiner Ausreise nahmen ihn somalische Behörden fest und schoben ihn ab. Mit ihm auf der Anklagebank in Frankfurt sitzen nun die Deutsch-Somalier Abdullah W., Abdulsalam W., Abdiwahid W., der Konvertit Steven N. und der Deutsch-Tunesier Mounir T.. Sie hatten sich der Al-Shabaab angeschlossen und zumindest teilweise paramilitärische Trainingslager absolviert.

Abdirazak B. hingegen wird wohl nie in einem Gerichtssaal landen. Der 29-jährige soll vor zwei Wochen ein Selbstmordattentat in der somalischen Hauptstadt Mogadischu verübt haben. Mit einem mit Sprengstoff beladenen Kleinlaster soll der Islamist in die Lobby des „Jazeera Palace Hotel“ gerast sein. Ein Ort an dem sich Ausländer im von Bürgerkrieg geplagten Somalia bislang recht sicher fühlen konnten. Journalisten, Entwicklungshelfer, auch Diplomaten, nächtigen dort.

Die Explosion der Autobombe, die Abdirazak B. steuerte, tötete achtzehn Menschen, darunter Mitarbeiter der chinesischen Botschaft. Somalias Staatspräsident Hassan Sheikh Mohamud sprach von einem von einem feigen terroristischen Akt.

In Deutschland galt Abdirazak B. als ein eher unauffälliger, gut integrierter junger Mann. Geboren 1985 in Libyen besaß er zwei Staatsbürgerschaften – die libysche und die somalische. Er spielte Fußball beim 1. SF Brüser Berg in Bonn. Seine Mitspieler nannten ihn „Zak“ oder „Abdi“, erinnern sich an einen freundlichen und umgänglichen Teenager.

Irgendwann aber setzte eine religiöse Radikalisierung ein. Der nordrhein-westfälische Staatsschutz beobachtete wie sich in Bonn eine 15-köpfigen Clique junger Salafisten, darunter mehrheitlich Deutsch-Somalier, zusammen fand, die sich zunehmend radikalisierte. „Deutsche Shabaab“ lautete der Spitzname für die Islamisten-Gruppe, die wohl unter dem Einfluss des somalischen Predigers Hussein Kassim M. alias „Sheikh Hussein“ stand.

Nach und nach reisten immer mehr Mitglieder dieser Clique nach Ostafrika aus. Der spätere Selbstmordattentäter Abdirazak B. verließ Deutschland wohl Ende 2012, von Behörden unbemerkt. Er reiste zuerst nach Ägypten und später nach Somalia. Wenig später folgte ihm sein Freund Omar D..

Anders als Omar D. soll Abdirazak B. jedoch die Verhöre der Al-Shabaab-Miliz überstanden und schließlich in deren Reihen gelandet sein. Mindestens sechs Islamisten aus Deutschland sollen noch für die Terrorgruppe kämpfen. Darunter die ebenfalls aus Bonn stammenden Abdirazak M-H., Ali Sh. und der Konvertit Andreas M. alias „Abu Nusaibah al-Almani“, der samt Ehefrau und Tochter ausgereist war.

Deutsche Dschihadisten flüchten aus Somalia

von Florian Flade

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Zwei Wochen ist es her, da tauchte ein islamistisches Propagandavideo auf, in dem Muslime aus dem Westen aufgerufen wurden in den Dschihad zu ziehen. Nicht etwa nach Syrien, dem wohl beliebtesten Zielland für selbsternannte Gotteskrieger derzeit. Sondern nach Somalia.

„Diejenigen, die in den USA leben, speziell in Minnesota, in Großbritannien, Deutschland und vielen Teilen der Welt der Ungläubigen – ihr müsst euch heute entscheiden!“, erklärte auf Englisch ein vermummter Dschihadist der somalischen Terrororganisation Al-Shabaab in dem Video.

Dschihad in Somalia? Der Konflikt zwischen der Zentralregierung und der radikalislamischen Terrorgruppe Al-Shabaab scheint in Vergessenheit geraten zu sein – insbesondere als Ziel für kampfeswillige Islamisten aus dem Westen. Dabei zogen noch vor Jahren Dutzende Somalier aus den Exil-Gemeinden in Großbritannien, den Niederlanden, Skandinavien und den USA in den „Heiligen Krieg“ am Horn von Afrika.

Auch eine kleine Zahl von deutschen Islamisten reiste nach Somalia und schloss sich dort der Al-Shabaab an. Es handelte sich dabei hauptsächlich um gebürtige Somalier aus Nordrhein-Westfalen. Aber auch Konvertiten waren darunter.

Am vergangenen Samstag nahm das Bundeskriminalamt (BKA) am Frankfurter Flughafen drei mutmaßliche Mitglieder der somalischen Al-Shabaab fest, die per Flugzeug aus Kenia kamen. Es handelt sich dabei um die deutschen Staatsbürger, Abdullah W., Abdulsalam W. und den Konvertiten Steven N.. Die Bundesanwaltschaft wirft den drei Männern vor, sich im Jahr 2012 bzw. 2013 in Somalia der Terrororganisation angeschlossen und anschließend eine Waffenausbildung erhalten zu haben.

Den Verhafteten ging es bei ihrer Rückreise in die Heimat allerdings wohl eher nicht darum, den Terror nach Deutschland zu tragen. „Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Beschuldigten konkrete Anschlagsplanungen oder -vorbereitungen getroffen hatten“, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Nach meinen Informationen ging dem Zugriff am Frankfurter Flughafen eine Verhaftung zweier Islamisten aus Deutschland in Ost-Afrika voraus. Kenianische Anti-Terror-Einheiten hatten am 29. August den Deutsch-Somalier Abdul Wahid W. und den Deutsch-Tunesier Mounir T. festgenommen. Beide waren wohl kurz zuvor aus Somalia nach Kenia eingereist und werden verdächtigt, sich ebenfalls der Al-Shabaab angeschlossen zu haben.

Wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren ist, sollen sowohl Mounir T. als auch Abdul Wahid W. gegenüber einem BKA-Verbindungsbeamten umfangreich über ihre Zeit in Somalia ausgesagt haben. Die Aussagen klingen eher nach Flucht als nach Terrorabsicht. Die mutmaßlichen Dschihadisten erklärten, sie hätten Al-Shabaab den Rücken gekehrt, weil sie fürchteten als Spione verdächtigt zu werden. Die Terrororganisation hatte in der Vergangenheit häufiger aus Angst vor Spitzeln ausländische Kämpfer inhaftiert, gefoltert oder sogar hingerichtet.

Abdul Wahid W. und Mounir T. sollen zudem auch von drei Mitkämpfern berichtet haben, die ebenfalls nach Deutschland zurückreisen wollten. So erfolgte schließlich runde eine Woche später die Festnahme von Steven N., Abdullah W. und Abdulsalam W. am Flughafen in Frankfurt.

Aus Sicherheitskreisen ist zu vernehmen, dass in den vergangenen Wochen wohl eine ganze Reihe von europäischen und nordamerikanischen Dschihadisten aus Somalia geflohen ist. Augenscheinlich ergreift die Islamisten derzeit die Furcht vor Racheakten der Al-Shabaab. Grund könnte insbesondere der jüngste US-Drohnenangriff vom 1.September sein, bei dem der Anführer der Terrorgruppe, Ahmed Abdi Godane alias Mukhtar Abu Zubayr, ums Leben kam.

Sowohl in Somalia als auch in Pakistan vermuten Dschihadisten hinter jedem Drohnenangriff das Werk von eingeschleusten oder angeworbenen Spitzeln in den eigenen Reihen, die für westliche Geheimdienste angeblich Ziele markieren oder auskundschaften. Dieses Misstrauen gegen Gotteskrieger aus dem Westen, die paradoxerweise in der Propaganda stets aufgerufen werden, sich anzuschließen, kostete bereits einige Al-Shabaab-Kämpfer das Leben. Die fünfköpfige Gruppe aus Deutschland wollte wohl diesem Schicksal entgehen.

Twitter löscht Al-Shabaab-Account

von Florian Flade

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Das hatte nicht einmal Al-Qaida. Einen eigenen Twitter-Account. Die somalische Terrorgruppe „Harakat Al-Shabaab Al-Mujahidin“ besaß genau das. Über Monate twitterten die Islamisten in englischer Sprache. Bekennerschreiben, Videolinks, angebliche Erfolgsnachrichten ihres Siegeszuges in Somalia. Zuletzt folgten über 21.000 Twitter-User der Al-Shabaab, die unter „HSM Press Office“ twitterte.

Doch jetzt ist Schluss. Wer heute versucht, den Twitter-Account der somalischen Extremisten aufzurufen, der wird die Nachricht erhalten: „Account suspended“.

Offenbar hat sich der Kurznachrichtendienst nach Monaten der islamistischen Terror-Tweets dazu durchgerungen, dem Treiben ein Ende zu setzen. Aus gutem Grund. Denn Al-Shabaab nutzte Twitter nicht nur um ihre extremistische Ideologie zu verbreiten.

Die Islamisten twitterten vor kurzem mehrere verstörende Fotoaufnahmen. Unter anderem von der blutverschmierten Leiche eines getöteten französischen Elitesoldaten. Der Mann starb während einer missglückten Befreiungsaktion, bei der ein von Al-Shabaab verschleppter französischer Geheimdienst-Agent befreit werden sollte.

In den vergangenen Tagen veröffentlichte Al-Shabaab ein Geiselvideo, das sechs entführten kenianische Soldaten zeigt. Über Twitter rief die Terrorgruppe die kenianische Regierung auf, einem Gefangenenaustausch zuzustimmen. Anderenfalls würden die Soldaten-Geiseln exekutiert.

„Die kenianische Regierung hat 3 Wochen, beginnend am 24.01.2013 um Mitternacht, um auf die Forderungen von HSM einzugehen, falls die Gefangene am Leben bleiben sollen“, heißt es in einem Tweet.

Möglicherweise war das Ultimatum und die quasi Live-Übertragung einer möglichen Hinrichtung Grund genug für Twitter, den Account der somalischen Dschihadisten zu löschen. Der letzte Tweet von Al-Shabaab war: „Das Ultimatum läuft am 14.02.2013 aus….die Uhr tickt“