von Florian Flade
Am Morgen zogen Polizeibeamte in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Belgien gegen mutmaßliche Islamisten zu Felde. Zwei tunesische Studenten spielten wohl mit dem Gedanken, ferngesteuerte Modellflugzeuge als Waffen für Terroranschläge zu nutzen. Planten sie den Dschihad mit Drohnen?
Ein Modellflugzeug mit dem ein Islamist in den USA plante Anschläge zu begehen
Es waren einmal zwei Tunesier. Sie studierten „Luft- und Raumfahrttechnik“ an der Universität Stuttgart. Galten als fleißige, ambitionierte Studenten. Dann interessierte sich der baden-württembergische Verfassungsschutz plötzlich für sie. Dem Nachrichtendienst fiel die Kommunikation der beiden Männer im Internet auf. Über das arabischsprachige Internetforum „Al-Jahad“ ließen sich die mutmaßlichen Islamisten „inspirieren“, heißt es aus Ermittlerkreisen. Dort sahen sie sich wohl dschihadistische Propaganda-Schriften an und veröffentlichten selbst Beiträge.
Als radikale Islamisten waren die Tunesier bislang nicht in Erscheinung getreten. Ob sie überzeugte Salafisten waren, ist bis heute nicht ganz klar. „Ansalafisiert“ seien sie wohl gewesen. Verkehrten allerdings nicht in den einschlägigen Moschee-Gemeinden.
Waren die Verfassungsschützer aber vielleicht doch auf eine Terrorzelle gestoßen?
Das tunesische Duo Mohammed H. und Zeid B. stand seit dem Frühjahr 2012 unter Beobachtung der Sicherheitsbehörden. Anfangs waren der baden-württembergische Verfassungsschutz, das Landeskriminalamt unter Federführung der Staatsanwaltschaft Stuttgart und des Generalbundesanwalts zuständig. „Wir wollten wissen ob das nur Fantasien waren, oder ob konkret eine Gefahr bestand“, so ein beteiligter Ermittler.
Die Beobachtung der Studenten förderte jedoch widersprüchliche Informationen zu Tage. Sie erschienen zunächst als mögliche islamistische Terrorplaner, spielten offenbar mit dem Gedanken in den Dschihad nach Syrien zu ziehen. Dann aber verhielten sie sich wieder ruhiger. Von Seiten der Justiz sah man zunächst keine konkrete Gefährdung mehr. Der Fall wurde abgegeben an das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die Stuttgarter Studenten weiter im Blick behielt.
Monat um Monat verging. „Mal ging es hoch, mal runter“, heißt es aus Ermittlerkreisen. Hoch ging es im Herbst 2012. Da informierte sich die „Zielpersonen“ im Netz über ferngesteuerte Modellflugzeuge und Drohnen. Offenbar dachten die beiden mutmaßlichen Extremisten darüber nach, diese mit Sprengstoff bestücken und als Waffe einsetzen. Fliegende, ferngesteuerte Bomben? Dschihad mit Drohnen? In Ermittlerkreisen war lange nicht klar, was man von den Phantasien der beiden Studenten halten sollte.
In den USA war im September 2011 der Physikstudent Rezwan Firdaws aus Massachusetts festgenommen worden. Er hatte ebenfalls den Plan, Modellflugzeuge zu Bomben umzubauen und damit Ziele in Washington D.C. anzugreifen. Und auch eine tschetschenische Terrorzelle in Spanien soll im vergangenen Jahr ähnliches geplant haben.
Wollten nun zwei Studenten der Luftfahrttechnik in Stuttgart ebenfalls ihr Glück als dschihadistische Drohnenpiloten versuchen? Viel trauten die LKA-Ermittler den beiden Verdächtigen offenbar nicht zu. „Quax“ nannten sie den Fall, nach dem Bruchpiloten aus dem Film mit Heinz Rühmann.
Beim Bundeskriminalamt (BKA) hingegen nahm man die Stuttgarter Terrorverdächtigen wohl ernster. In einer internen Sicherheitsanalyse warnte die Behörde im vergangenen Jahr vor der Nutzung von Drohnen durch Terroristen. Denkbar wären, so das BKA, Anschläge mit derartigen Modellflugzeugen „ein Verkehrsflugzeug oder einen Flughafen“ sowie „auf Ziele in bewohnten Gebieten, auf Menschenansammlungen und Gebäuden.“
Pläne dieser Art würden „im islamistischen Spektrum bereits thematisiert“. Gemeint war der Fall „Quax“. Über den informierte das LKA Baden-Württemberg Ende 2012 schließlich die Bundesanwaltschaft. In Karlsruhe übernahm man schließlich die Ermittlungen zu den tunesischen Studenten und deren Terror-Phantasien.
Wirklich konkret seien die Pläne der Männer nie geworden, ist aus Ermittlerkreisen zu hören. Deshalb gäbe es auch nur einen Anfangsverdacht. Dennoch entschieden sich Staatsanwaltschaft und Polizei zuzuschlagen.
Rund 90 Beamte durchsuchten gegen 4 Uhr heute Morgen insgesamt neun Objekte in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Belgien. Sie beschlagnahmten Computer, Festplatten und Dokumente. Im Fokus der Razzien standen die beiden Tunesier und insgesamt vier mutmaßliche Kontaktpersonen. Festgenommen wurde allerdings niemand.
Man habe gehandelt um zu verhindern, dass die Verdächtigen die notwendigen Materialien für Terroranschläge beschaffen, heißt es aus Sicherheitskreisen. „Wir werten jetzt aus, um zu sehen, was die beiden vor hatten“, sagt ein Ermittler. „Ob sie ernsthaft Anschläge planten oder ob das alles nur Gerede war. Bellende Hunde beißen bekanntlich nicht.“
Bei der Aktion handele es sich um zwei getrennte Verfahren, betonten Ermittler heute im Gespräch. Zum einen ermittelt die Bundesanwaltschaft in Sachen Terrorverdacht. Zum anderen geht es um ein Verfahren gegen des Verdachts der Terrorfinanzierung und Geldwäsche der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Es gäbe vermutlich Schnittmengen bei den Personen, heißt es aus Sicherheitskreisen. In Belgien soll beispielsweise ein Bekannter der beiden Tunesier leben, der möglicherweise in Terrorfinanzierung verstrickt ist.
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