by Florian Flade
Der Frankfurter Flughafen-Attentäter war wohl ein Einzeltäter. Seine Bluttat zeigt: Terror ohne Netzwerk droht zur effektivsten Waffe der al-Qaida Anhängerschaft zu werden.
Die Bundesrepublik wurde am Mittwoch erstmals Schauplatz eines dschihadistischen Terroranschlags. Immer neue Hinweise lassen vermuten, dass es sich bei dem Todesschützen, der am Mittwochnachmittag vor dem Terminal 2 des Frankfurter Flughafens zwei US-Soldaten erschoss und zwei weitere schwer verletzte, um einen überzeugten Islamisten handelt.
Der in Frankfurt wohnhafte Deutsch-Kosovare Arid U. hatte Kontakte in die islamistische Szene. Dies belegen Internet-Bekanntschaften und Online-Aktivitäten des 21jährigen. In sozialen Netzwerken verbreitete U. Hass auf Andersgläubige und verteidigte islamistisches Gedankengut. „Dschihad“, so schrieb er noch vor wenigen Wochen, „ist nunmal Teil dieser schönen Religion.“
Zu klären gilt es nun, ob Arid U. seine Bluttat alleine, eigenhändig plante oder ob er Teil einer terroristischen Zelle war. Auch die Frage ob er sich eventuell im Umfeld Frankfurter Moscheen radikalisiert hat, wird entscheidend sein. Islamisten in Waziristan erklären, U. habe mehrfach versucht nach Afghanistan zu reisen, sei aber gescheitert. Daraufhin habe er entschieden in Deutschland zu bleiben, und dort einen Anschlag auszuüben.
Nach allen bislang bekannt gewordenen Informationen, müssen die Ermittler allerdings von der Tat eines einzelnen Attentäters ausgehen, der in einem radikalen Umfeld zum Gotteskrieger wurde. Arid U. stand auf keiner Terror-Warnliste, beim Verfassungsschutz wird derzeit geprüft ob der Deutsch-Kosovare als islamistischer Gefährder bekannt war. U., so der bisherige Erkenntnisstand, ist offenbar ein das Self-Made-Dschihadist, der sich eigenständig über das Internet radikalisierte und scheinbar kein Teil eines terroristisches Netzwerkes in Frankfurt war.
„Wir gehen von einem Einzeltäter aus“, sagte Polizeisprecher Jürgen Linker, und bestätigt damit gleichzeitig die Hilflosigkeit von Sicherheitsbehörden im Fall islamistischer Einzelgänger. Seit geraumer Zeit warnen Sicherheitsbehörden weltweit, die Gefahr durch die sogenannte „Einsame Wölfe“ nehme zu. Das Terrornetzwerk Al-Qaida spornt gezielt junge Muslime im Westen an, Anschläge zu verüben, ohne sich vorher einer Gruppe anzuschließen oder in ein Ausbildungslager zu reisen.
Führungsloser oder gar gruppenloser Dschihad, so das Konzept der al-Qaida Ideologie, ist effektiv, da Anschläge in der Planungsphase kaum aufzudecken sind. Das Risiko von Geheimdiensten und Sicherheitskräften entdeckt zu werden, minimiert sich für den Täter, der ohne Gruppenabsprache und Kommunikation mit Mitstreitern auskommt.
Attentäter ohne Gruppenzugehörigkeit agiert, scheitern zwar häufig, weil ihnen das nötige Know-How z.B. im Umgang mit Explosivstoffen fehlt und die Logistik für Großanschläge nicht umzusetzen ist, trotzdem ist die terroristische Wirkung der Klein-Anschläge oft fatal.
„Ziehe niemanden zu rate, wenn es um das Töten von Amerikanern geht!“, forderte der einflussreiche jemenitische Hass-Prediger Anwar al-Awlaki im November 2010 in einer Videobotschaft im Internet. „Den Teufel zu töten bedarf keiner Fatwa“, so Awlaki.
„Grenzenlose Loyalität“ – so nennt al-Qaida das Konzept eines führungslosen Terroranschlags. Einzeltäter anzuspornen ein Attentat wie jenes vom Frankfurter Flughafen ohne eine Mitgliedschaft in einer Organisation auszuführen, scheint al-Qaida immer häufiger zu gelingen. “
Major Nidal Malik Hassan war einer der ersten „Einsamen Wölfe“, der diese Taktik auf schockierende Weise demonstrierte. Der muslimische US-Militärpsychologe wurde nie in einem Terrorlager in Pakistan oder dem Jemen ausgebildet. Er arbeitete für die amerikanische Armee, lebte jahrelang in den USA ohne als überzeugter Islamist aufzufallen. Am 5.November 2009 wurde aus Major Hassan dem freundlich dreinblickenden, kahlköpfigen Militärpsychologen Major Hassan der Gotteskrieger.
Im texanischen Militärstützpunkt Fort Hood eröffnete Hassan mit einem Maschinengewehr das Feuer auf US-Soldaten, die gerade in der Kantine beim Essen saßen. „Allahu akbar!“ schrie der heute 40jährige und tötete 13 US-Soldaten, bevor er selbst von Kugeln getroffen wurde und verletzt überwältigt werden konnte.
Ermittlungen ergaben, dass Major Nidal Hassan zwar kein Mitglied eines terroristischen Netzwerkes war, sehr wohl aber über Kontakte ins Dschihad-Milieu verfügte. Mehrfach tauschte Hassan E-Mails mit dem im Jemen lebenden Hassprediger Anwar al-Awlaki aus, fragte ihn ob religiös erlaubt sei, US-Soldaten in Amerika zu töten und Selbstmordattentate auszuüben. Sheikh Awlaki gab seinen Segen, und so wurde Major Hassan Teil der al-Qaida Agenda ohne je ein Terrorlager besucht oder einen Terroristenführer getroffen zu haben.
„Bruder Nidal hat nicht unnötigerweise auf sich aufmerksam gemacht oder Geld, das er besser für die Operation selbst brauchte, für Reisen ins Ausland ausgegeben, um dort Ausbildung und Anweisungen zu erhalten, die man auch ganz einfach zu Hause bekommen kann“, lobte al-Qaida später den Amoklauf des Militärpsychologen. Eine Ausbildung in Terrorlagern sei unnötig, jeder der wolle könne Dschihad führen.
Ähnlich wie der Fall des Major Hassan verlief es auch im Fall von Abdulhakim Mujahed Muhammad. Der afroamerikanische Konvertit schoss im beschaulichen Little Rock (Bundesstaat Arkansas), auf zwei amerikanische Soldaten, die vor einem Rekrutierungsbüro der US-Armee an einem Einkaufszentrum warteten. Ein Soldat kam ums Leben, der andere wurde verletzt. Der Schütze war ein Einzelgänger, war 2007 in den Jemen gereist, hatte dort zwei Jahre eine Sprachschule besucht und kam offenbar mit Islamisten in Kontakt.
Bei seiner Rückkehr in die USA im Januar 2009 war Abdulhakim Mujahed Muhammad überzeugt, er müsse in den Heiligen Krieg ziehen und Ungläubige töten. Vor Gericht bezeichnete sich der 24jährige später als „Soldat der Al-Qaida im Jemen“ – ob er jemals direkte Kontakt zu dieser Gruppe hatte ist fraglich.
Roshonara Choudhry, eine 21jährige Englisch-Studentin des Londoner King´s College galt als Muster-Studentin und Sprachtalent, sie beherrschte sprach Englisch, Bengali, Französisch, Arabisch. Im Mai 2010 wurde aus der jungen Frau aus einer bengalischen Familie, eine dschihadistische Attentäterin.
Choudhry ließ sich am 14.Mai 2010 einen Termin beim britischen Labour-Abgeordneten Stephen Timms geben. Kaum hatte sich der Politiker zur Begrüßung der jungen Frau von seinem Stuhl erhoben, sprang Choudhry auf ihn zu und stach mehrfach mit einem Küchenmesser zu. Timms, der das Attentat überlebte, sollte sterben, so Choudhry, weil er für den Irak-Krieg gestimmt hatte.
Die inzwischen zur lebenslangen Haft verurteilte Studentin war ebenfalls eine „Einsame Wölfin“, verärgert über die britische Politik gegenüber Muslimen und getrieben von Rachegefühlen. Inspiriert hatte auch sie der jemenitische Prediger Awlaki. Dutzende seiner Videopredigten fanden sich auf Choudharys Computer.
In wie weit der Frankfurter Flughafen Attentäter Arid U. durch das Internet radikalisiert wurde, werden Ermittlungen zeigen. Fest steht bereits jetzt, der 21jährige Computerspiele-Fan verbrachte viel Zeit im Internet, surfte auf islamistischen Webseiten, sah und kommentierte Youtube-Videos, die den Kampf gegen Ungläubige verherrlichen.
Die Facebook-Freundesliste des kosovarischen Todesschützen von Frankfurt, enthält aber auch lokale Kontakte, Prediger aus dem Großraum aus dem Rhein-Main Gebiet, Personal der Missionsbewegungen „Die Wahre Religion“ und „Einladung zum Paradies“. Arid U., so zeigt sein Facebook-Profil, war nicht nur Fan des chinesischen Actionfilm-Stars Jackie Chan, sondern auch vom salafistische Konvertit Pierre Vogel. Ob U. jemals direkten Kontakt zu Vogel und den anderen Predigern hatte, ist unklar.
Im Internet ist Arid U. bereits jetzt ein Held für die dschihadistische Szene.
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